Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth


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Jugend an bezeigte er stets eine entschiedene Vorliebe für das Militär; es war seine größte Leidenschaft, und er hat sie vollauf gerechtfertigt, indem er seine Armee in so vortrefflichen Stand setzte. Sein Temperament ist lebhaft und aufbrausend und hat ihn oft zu Gewalttätigkeiten hingerissen, die ihm später die heftigste Reue verursachten. Er neigte mehr zur Gerechtigkeit als zur Milde. Sein Hängen am Gelde war derart, dass man ihn einen Geizhals gescholten hat. Doch kann ihm dies Laster nur betreffs seiner selbst und seiner Familie vorgeworfen werden. Denn seine Günstlinge und die, welche ihm treu gedient hatten, überschüttete er mit Wohltaten.

       Die wohltätigen Stiftungen und die Kirchen, die er errichtete, zeugten für seine Frömmigkeit; sie grenzte an Bigotterie. Er liebte weder Pomp noch Luxus. Er war misstrauisch, eifersüchtig und oft falsch. Sein Erzieher hatte sich‘s angelegen sein lassen, ihn zur Verachtung des weiblichen Geschlechts anzuhalten. Er hatte eine so schlechte Meinung von allen Frauen, dass seine Vorurteile der Kronprinzessin, auf die er maßlos eifersüchtig war, viele Kümmernisse bereiteten.

      Der Fürst von Anhalt darf als einer der größten Feldherren dieses Jahrhunderts gelten. In allen kriegerischen Dingen sehr erfahren, zeigt er sich auch in anderen Angelegenheiten außerordentlich gewandt. Sein brutales Aussehen ist furchterweckend, und seine Physiognomie entspricht seinem Charakter. In seinem maßlosen Ehrgeiz ist er aller Gewalttaten fähig, um zum Ziele zu gelangen. Er ist seinen Freunden treu, aber ein unversöhnlicher Feind und rachsüchtig bis aufs äußerste jenen gegenüber, die so unglücklich waren, sich seinen Zorn zuzuziehen. Er ist falsch und grausam, jedoch gebildet und angenehm im Verkehr, wenn es ihm beliebt.

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      Joachim Ernst von Grumbkow

      Herr von Grumbkow gehört wohl zu den befähigtsten Ministern, die es seit langem gegeben hat; er ist sehr höflich, geistreich und redegewandt; er ist gebildet und schmiegsam und gefällt vor allem durch seine unerbittliche Spottlust, die ja in unserem Jahrhundert besonders geschätzt wird. Er weiß sich zugleich ernst und angenehm zu zeigen. All diese schönen Außenseiten verbergen ein tückisches, eigennütziges und verräterisches Herz. Sein Privatleben ist ein denkbar ungeregeltes, sein ganzer Charakter nur ein Gewebe von Lastern, die ihn zum Abscheu aller anständigen Leute gemacht haben.

      Derart waren die zwei Günstlinge des Kronprinzen. Da beide intelligent und dabei eng befreundet waren, lässt sich leicht denken, dass sie sehr wohl einen verderblichen Einfluss auf das Herz eines jungen Prinzen ausüben, ja einen ganzen Staat umwälzen konnten. Ihren Plan, selbst zu regieren, sahen sie durch die Heirat des Kronprinzen vereitelt.

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      Leopold von Anhalt Dessau

       Der Fürst von Anhalt konnte es der Kronprinzessin nicht verzeihen, dass sie den Sieg über seine Nichte davongetragen hatte. Er fürchtete, dass sie auf das Herz ihres Gemahls allen Einfluss gewinne; und um es zu verhindern, suchte er Zwietracht zwischen ihnen zu säen und machte sich den Hang des Kronprinzen zur Eifersucht zunutze, indem er sie auf seine Gemahlin zu lenken wusste. Die arme Fürstin litt unsäglich unter den Ausbrüchen des Kronprinzen; und ob sie noch so viele Beweise ihrer Tugend an den Tag legte, so vermochte sie doch durch Geduld allein ihn endlich von den Argwohn abzubringen, den man ihm eingeflößt hatte.

      Die Prinzessin wurde inzwischen schwanger und genas im Jahre 1707 eines Sohnes. Der Jubel über dies Ereignis wandelte sich bald in Trauer, denn der Prinz starb ein Jahr darauf. Eine zweite Schwangerschaft rief wieder die Hoffnungen des ganzen Landes wach. Die Kronprinzessin gebar am 3. Juli 1709 eine Prinzessin, die sehr ungnädig empfangen wurde, da alles leidenschaftlich einen Prinzen wünschte. Diese Tochter ist meine Wenigkeit. Ich erblickte das Licht zu der Zeit, als die Könige von Dänemark und Polen in Potsdam waren, um den Bundesvertrag wider Karl XII. von Schweden zu unterzeichnen und die Wirren in Polen beizulegen. Diese beiden Monarchen und der König, mein Großvater, waren meine Paten und bei meiner Taufe zugegen, die mit großem Pomp und viel Pracht und Zeremoniell vor sich ging. Man nannte mich Friederike Sophie Wilhelmine.

