Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol. - Gerstäcker Friedrich


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in Fränzchen's Wangen.

      „Vetter," rief sie aus - „ich hätte eigentlich Ursache auf Dich böse zu sein, daß Du uns den fatalen Fremden in's Haus gebracht."

      „Um von etwas Anderem zu reden, nicht wahr?" lachte Franz; „wenn ich es aber nun gethan hätte, um meine Revanche des Empfanges wegen zu nehmen?"

      „Das ist er wahrhaftig im Stande gewesen!" rief Adele rasch. „Jetzt aber möcht' ich nur wissen, Franz, was Du dem Mann für Geschichten von uns weisgemacht hast. Mich hat dieser Hobelmann gedauert; denn er rannte dermaßen gegen Alle an, daß er zuletzt Hals über Kopf davonlief."

      „Und dem Hauptmann ein Trinkgeld in die Hand drückte," lachte Fränzchen. „Aufrichtig jetzt gestanden, Vetter, was es mit dem räthselhaften Gast für eine Bewandtniß hat."

      „Wenn Ihr mir Euer Versprechen gebt, daß Niemand außer Euch ein Sterbenswörtchen davon erfährt."

      „Gewiß - keine Silbe," betheuerten hastig die beiden Mädchen.

      „Hui, wie hitzig, wo es eine pikante Neuigkeit giebt! - aber ich habe noch eine Bedingung zu stellen."

      „Und die ist?"

      „Daß Sie mir, lieber Onkel, wie meine beiden schönen Bäschen, was ich auch immer zu berichten hätte, nicht böse werden wollen."

      „Gewiß nicht," sagten beide junge Damen, und der alte /71/ Herr meinte: „Nun sehe ein Mensch die Vorsichtsmaßregeln! Der Junge muß ein bitterböses Gewissen haben."

      „Das hat er auch, Onkelchen," sagte Franz, „und nur durch eine vollständige Beichte läßt sich das Alles wieder gut machen. Dazu kommen Sie aber in's Nebenzimmer, wohin, wie ich sehe, der Kaffee schon gebracht ist. Hier draußen könnte Jemand horchen, und der Gefahr möchte ich mich nicht aussetzen."

      Der Regierungsrath schüttelte den Kopf, die beiden jungen Mädchen waren aber schon vorausgesprungen und schenkten den Kaffee ein, und Franz schloß und verriegelte hinter sich die Thür.

      Eine Viertelstunde später kam die Frau Steuerräthin und wollte den Herrn Regierungsrath und die Damen sprechen. Der Diener sagte aber, daß sie sich beim Kaffee eingeschlossen und da drinnen entsetzlich gelacht hätten. Das natürlich war kein Grund, sich abweisen zu lassen, und die Frau Steuerräthin, jetzt mehr als je entschlossen zu erfahren, was da so merkwürdig Komisches vorgefallen sei, schickte den Diener hinein sie anzumelden und zu bestellen, daß sie ihnen eine wichtige Mittheilung zu machen habe.

      Wenige Minuten später wurde die Thür geöffnet, und der Regierungsrath, mit einem dicken rothen Kopf, Thränen noch vom vielen Lachen in den Augen, begrüßte die Frau Steuerräthin mit dem ernsthaftesten Gesicht von der Welt.

      „Was ist denn vorgefallen?" rief diese aber gleich - „was haben Sie denn Alle? Sie sehen ja so echauffirt aus. Worüber haben Sie denn so entsetzlich gelacht?"

      „Oh, der Vetter hat uns ein paar so spaßhafte Anekdoten erzählt!" sagte Fränzchen rasch gefaßt.

      „Dann will ich Ihnen auch etwas Komisches erzählen," nef die Frau Steuerräthin, der ihr Geheimniß auf der Seele brannte. „Wissen Sie etwas Neues?"

      „Ist etwas vorgefallen?" riefen die beiden Mädchen

      „Vorgefallen? Ach sollte meinen," sagte triumphirend die alte Dame, „und es betrifft noch dazu Ihren Freund, Herr /72/ Franz, den Grafen, für dessen Bekanntschaft wir Ihnen Alle zweifelsohne sehr dankbar sind."

      „Aber ich begreife gar nicht -"

      „Wissen Sie, was er mir gestern Nachmittag angethan hat?"

      „Ihnen, beste Frau?" sagte Franz anscheinend mit großer Theilnahme.

      „So will ich es Ihnen sagen. Einen Polizeidiener hat er mir nachgeschickt - einen wirklichen Polizeidiener, der mir auf Schritt und Tritt um die ganze Stadt nachgegangen ist, und wie ich endlich mein eigenes Haus betreten habe, ist der unten zu den Leuten hineingegangen und hat sich erkundigt, wer ich wäre, ob ich da wohne und ob ich - denken Sie sich diese Scheußlichkeit - ob es mit mir hier richtig wäre" - und die Frau Steuerräthin deutete dabei in größter Entrüstung auf ihre Stirn.

