Liebe und Alltag in der DDR. Helena Zauber
wir, dass man in dem Hotel Westfernsehen empfangen konnte. Das war ja was, das mussten wir unbedingt ausprobieren und erwischten gleich den Hitchcock-Thriller „Die Vögel“. Oh je, solche Art Thriller hatten wir noch nicht gesehen. Wir waren ganz gebannt davon und es ließ uns eine ganze Weile nach Ende des Films nicht mehr los.
Aber dann fingen wir an, uns gegenseitig zu erschrecken und alberten rum bis wir irgendwann lachend ins Bett fielen, uns wild küssend umarmten und uns unsere Liebe immer wieder mit wunderschönem Sex bewiesen.
Nach diesen Tagen in Erfurt, von wo aus wir Karten an alle, die es wissen sollten, schrieben, dass wir geheiratet haben, fuhren wir zu meinen Schwiegereltern. Auch sie sollten wissen, dass ihr 23-jähriger Sohn geheiratet hatte. Hannes wollte es Ihnen direkt mitteilen.
Ich weiß gar nicht mehr, ob sie überhaupt schon was von meiner Existenz wussten. Das Verhältnis zwischen Hannes und seinen Eltern war sehr angespannt. Besonders zu seinem Vater.
Dieser lies sich dann auch erst mal die Eheurkunde zeigen, ob das auch wahr ist, was sein Sohn da erzählte.
Ich erinnere mich noch genau an sein, sagen wir mal, erstauntes Gesicht. Er schaute auf die Eheurkunde dann auf mich, dann wieder auf die Eheurkunde usw. bis er schließlich ein „herzlichen Glückwunsch“ knurrte.
Später habe ich erfahren, dass er sich für seinen schlanken, 1,89 m großen, rotblond gelockten Sohn eine große, schlanke Blondine wünschte und nicht eine 1,66 m Frau mit südländischem Schlag, die auch noch ein Jahr älter war. Aber er fand wenigsten, dass unsere Namen zusammen passten: Hannes und Helena.
Ich glaube wir blieben ein, zwei Tage in Cottbus und fuhren dann zurück nach Greifswald in unsere Wohnunterkunft.
Da wir ja nun verheiratet waren und beide im Kernkraftwerk Lubmin arbeiteten, bekamen wir ein Zweibettzimmer in einer Drei-Raum-Wohnung, die bis zur Fertigstellung des AKWs als Wohnunterkunft für die Monteure und Arbeiter des AKWs diente.
Dieses richteten wir uns gemütlich ein, kauften von unserem Ehekredit schon mal einen Kühlschrank und zwei tolle Bettliegen.
Meine Schwester lebte damals mit Ihrer Familie, Mann und eine Tochter, auch in Greifswald. Sie hatten eine 3-Raum-Neubauwohnung in einem der neuen Stadteile, die damals entstanden, Schönwalde 1. Mit ihnen und meiner Mutter, die aus Wolgast zu Besuch kam, feierten wir unsere Hochzeit nach. Auch mit unseren jeweiligen Kollegen und Freunden feierten wir die Hochzeit tüchtig nach. Ich glaube es waren vier oder fünf Nachfeiern, die sehr viel Spaß gemacht haben und viele Geschenke brachten, alles was man so als Jungvermählte noch so brauchte, wie Töpfe, Bettwäsche, Geschirr und viele andere Dinge.
Aber ich erinnere mich auch daran, dass ich bei jeder Gelegenheit gefragt wurde, wann es denn soweit wäre?
Beim ersten Mal, wusste ich gar nicht, was die Neugierigen meinten. Aber durch nachhaken wurde klar, was. Sie meinten, wann unser Kind käme.
Zu DDR-Zeiten war es oft üblich, dass junge Leute geheiratet haben, wenn die Frau schwanger war oder das erste Kind schon geboren war. Ehepaare mit Kindern bekamen tatsächlich schneller eine Wohnung und wurden durch staatliche Zuwendungen auch finanziell unterstützt.
Das wollte ich auf keinen Fall!
Ich wollte erst den Mann, dann ein Kind, na ja zwei oder drei.
Ich erinnere mich, dass ich bei dem zweiten Treffen mit Hannes tatsächlich dachte: „Das ist der Vater meiner Kinder!“
Ich betrachtete ihn damals das erste Mal ganz genau. Hannes war schlank, hatte wunderschöne blaue Augen und ein bisschen wildes rotblond gelocktes halblanges Haar. Und was ihn auf mich besonders männlich wirken ließ, einen rotblonden gepflegten Vollbart.
