Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth


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Religion in Dresden frei ausüben dürfen und eine Kapelle dort errichtet finden, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Und alle diese Artikel sollten von dem Kurprinzen von Sachsen unterschrieben und bestätigt werden. Da mein Vater den König von Polen nach Berlin eingeladen hatte, damit er der Truppenschau beiwohnte, wurde die Unterzeichnung des Vertrages bis dahin verschoben. König August wünschte diesen Aufschub, um seinen Sohn vorzubereiten und ihn zu der Einwilligung, die von ihm erwartet wurde, zu bereden. So schied denn mein Vater in größter Zufriedenheit von Dresden, und er sowie mein Bruder konnten den König von Polen und seinen Hof nicht genug loben.

       Während all diese Dinge vor sich gingen, hatte ich in Berlin unter den Nachstellungen der Gräfin Amalie bitter zu leiden. Sie ließ nicht ab, die Königin wider mich aufzuhetzen. Diese quälte mich unaufhörlich; von ihr nahm ich es in Ehrfurcht hin, aber das Benehmen ihrer Vertrauten versetzte mich manchmal in eine schreckliche Wut. Sie behandelte mich von oben herab, was mir unerträglich war; und obwohl sie nur zwei Jahre älter war, wollte sie sich anmaßen, mich zu unterweisen. Trotz aller Erbitterung gegen sie musste ich mich beherrschen und mir nichts merken lassen, und dies war mir ärger als der Tod. Denn ich hasse die Falschheit; meine Offenheit hat mir oft viele Leiden eingetragen, doch ist sie ein Fehler, den ich nicht ablegen möchte. Mein Grundsatz ist, dass man stets gerade Wege einhalten soll und dass man sich keine Reue bereitet, wenn man sich nichts vorzuwerfen hat. Doch noch ein neues Ungeheuer fing an, sich als Vertraute zu erheben und sich in die Gunst der Königin mit der Gräfin Amalie zu teilen; es war eine ihrer Kammerfrauen, sie hieß Ramen und war dieselbe, die bei der Niederkunft der Königin schleunige Hilfe leistete, als meine Schwester Amalie zur Welt kam. Diese Frau war Witwe, oder, besser gesagt, sie folgte dem Beispiel der Samaritanerin und hatte ebenso viele Gatten, als es Monate im Jahre gibt. Ihre falsche Frömmigkeit, ihre vorgebliche Mildtätigkeit, endlich die Geschicklichkeit, mit der sie ihren lockeren Lebenswandel zu bemänteln wusste, hatten Frau von Blaspiel veranlasst, sie der Königin zu empfehlen. Es gelang ihr, sich zuerst dadurch einzuschmeicheln, dass sie mancherlei Arbeiten, die ihr Spaß machten, gewandt verfertigte; zu ihrer hohen Gunst bei der Königin brachte sie es aber erst durch ihre Zuträgereien über den König. Meine Mutter setzte ein blindes Vertrauen in diese Frau und teilte ihr die geheimsten Angelegenheiten und Gedanken mit. Zwei solche Rivalinnen in der Gunst der Königin konnten sich auf die Dauer nicht vertragen: Die Gräfin Amalie und die Ramen waren geschworene Feindinnen; aber da sie einander fürchteten, hielten sie ihre Feindschaft geheim.

       Bald nach der Rückkehr des Königs von Dresden erschien der Marschall Graf von Flemming mit seiner Gemahlin, der Fürstin Radzivill, in Berlin, und zwar als außerordentlicher Gesandter des Königs von Polen. Die Fürstin war jung und unerzogen, aber sehr naiv und lebhaft; ohne schön zu sein, besaß sie Reiz. Der König begegnete ihr mit großer Auszeichnung und forderte die Königin auf, sich in gleicher Weise ihr gegenüber zu verhalten. Sie zeigte mir viel Anhänglichkeit; ihr Mann, der mich von Kindheit auf kannte, war mir sehr zugetan. Da er schon alt war, hatte ihm die Königin erlaubt, mich zu besuchen, soviel er wollte; von dieser Vergünstigung machte er reichlichen Gebrauch und verbrachte alle seine Vormittage bei mir mit seiner Frau, die mir alle Zuvorkommenheiten erwies. Ich war sehr unvorteilhaft gekleidet. Die Königin ließ mich frisieren und kleiden, wie meine Großmutter sich in ihrer Jugend getragen hatte. Die Gräfin Flemming machte ihr darüber Vorstellungen und sagte, am sächsischen Hofe würde man meiner spotten, wenn ich dort so erschiene. Sie ließ mich nach der neuen Mode kleiden, und jedermann sagte, ich sei nicht wiederzuerkennen und viel hübscher, als ich gewesen sei. Meine Taille fing an, sich zu bilden und schlanker zu werden, wodurch mein Äußeres gewann. Die Gräfin sagte täglich tausendmal zur Königin, ich müsste ihre Landesherrin werden. Aber da wir beide nichts von dem Dresdener Vertrag vernommen hatten, hielten wir die Redensarten für leeres Geplänkel. Der Graf hielt sich zwei Monate lang in Berlin auf und verabschiedete sich von mir am Vorabend seiner Abreise, indem er mir wiederholt seine Huldigungen erwies. „Ich hoffe“, sagte er mir, „dass ich Eurer Königlichen Hoheit bald die Beweise meiner unverbrüchlichen Anhänglichkeit geben und Sie so glücklich machen werde, als Sie es verdienen. Ich denke, Sie mit meinem Königlichen Herrn binnen kurzem wiederzusehen.“ Ich verstand den Sinn dieser Rede nicht und glaubte, er wollte mir einfach bekunden, dass er meine Vermählung mit dem Prinzen von Wales betreiben würde. Ich antwortete ihm in verbindlichster Weise, worauf er sich zurückzog.