      „Aber das ist ja doch gar nicht möglich!" rief Franz, der kaum seine Fassung bewahren konnte. Der Regierungsrath war aber nicht im Stande an sich zu halten. Erst wurde sein Gesicht immer röther und dicker und die Augen traten ihm aus dem Kopf, endlich aber litt es ihn nicht länger und er platzte geradeheraus, während die Frau Steuerräthin ärgerlich sagte:

      „Ja, Sie haben gut lachen, aber wissen Sie denn, daß wir Alle in großer Gefahr gewesen sind -"

      „Gefahr? wie so?" frug Franz, auf die Erklärung gespannt.

      „Der Mensch war verrückt!" sagte die Frau Steuerräthin.

      „Der Graf Hobelmann?"

      „Erstens war es gar kein Graf," rief die Dame mit Schadenfreude, „sondern ein ganz gewöhnlicher Advocat Hobelmann aus Schlesien - ich habe Alles herausbekommen - und Sie, Herr Franz, ließen sich von einem plumpen Betrüger dupiren. Daß aber auch in seinem Gehirn nicht Alles in Ordnung sei, habe ich ihm den Augenblick angesehen."

      „In der That?" sagte der Regierungsrath und trocknete /73/ sich die Thränen aus den Augen; „aber wissen Sie das auch bestimmt, Frau Steuerräthin?"

      „Wissen? - gestern Abend noch spät ist er plötzlich von ein paar Leuten - wahrscheinlich den Aufsehern einer Irrenanstalt, abgeholt und auf die Eisenbahn geschafft worden," sagte mit gemessener Stimme die Dame, und sah sich dabei rings im Kreise um, um das Erstaunen über diese Nachricht einzuernten.

      „Er ist fort?" rief aber auch Franz Kettenbrock, von dieser Neuigkeit in der That ganz angenehm überrascht.

      „Gestern Abend mit dem Schnellzug - eben habe ich es aus ganz sicherer Quelle erfahren - und zwar fortgebracht unter Begleitung."

      „Aber, beste Frau Steuerräthin," sagte Franz mit vorwurfsvoller Stimme - „wenn der arme Mann mit einem so unseligen Leiden behaftet war, sollten wir doch eigentlich eher Mitleiden mit ihm haben."

      „Mitleiden - wie so?" rief aber die Dame, „und glauben Sie etwa, daß er der Commerzienräthin das unterschriebene Geld gegeben hat? - Gott bewahre; reine Großprahlerei war es - die reine, blanke Großprahlerei!"

      „Die armen Heiden in Birma werden sich jetzt ohne wollene Socken behelfen müssen," sagte der Regierungsrath.

      „Das schmerzt mich eigentlich am wenigsten," meinte die Frau Steuerräthin, indem sie ihren Sonnenschirm wieder aufgriff.

      „Sie wollen schon fort?" frug Adele.

      „Ich habe noch etwas bei Fräulein von Losenbrett zu besorgen," erwiderte die Dame, die fest entschlossen war, die Neuigkeit eigenhändig bei allen Betreffenden herumzutragen. Sie ließ sich auch nicht einmal durch das Anerbieten einer Tasse Kaffee halten, und brach gleich darauf auf, ihren Rückmarsch anzutreten. Der Regierungsrath wandte sich aber, als sie fort war, an seinen Neffen und sagte, mit dem Finger drohend:

      „Den bist Du diesmal zur rechten Zeit los geworden, mein Junge. Wenn ich Dir aber rathen soll, so mach' Du /74/ mich nicht wieder zum Obermedicinalrath, - und wenn es nur der gesundheitsschädlichen Folgen wegen wäre."

      „Wenn ich Ihnen nun aber den jungen Doctor Helmerdiek zum Famulus gäbe?" lachte Franz, mit einem Blick auf die erröthende Cousine.

      „Den," sagte der alte Herr mit freundlichem Ernst, „will ich doch lieber noch etwas genauer kennen lernen. Denn diesen Famulus möchten wir nicht wieder so leicht los werden, wie den Herrn Grafen Hobelmann."

      *

      Jetzt sind acht Jahre seit jener Zeit verflossen, und in der zweiten Etage desselben Hauses mit dem Regierungsrath wohnt der Herr Medicinalrath Helmerdiek, und nennt den alten Herrn „Schwiegerpapa". Franz aber ist ebenfalls nicht, wie es früher seine Absicht war, nach Havana zurückgekehrt, sondern hat das Eckhaus der Kreuzgasse und Neuen Straße an sich gekauft, und zwar mit


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