Purgatory - Wiedergeburt. Christian Leukermoser

Purgatory - Wiedergeburt - Christian Leukermoser


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Voreingenommen gegen alle anderen Rassen. Und sie hasste die Elevan.«

      »Entweder die Elevan oder Dearing verschwindet für immer«, schloss Doktor Simhan.

      Es kostete Lyle sichtliche Überwindung. Er mochte die Elevan nicht, genauso wenig wie die meisten anderen der außerirdischen Rassen. Dabei waren die Elevan im Grunde einst Menschen gewesen.

      Eine kleine Gruppe von, wie man vom heutigen Standpunkt aus behaupten könnte, Visionären, damals nannte man sie Verrückte, setzte sich auf einen kleinen Mond ab und gründete dort eine Kolonie. Sie schmiegte sich mit seltsam anmutenden Steinbauten an einen hohen Berg und erhielt den Namen Kaleron.

      Kurz darauf begannen die Experimente. Mittels gezielter Mutation erschufen sie eine neue Rasse von Menschen und schrieben gleichzeitig einen Verhaltenskodex nieder, der sich an einem, mittlerweile vergessenen, Fantasy-Buch aus dem 21. Jahrhundert orientierte.

      Die Gesellschaft der Elevan wirkte archaisch, war jedoch von Anfang an sehr offen. Aufgrund ihrer Mutationen konnten die Elevan auf vielen Welten siedeln, die für menschliche Siedler tödliche Umweltbedingungen boten.

      Dafür wurden die Elevan eingesetzt, doch lebten sie mehr wie Sklaven in der Gesellschaft, denn als gleichberechtigte Bürger.

      Diese Missstände führten zur Rebellion und zum Krieg. Die Elevan wollten als eigenständige Rasse anerkannt werden und waren bereit, dafür zu kämpfen. Und das taten sie.

      An Körperkraft, Reaktion und Intelligenz den Menschen überlegen, waren sie siegreich und eroberten weitreichende Territorien der Allianz. Nach jedem Sieg schickten sie eine Botschaft an die Regierung, dass man von weiteren Kämpfen absehen würde, wenn man als eigenständige Rasse, mit eigenständiger Verwaltung angesehen würde. Doch die Regierung lehnte immer ab.

      Erst der Angriff der Mendraner gab ihnen die Freiheit, für die sie gekämpft hatten. Die Allianz konnte keinen Zweifrontenkrieg führen und die Elevan wurden selbst von den Mendranern bedrängt. Die Regierung erkannte die Souveränität an und schloss mit den Elevan ein Angriffs- und Verteidigungsbündnis. Mit der Zeit wurde daraus ein festerer militärischer und wirtschaftlicher Zusammenschluss.

      Lyle war während der Kriege jung und diente als Sanitäter auf der Erde. Für ihn war das der Inhalt einer Geschichtsstunde. Doch um die Elevan zu verstehen, musste man ihre Geschichte kennen.

      Man sah sie nun immer häufiger auf der Erde. Menschenähnlich, aber im Durchschnitt wohl etwas größer. Auch ihre Lebenserwartung entsprach denen der Menschen. Allerdings, im Gegensatz zur menschlichen Bevölkerung, starben die Elevan nicht an Krebs oder Krankheiten. Sie waren dagegen immun. Ebenso wie gegen viele Umwelttoxine.

      Ihre Haut- und Gewebestruktur war dichter als die der Menschen. Die Muskeln kräftiger, die Reflexe schneller. Ihre Pupillen wirkten wie die von Raubkatzen und wurden von einem zusätzlichen, durchsichtigen Lid geschützt, das wie eine Sonnenbrille selbst UV-Strahlen hoher Intensität abblockte. In der Nacht ermöglichte es eine Verstärkung des Restlichts und versetzte die Elevan damit in die Lage, sowohl bei gleißendem Licht, als auch bei Dunkelheit immer einsatzbereit zu sein.

      Je länger Lyle darüber nachdachte, so war der Gedanke verlockend Dearing in einem solchen Körper wiederzuerwecken. Er könnte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mit ihrer Persönlichkeit hatte er einen Draht zu den Menschen. Ihr Aussehen brächte bei den Elevan Sympathien.

      Dazu wäre sie noch stärker, schneller und intelligenter als zuvor. Davon abgesehen wurden den meisten Elevan bereits in frühester Jugend Bioimplatate eingesetzt, die Muskeln und Gelenke unterstützten und ihnen zusätzlich übermenschliche Kräfte verliehen.

      Stephen J. Lyle begann der Gedanke einer Supersoldatin zu gefallen. Seiner Supersoldatin.