       Einige Tage später fuhren wir nach Potsdam. Die Reise hätte mich zu jeder andern Zeit sehr verdrossen, aber dieses Mal verließ ich Berlin mit Freuden. Ich hoffte, mich wieder in Gunst bei der Königin zu setzen; denn man hatte sie so gegen mich aufgebracht, dass sie mich nicht mehr leiden konnte. Die Unterhandlungen mit England blieben in der Schwebe. Die Königin intrigierte fortwährend wegen meiner Verheiratung, ohne vorwärtszukommen; man hielt sie mit schönen Phrasen hin. Dies alles nahm sie gegen mich ein, denn sie meinte, wenn ich wohlerzogener wäre, so würde ich jetzt schon verheiratet sein. Ich hoffte sie von diesen Gedanken, die ihr die Gräfin Amalie eingegeben hatte, in Abwesenheit dieser Dame abzubringen, allein ich täuschte mich. Sie war so gegen mich erbittert, dass mein Los in Potsdam nicht besser wurde als in Berlin. Die Königin wollte sich sogar bei dem König über mich und meine Hofmeisterin beschweren und ihn bitten, mich einer andern Führung zu übergeben, doch die Furcht hielt sie zurück. Sie kannte die große Achtung, die der König für Fräulein von Sonsfeld hatte, so dass sie besorgen musste, von ihm abgewiesen zu werden. Selbst der Graf Fink, mit dem sie darüber sprach, riet ihr von diesem Schritte dringend ab. Dieser General wusste nichts von den ehrgeizigen Plänen seiner Tochter; er war außerdem ein zu rechtlich gesinnter Mann, als dass er sie gebilligt hätte. Er trat sehr lebhaft für mich und Fräulein von Sonsfeld bei der Königin ein und machte ihr so viele Vorstellungen über die Härte, mit der sie gegen mich wie gegen Fräulein von Sonsfeld verfuhr, dass sie in sich ging. Sie sprach noch am Nachmittag mit mir und sagte mir alles, was sie gegen mich hatte. Es war vor allem das Vertrauen, das ich meiner Erzieherin schenkte, das sie missbilligte; auch verdross es sie, dass ich blindlings die Ratschläge dieser Dame befolgte, und tausend ähnliche Dinge. Ich warf mich ihr zu Füßen und sagte ihr, der Charakter des Fräuleins von Sonsfeld sei derart, dass ich ihr gegenüber keine Geheimnisse haben könne, dass ich ihr alle meine eignen Angelegenheiten anvertraue, aber niemals die der andern; und dass gerade meine Kenntnis ihrer Verdienste mich dazu triebe, die Ratschläge dieser Dame zu befolgen, da ich überzeugt sei, dass es nur gute sein könnten; und dass ich übrigens hierin nur den Befehlen gehorche, die mir die Königin erteilt habe. Ich bat sie dringend, gegen Fräulein von Sonsfeld gerecht zu sein und mich nicht in Verzweiflung zu stürzen, indem sie mir ihre frühere Huld entzöge. Die Königin war von meiner Erwiderung etwas betroffen; sie erging sich in allerlei Ausflüchten, um Beschwerden gegen mich zu finden. Ich versicherte sie meiner Unterwürfigkeit, und endlich schlossen wir Frieden. Zwei Tage später stand ich höher in ihrer Gunst denn je zuvor, und Fräulein von Sonsfeld, der sie absichtlich Kränkungen zuzufügen bestrebt gewesen, wurde jetzt freundlicher behandelt. Ich hätte jetzt in vollkommener Ruhe gelebt, wäre ich nicht durch meinen Bruder darin gestört worden.

       Seit seiner Rückkehr von Dresden war er in düsterste Melancholie verfallen. Seine Gesundheit wurde dadurch angegriffen; er magerte zusehends ab, wurde häufig von Schwächezuständen befallen, die befürchten ließen, dass er schwindsüchtig würde. Ich liebte ihn leidenschaftlich, und wenn ich ihn nach der Ursache seines Kummers fragte, gab er stets die schlechte Behandlung des Königs an. Ich suchte ihn zu trösten, so gut ich konnte, doch war alle Mühe vergebens. Sein Übel verschlimmerte sich so sehr, dass man endlich den König benachrichtigen musste. Dieser beauftragte den Generalarzt, ihn zu untersuchen und seine Gesundheit zu überwachen. Über den Bericht, den dieser Mann über den Zustand meines Bruders erstattete, war der König sehr bestürzt: Der Kronprinz wäre sehr krank und von einem schleichenden Fieber befallen, das in Schwindsucht ausarten könnte, wenn er sich nicht schonen und in Behandlung begeben würde. Der König hatte im Grunde ein gutes Herz; obwohl Grumbkow ihm eine große Abneigung gegen den armen Prinzen eingeflößt hatte und trotz der gerechtfertigten Beschwerden, die er gegen ihn zu haben glaubte, überwog jetzt doch die Stimme der Natur. Er machte sich Vorwürfe, den traurigen Zustand des Prinzen durch den Kummer, den er ihm zugefügt, verursacht zu haben. Er suchte das Vergangene gutzumachen, indem er ihn mit Liebesbeweisen überschüttete; doch all dieses nutzte nichts, und man war weit entfernt, die Ursache seines Leidens zu erraten. Endlich entdeckte man, dass es durch nichts


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