Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen. Wilhelmine von Bayreuth

Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen - Wilhelmine von Bayreuth


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wohnte bei Herrn von Sastot, Kammerherrn der Königin, mit dem er nahe verwandt war. „Ich bin“, sagte er zu ihm, „mit außerordentlich wichtigen Botschaften betraut, die aber höchste Diskretion erfordern und mich nötigen, meinen Aufenthalt geheimzuhalten; ich habe einen Brief für den König, doch mit strengstem Befehl, ihn unmittelbar in seine Hände zu legen; deshalb habe ich mich an niemanden hier gewandt und habe hier keinerlei Bekanntschaften. Ich hoffe daher, dass Sie als mein Verwandter und alter Freund mich aus der Verlegenheit ziehen und die Depeschen dem König zukommen lassen werden.“ Diese vertraulichen Eröffnungen erfüllten Sastot mit Neugierde. Er drang in de la Motte, ihm den Grund seiner Reise anzuvertrauen. Nach langem Widerstreben gestand de la Motte endlich, er sei vom Prinzen von Wales geschickt worden, um dem König zu melden, dass er entschlossen sei, heimlich und ohne Wissen seines königlichen Vaters aus Hannover zu entfliehen und nach Berlin zu kommen, um mich zu heiraten. „Sie sehen nun wohl“, sagte de la Motte, „dass der ganze Erfolg des Planes einzig davon abhängt, dass er nicht verraten wird. Da man mir aber nicht untersagte, es auch der Königin mitzuteilen, stelle ich es Ihnen anheim, sie zu unterrichten, falls Sie glauben, dass sie schweigen kann.“ Sastot erwiderte, dass er der Sicherheit halber Fräulein von Sonsfeld ins Vertrauen ziehen und sie um ihren Rat fragen würde. Ich war einige Tage zuvor von einem heftigen Fieber und einer Erkältung befallen worden. Sastot traf Fräulein von Sonsfeld bei der Königin, der sie eben über mein Befinden Bericht erstattete. Sobald er mit ihr sprechen konnte, teilte er ihr die Ankunft de la Mottes und die Neuigkeiten, die er erfahren hatte, mit und bat sie, ihm zu raten, ob man es der Königin sagen solle. Sastot und Fräulein von Sonsfeld wussten beide, dass sie vor der Ramen nichts geheimhielt und dass also Seckendorff sicher alles erfahren würde. Aber nach reiflicher Überlegung beschlossen sie endlich, die Königin in Kenntnis zu setzen. Ihre Freude über diese Nachricht war unbeschreiblich; sie konnte sie weder vor der Gräfin Fink noch vor Fräulein von Sonsfeld verheimlichen. Beide mahnten sie zur Verschwiegenheit und hielten ihr die schlimmen Folgen vor Augen, die daraus entstünden, wenn der Plan bekannt würde. Sie versprach ihnen alles, und zu meiner Hofmeisterin sich wendend, sagte sie: „Gehen Sie zu meiner Tochter, sie auf die gute Nachricht vorzubereiten; ich werde morgen zu ihr kommen, um selbst mit ihr zu sprechen, aber trachten Sie besonders, dass sie bald wieder ausgehen kann.“ Fräulein von Sonsfeld kam alsbald zu mir: „Ich weiß nicht, was Sastot hat“, sagte sie, „er gebärdet sich wie ein Narr, er singt, er tanzt, und dies vor Freude, wie er sagt, einer guten Nachricht halber, die er nicht verraten darf.“ Ich achtete nicht darauf, und da ich nichts erwiderte, fuhr sie fort: „Ich bin doch neugierig, was es ist; denn er sagt, dass es Sie betrifft.“ „Ach“, sagte ich, „was für eine gute Nachricht könnte mir in meiner gegenwärtigen Lage zugehen, und woher sollte Sastot solche erhalten?“ „Von Hannover“, sagte sie, „und vielleicht vom Prinzen von Wales in Person.“ „Ich sehe nichts so Glückliches dabei“, gab ich zurück; „Sie wissen zur Genüge, wie ich hierüber denke.“ „In der Tat, Hoheit“, erwiderte sie, „allein ich fürchte sehr, dass Gott Sie strafen wird, weil Sie stets nur Verachtung für einen Prinzen finden, der Ihnen so ergeben ist, dass er die Ungnade seines Vaters, des Königs, nicht scheut und sich vielleicht mit seiner ganzen Familie überwerfen wird, um Sie zu heiraten. Zu welcher Partie wollen Sie sich denn entschließen? Es bleibt keine Wahl: Lieben Sie den Herzog von Weißenfels oder den Markgrafen von Schwedt, oder wollen Sie unvermählt bleiben? Wahrhaftig, Sie machen mich unglücklich, und im Grunde wissen Sie gar nicht, was Sie wollen.“ Ich musste über ihr Ungestüm lachen, da ich nicht annahm, dass sie Nachrichten von wirklichem Belange hatte. „Die Königin hat vermutlich solche Briefe wie vor sechs Monaten erhalten“, sagte ich, „und sie sind wohl der Grund Ihrer schönen Ansprache.“ „Keineswegs“, versetzte sie; und nun erzählte sie mir von der Botschaft de le Mottes. Jetzt sah ich wohl, dass die Sache ernst war, und das Lachen verging mir. Dafür befiel mich ein heftiger Kummer, der meiner Gesundheit nicht förderlich war. Die Königin kam tags darauf zu mir. Nachdem sie mich mehrmals zärtlich umarmt hatte, bestätigte sie mir alles, was ich schon von Fräulein von Sonsfeld wusste. „So werden Sie denn endlich glücklich! Welche Freude für mich!“ Ich küsste ihre Hände und benetzte sie mit Tränen. „Aber Sie weinen“, fuhr sie fort, „was ist Ihnen?“ Ich machte mir ein Gewissen daraus, ihre Freude zu stören. „Der Gedanke, Sie zu verlassen“, sagte ich zu ihr, „betrübt mich mehr, als alle Kronen der Welt mich erfreuen könnten.“ Meine Antwort rührte sie; sie liebkoste mich und ging dann weg. An diesem Abend hielt die Königin Cercle. Ihr Unstern wollte, dass Herr Dubourgay, der englische Gesandte, zugegen war. Er teilte wie gewöhnlich der Königin mit, was er von seinem Hof für Nachrichten erhalten hatte; so entspann sich ein Gespräch, bei dem die Königin, all ihrer Versprechen vergessend, ihm den Plan des Prinzen von Wales kundtat. Herr Dubourgay schien überrascht und fragte, ob sie es denn gewiss wüsste. „So gewiss“, sagte sie, „dass de la Motte von ihm hierher gesandt wurde und dem König schon die Mitteilung gemacht hat.“ Dubourgay zuckte darauf die Achseln. „Wie unglücklich bin ich“, sagte er, „dass Eure Majestät mir etwas anvertraut haben, was Sie mir ebenso verheimlichen mussten wie Herrn von Seckendorff. Mein Gott, wie beklagenswert ist meine Lage, da ich mich genötigt sehe, heute Abend einen Kurier nach England zu schicken, um meinen Herrn, den König, in Kenntnis zu setzen, der nicht ermangeln wird, die Pläne seines Sohnes, des Prinzen, zu durchkreuzen. Allein ich kann nicht anders handeln.“ Man stelle sich den Schrecken der Königin vor! Sie bot alles auf, um Dubourgay von seinem Vorhaben abzubringen, allein er zeigte sich unerbittlich und zog sich auf der Stelle zurück. Zum Unglück hatte sie sich auch der Ramen anvertraut. Seckendorff, der durch diese Person von allem unterrichtet worden war, hatte sich nach Potsdam begeben, um den König zu benachrichtigen und ihn zu verhindern, dass er eine Antwort gebe. Die Gräfin Fink erzählte mir dies alles tags darauf. Die Mine war gesprengt, es blieb also nichts übrig, als zu trachten, dass die Indiskretion der Königin nicht zu Ohren des Königs gelange. Dieser kam acht Tage später nach Berlin. Trotz aller Einwürfe Seckendorffs ließ er de la Motte kommen, empfing ihn aufs Beste und bezeigte ihm seine Ungeduld, den Prinzen von Wales zu sehen. Er gab ihm einen Brief für diesen Prinzen und trieb ihn an, so schnell als möglich abzureisen, um dessen Ankunft zu beschleunigen. Aber die Dinge hatten sich indessen sehr geändert. Das Zögern des Königs und die Unvorsichtigkeit der Königin ließen dem Schreiben des englischen Gesandten Zeit, nach England zu gelangen. Da es an den Staatssekretär gerichtet war, drang man in den König von England, ja nötigte ihn, einen andern Kurier nach Hannover zu senden, um dem Prinzen von Wales zu befehlen, unverzüglich nach England zurückzukommen. Dieser Kurier traf kurz vor der Abreise des Prinzen ein. Da er an das Ministerium geschickt worden war, blieb nichts anderes übrig, als sich dem Befehl zu fügen; und so war der Prinz genötigt, sich aufzumachen, während der König und die Königin in Berlin überglücklich ihn erwarteten. Ihre Freude verwandelte sich bald in Bestürzung durch die Ankunft einer Stafette, die ihnen die plötzliche Abreise des Prinzen nach England mitteilte.