      »Gut, Doktor«, sagte er schließlich, »Tun sie es. Ich werde es der Presse erklären, sobald ich eine positive Rückmeldung von ihnen habe.«

      Der Anruf kam in der Nacht und holte Stephen J. Lyle aus dem Bett. Seine Frau neben ihm bemerkte nichts davon. Vorsichtig richtete er sich auf und hob seinen Arm.

      Helle Linien auf der Haut begannen zu leuchten, ehe sich eine dreidimensionale, leicht durchscheinende Konsole vor ihm aufbaute. Mit einer Hand bediente er die Tasten und berührte schließlich den blinkenden Button.

      Wie aus dem Nichts entstand ein Bild, das frei über seiner Hand schwebte und nur für ihn sichtbar war. Sofort erkannte er das Gesicht von Doktor Ravindran Simhan. Der gebürtige Inder wirkte müde, doch zufrieden.

      »Doktor?«, fragte Lyle und versuchte, seine Aufregung zu verbergen.

      »Wir haben es geschafft. Das Elevangehirn nahm die Informationen viel besser an, als das Menschliche. Vermutlich, weil die Elevan seit jeher an diese Art von Eingriffen gewöhnt sind.

      Sie schläft jetzt und wir halten sie im Schlaf, bis sich Gehirn und Erinnerungen eingespielt haben. Unserer Erfahrung nach dauert das etwa vierundzwanzig Stunden. Danach können wir sie aufwecken.«

      »Gute Arbeit, Doktor«, meinte Lyle sichtlich erleichtert, »Ich werde gleich morgen eine Pressekonferenz einberufen. Die Presse zerfetzt uns bereits, weil wir die Liveübertragungen gestern unterbrechen ließen. Ich muss sie mit Informationen füttern, sonst wird das eine Publicitydesaster. Also: Was kann ich ihnen sagen?«

      »Die Wiederbelebung wurde erfolgreich durchgeführt, die Erinnerungen sind implantiert und werden gegenwärtig vom Gehirn übernommen. Bisher funktioniert alles so, wie wir uns das vorgestellt haben.

      Allerdings würde ich die Sache mit der Elevan nicht verschweigen. Besser wir bereiten sie bereits darauf vor, bevor Dearing zum ersten Mal an die Öffentlichkeit tritt.«

      Lyle nickte müde. Er hatte verstanden.

      »Legen Sie sich hin, Doc. Das werden ein paar aufreibende Tage.«

      »Nicht so beschwerlich, wie es bisher war. Aber dennoch. Gute Nacht.«

      »Gute Nacht.«

      Stephen Lyle legte sich wieder zurück und blickte auf seine Uhr. Es war 3:44 morgens. In etwas mehr als zwei Stunden würde der Wecker läuten und ihn wieder aus dem Schlaf reißen. Doch vermutlich würde er nicht mehr einschlafen können.

      Vorsichtig stand er auf und durchquerte das Zimmer. Als er mit einer Handbewegung die automatische Tür aktivierte, die lautlos zur Seite glitt, regte sich seine Frau.

      »Wo gehst du hin, Schatz?«, fragte sie.

      »Ich kann nicht mehr schlafen.«

      »Es ist noch nicht einmal vier Uhr. Was hält dich denn schon wieder wach?«

      »Wir haben es geschafft«, sagte er leise.

      Doch seine Frau hatte es gehört. Blitzartig richtete sie sich auf und starrte in die Dunkelheit, wo der Körper ihres Mannes nicht mehr als ein Schatten war.

      »Aaliyah Dearing lebt?«

      »Ja, wenn auch nicht in dem dafür vorgesehenen Körper«, seufzte Lyle, »Es gab Komplikationen und ihr Körper starb ab. Wir mussten reagieren und haben das Bewusstsein in eine Elevan transferiert. Es war notwendig, sonst hätten wir auch die Daten der Blackbox verloren.«

      »Ich kenne die Probleme mit diesen organischen Speichermedien. Aber eine Elevan?

      Dearing verachtete die Elevan, das weiß man doch. Und sie hasste die Mendraner. Ich halte es noch immer nicht für eine gute Idee, ein solches Relikt wieder auf diese Welt loszulassen.«

      »Jetzt ist es zu spät, mein Schatz. Sie wird das Größte werden, was wir jemals erschaffen haben. Auf ihren Schultern wird die PHIMA zum absoluten Marktführer aufsteigen. Du wirst es sehen.«

      »Es gefällt mir trotzdem nicht«, erwiderte sie und legte sich zurück in die weichen Kissen, »Sie ist ein Fossil. Sie gehört nicht mehr in diese Zeit. Erinnere dich daran, was sich in den letzten dreißig Jahren verändert hat. Sie wird in eine Welt geworfen, die sie nicht versteht, die sie nicht kennt.«

      »Sie wird es lernen.


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