Offensichtlich ahnte ich damals, dass unser beider Gene super zusammen passen.
Mein südländischer Hauch drückte sich in braunen Augen, braunen Haaren und einer fraulichen Figur aus.
Na jedenfalls waren die Frager immer sehr verwundert, dass ich nicht schwanger war und wir trotzdem geheiratet hatten.
Das ging so eine ganze Weile, aber langsam kamen wir wieder im Alltagstrott an.
Da wir beide in Schichten arbeiteten, Hannes in der Elektromotorenabteilung, ich in der „Arbeiterversorgung“, war es manchmal schwierig, gemeinsame Freizeit zu haben. Aber irgendwie bekamen wir das hin und freuten uns doppelt, wenn wir mal ein gemeinsames Wochenende frei hatten.
Wir liebten es, mit Freunden auszugehen. Wir tanzten so gut zusammen, dass viele glaubten, wir haben uns auf einer Tanzschule kennen gelernt. Wir genossen so oft wir es konnten unser Zusammensein, denn wir wussten, jeden Tag kann ein besonderer Brief kommen, der „Einberufungsbefehl“.
Damals wurden die jungen Männer, wenn sie sich nicht 10 Jahre und länger freiwillig verpflichteten, für 18 Monate zur NVA (Nationale Volksarmee) einberufen.
Meist nach der Lehre oder dem Abitur. Aber mein Hannes war noch nicht bei der NVA. Er hat immer gesagt, sie würden ihn erst holen, wenn er verheiratet ist, weil er immer mal wieder „aufmüpfig“ in der Vergangenheit aufgefallen wäre. Und so lauerte dieses Geschehen über unserem Glück.
Aber noch war es ja nicht so weit.
Durch unsere Schichtarbeit verdienten wir gutes Geld und konnten uns im ersten Jahr unserer Ehe auch noch einen zweiten Urlaub im Harz gönnen.
Ich erinnere mich auch an diesen Urlaub sehr genau.
Bei der Erinnerung helfen mir viele Fotos aus diesen Tagen. Es war ein goldener Herbst und wir machten viele Ausflüge rund um Wernigerode. Natürlich immer mit der Bahn. So waren wir viel wandern, auf dem Ottofelsen, zur Hermannshöhle, nach Thale, zur Rappbodetalsperre und zur „Steinernen Renne“.
Aber die Fotos zeigen nicht, dass wir auf dem geplanten Weg nach Ilsenburg nach einer Kontrolle der Personalausweise aussteigen mussten. Wir vermuteten damals, dass Hannes tatsächlich irgendwie registriert war und nicht in das Grenzgebiet rund um den Brocken durfte.
Und die Fotos zeigen auch nicht, dass wir einmal mit dem Bett zusammengebrochen sind.
Heute weiß ich, das lag wohl doch nicht an unserem wilden Sex, sondern an der Stabilität der damaligen „FDGB-Betten“.
Doch die Krönung war, dass Hannes nicht den Mut hatte, das unseren Vermietern zu beichten und mich vorschob mit den Worten:
„Meine Frau möchte Ihnen was sagen!“
Der Vermieter hat nur gelacht und gesagt, er würde sich darum kümmern.
So verbrachten wir unsere zweite Hochzeitsreise mit einigen Überraschungen und Hindernissen, die wir aber nicht als störend empfanden, da wir ja uns und unsere Liebe hatten.
So verflog unser erstes Ehejahr rasant und plötzlich war er da, der Einberufungsbefehl für Hannes.
Am 2. Mai 1985 sollte er sich in Rostock, Kröpeliner Straße melden. Genau weiß ich das nicht mehr. Auf alle Fälle war die Kaserne in Rostock.
Wir waren sehr erleichtert, dass Hannes nicht zu den Grenzern musste.
Unsere größte Furcht war, dass er in die Situation kommen könnte, auf einen Menschen schießen zu müssen.
Um dem aus den Weg zu gehen, gab es in der DDR die Bausoldaten, aber um dort hin zu kommen, war das Prozedere sehr kompliziert. Außerdem galten Bausoldaten als Staatsfeinde und wurden vor der Öffentlichkeit weggesperrt, z.B. in Prora auf Rügen. Wir hatten den Spruch gehört: Drei Worte genügen, nie wieder Rügen.
Auch wussten wir, dass diese Zeit eine harte Probe für unsere Liebe wird. Waren uns aber sicher, auf keinen Fall würden uns diese 18 Monate auseinander bringen.
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Wir