       Mit dem ganzen Geheimnis hatte es aber die folgende Bewandtnis. Die englische Nation verlangte dringend, dass sich der Prinz in seinem zukünftigen Königreich aufhalte. Sie hatte mehrmals sehr ausdrücklich bei dem König darauf bestanden, doch ohne einen günstigen Beschluss zu erlangen. Denn der König wollte seinen Sohn nicht nach England kommen lassen, weil er voraussah, dass seine Anwesenheit Parteiungen hervorrufen würde, die seinem eignen Ansehen nur zum Nachteil gereichen konnten. Er hatte jedoch eingesehen, dass er sich dem Wunsche der Nation nicht dauernd widersetzen durfte. So hatte er heimlich an seinen Sohn geschrieben, er möge sich nach Berlin verfügen und mich heiraten; doch verbot er ihm zugleich, ihn, den König, mit diesem Schritt zu kompromittieren. Auf diese Weise war ein guter Vorwand gefunden, um sich mit dem Prinzen von Wales zu überwerfen und ihn in Hannover zu lassen, ohne dass die Nation sich darüber beschweren konnte. Die Indiskretion der Königin und das Schreiben Dubourgays machten diesen ganzen Plan zunichte und zwangen den König, die Forderung der Engländer zu erfüllen. Der arme de la Motte musste den Sündenbock abgeben; er wurde auf zwei Jahre in die Festung Hameln eingesperrt und dann kassiert. Aber mein Vater nahm ihn nach seiner Freilassung in seinen Dienst, und er steht heute noch an der Spitze eines Regiments. Dies alles verschlimmerte nur mein Los. Der König war mehr denn je gegen seinen Schwager aufgebracht und beschloss, nunmehr rücksichtslos vorzugehen, sofern ihm nicht durch meine Heirat Genugtuung geboten würde.

      Wir folgten ihm bald darauf nach Potsdam, wo er an beiden Füßen von heftigen Gichtschmerzen


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