      Der König, mein Großvater, gewann mich bald sehr lieb. Mit eineinhalb Jahren war ich den andern Kindern weit voraus, sprach verständlich deutlich, und mit zwei Jahren ging ich ganz allein. Die Possen, die ich trieb, machten diesem guten Fürsten Spaß, und er unterhielt sich ganze Tage lang mit mir.

       Im folgenden Jahre gebar die Kronprinzessin wieder einen Prinzen, der ihr auch wieder entrissen wurde. Eine vierte Schwangerschaft führte im Januar des Jahres 1712 zur Geburt eines dritten Prinzen, der Friedrich genannt wurde. Man übergab uns, meinen Bruder und mich, der Pflege der Frau von Kamecke, Gemahlin des Oberhofmeisters des Königs, seines großen Günstlings. Als aber kurz darauf die Kronprinzessin zum Besuch ihres kurfürstlichen Vaters nach Hannover reiste, wurde ihr von Frau von Kielmannsegge, späteren Lady Arlington, deren Gesellschaftsdame als meine Erzieherin empfohlen. Diese hieß Leti und war die Tochter eines italienischen Mönches, der aus seinem Kloster entflohen war und sich in Holland niedergelassen hatte, wo er den katholischen Glauben abgeschworen; seine Feder verhalf ihm zu einem Unterhalt. Er verfasste die Geschichte von Brandenburg, die vielfach kritisiert wurde, und schrieb das Leben Karls V. und Philipps II.

      Seine Tochter hatte sich durch Zeitungskorrekturen ihr Brot verdient. Ihr Geist wie ihr Herz waren italienisch, das heißt sehr lebhaft, sehr schmiegsam und sehr schwarz. Sie war eigennützig, hochfahrend und heftig. Ihre Sitten verleugneten ihre Herkunft nicht, ihre Koketterie zog viele Liebhaber an, die sie nicht vergebens schmachten ließ. Ihre Manieren waren holländisch, das heißt sehr grob; aber sie wusste diese Fehler hinter so schönen Außenseiten zu verbergen, dass sie alle bezauberte, die sie sahen. Die Kronprinzessin ließ sich wie die anderen von ihr blenden und beschloss, sie bei mir als Fräulein anzustellen, jedoch mit der Vergünstigung, mich überallhin begleiten und an meinem Tische essen zu dürfen.

       Der Kronprinz hatte seine Gemahlin nach Hannover begleitet. Die Kurprinzessin hatte dort im Jahre 1707 einen Prinzen geboren. Da unsere Jahre sich entsprachen, wollten unsere Eltern die Bande ihrer eigenen Freundschaft befestigen, indem sie uns füreinander bestimmten. Mein kleiner Liebhaber fing sogar damals schon an, mir Geschenke zu schicken, und es verging keine Post, wo sich die beiden Fürstinnen nicht über die zukünftige Vereinigung ihrer Kinder unterhielten. Schon seit einiger Zeit hatte mein Großvater, der König, zu kränkeln angefangen; man hoffte von einer Zeit zur andern, dass seine Gesundheit sich wiederherstellen würde, allein sein äußerst schwacher Organismus vermochte der Schwindsucht nicht lange standzuhalten. Er starb im Februar der Jahres 1713. Als man ihm seinen Tod ankündigte, fügte er sich mit männlicher Resignation in den Ratschluss der Vorsehung. Und als er sein Ende nahen fühlte, nahm er Abschied vom Kronprinzen und von der Kronprinzessin und legte ihnen das Wohl des Landes und seiner Untertanen ans Herz. Er ließ sodann meinen Bruder und mich zu sich rufen und erteilte uns seinen Segen um acht Uhr abends. Sein Tod erfolgte sehr bald nach dieser traurigen Zeremonie. Er verschied am 25., vom ganzen Königreich beklagt und betrauert.

      Noch an demselben Tage ließ sich König Friedrich Wilhelm, sein Sohn, über den Bestand der Hofhaltung berichten und reformierte sie von Grund auf, mit der Einschränkung, dass vor der Beisetzung des Königs sich niemand entferne. Über die Pracht jener Trauerfeierlichkeiten will ich schweigen. Sie fanden erst nach einigen Monaten statt. Alles in Berlin nahm jetzt ein anderes Aussehen an. Die, welche bei dem neuen König in Gunst bleiben wollten, nahmen Säbel und Helm: alles wurde militärisch, und es verblieb keine Spur des früheren Hofes. Herr von Grumbkow übernahm die Staatsangelegenheiten und der Fürst von Anhalt die Verwaltung des Heeres. Diese beiden Persönlichkeiten eroberten sich das Vertrauen des jungen Monarchen und halfen ihm die Last der Geschäfte tragen. Das ganze erste Jahr wurde nur damit zugebracht, sie zu ordnen und die Finanzen zu regeln, die durch die beispiellose Verschwendung des verewigten Königs etwas zerrüttet waren.

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      Wilhelmine und Kronprinz Friedrich

       Das folgende Jahr brachte ein neues Ereignis, das für den König und die Königin von großem Interesse war: den Tod der Königin Anna von


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