Die heimliche Gemahlin. Walter Brendel

Die heimliche Gemahlin - Walter Brendel


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Gouverneursposten auf der Insel Marie-Galante. Als sich herausstellte, dass der Posten bereits besetzt war, ließ der Vater seine Familie auf Marie-Galante zurück, um sein Glück wieder in Europa zu probieren; er verstarb 1647. Die völlig überforderte Mutter schaffte es nur mit Hilfe der Westindischen Kompanie (Die Westindienkompanie wurde 1664 durch Jean-Baptiste Colbert mit dem Ziel gegründet wurde, Handel mit den französischen Besitzungen in Amerika zu treiben) zu überleben, und kehrte mit ihren Kindern erst zwei Jahre später nach Frankreich zurück, wo Françoise wieder von ihrer geliebten hugenottischen Tante Madame de Villette aufgenommen wurde. In diesem Moment mischte sich jedoch eine Madame de Neuillant, eine Großtante mütterlicherseits, ein, weil sie es nicht akzeptieren konnte, dass die katholisch getaufte Françoise eine hugenottische Erziehung bekam. Sie schickte das Mädchen zunächst zu den Ursulinen nach Niort, wollte jedoch die Rechnungen nicht bezahlen und nahm das Mädchen dann in ihrem eigenen Hause auf, wo Françoise „ein Aschenbrödel-Dasein“ geführt hat.

      „Im Haus trug ich stets Holzpantinen, Schuhe gaben sie mir nur, wenn jemand zu Besuch kam. Ich erinnere mich noch, dass meine Cousine und ich, wir waren gleichaltrig, einen Teil des Tages damit zubrachten, auf die Truthähne der Tante aufzupassen.“

      Immerhin lernt Françoise die Gepflogenheiten in einem vornehmen Haushalt kennen und gelangt durch Madame de Neuillant auch nach Paris. Das begabte Mädchen weiß längst, dass es sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muss.

      1652 ging Françoise zusammen mit Madame de Neuillant nach Paris, wo sie den 42jährigen brillanten und berühmten Komödien-Autor Paul Scarron (geboren 1610) kennenlernte.

      Paul Scarron. Musée de Tessé

      Mit seinen Komödien schwamm Scarron auf der Welle der zeitgenössischen Degen und Mantel-Stücke im spanischen Stil. Er litt unter fortschreitender Muskellähmung, saß im Rollstuhl und sah nach eigenen Worten „wie ein Z“ aus; Françoise soll bei seinem Anblick vor Mitleid in Tränen ausgebrochen sein.

      1652 mehrte eine ganz andere Aktion den Bekanntheitsgrad Scarrons: Er heiratete, obwohl nicht eben reich, die 16jährige mittellose kleinadelige Waise, die ihm durch kluge und wohlgesetzte Briefe aufgefallen war: Françoise d'Aubigné.

      Scarron fiel nicht nur die Schönheit, sondern auch die ungewöhnliche Intelligenz des schüchternen und zurückhaltenden Mädchens auf, und er machte ihr einen Heiratsantrag. Sie erkennt sie ihre Chance. Denn bei dem cholerischen, aber äußerst geistreichen Mann verkehren die klügsten Köpfe der Stadt. Chevalier de Méré, unangefochtene Autorität in Fragen der Eleganz, lässt verlauten:

      „Françoise ist nicht nur sehr schön, und zwar von einer Schönheit, die nicht ermüdet. Sie ist auch sanft, dankbar, zurückhaltend, treu, bescheiden und intelligent, und als Krönung ihrer Anmut benutzt sie ihren Geist nur, um zu unterhalten oder um liebenswert zu sein.“

      Scarron schulte ihre Wortgewandheit und ihren Esprit und lehrte sie Spanisch, Italienisch und etwas Latein. Als seine Frau fand sie über die vielen geistreichen Gäste, die in Scarrons Haus verkehrten, Zugang zu vornehmen Pariser Kreisen, wo man sie als interessante und angenehme Gesprächspartnerin wahrnahm. Man nannte sie wegen ihrer ungewöhnlichen und abenteuerlichen Vergangenheit in Westindien auch „Die schöne Inderin“. Dank dem Witz und Galgenhumor Scarrons, aber auch dank dem Charme und Esprit seiner jungen Frau wurde ihr Haus zum Treffpunkt von Literaten und geistig interessierten Aristokraten, was ihnen wiederum half, die Zuwendungen diverser Mäzene zu erhalten, in den 1640er Jahren insbesondere des Kardinals de Retz und in den 1650ern des Finanzministers Nicolas Fouquet.

      Vielleicht zu Unrecht war Scarron 1651, während der „Fronde“, eine gegen den Minister Kardinal Mazarin gerichtete Polit-Satire zugeschrieben worden, La Mazarinade. Dies brachte ihn 1653, nach dem Sieg Mazarins, kurz in Schwierigkeiten und veranlasste ihn zu einer mehrmonatigen Entfernung aus Paris.

      In dieser Zeit lernte die nunmehrige Frau Scarron unter anderem die berühmte geistreiche Kurtisane Ninon de Lenclos kennen.

      ***

      Anne „Ninon“ de Lenclos, war eine Salonnière. Sie gilt in Frankreich als eine der herausragendsten Frauen des 17. Jahrhunderts.

      Ninon de Lenclos wurde als Tochter eines französischen Kleinadligen geboren. Ihre Mutter versuchte, sie religiös zu erziehen. Der Vater jedoch unterstützte die Tochter in ihrem Bildungsdrang und animierte sie, Montaigne zu lesen.

      Trotz ihres Lebenswandels als Kurtisane brachte Ninon de Lenclos es durch ihre Bildung und ihre vielseitige musische Begabung, ihre Intelligenz und ihren Sprachwitz, aber auch durch ihre Schönheit bald zu großer gesellschaftlicher Anerkennung. Sie wurde zu einem der Sterne der Ära Ludwigs XIV., wurde allerdings nie bei Hofe empfangen. Sie galt als Meisterin des geistvollen Gesprächs und die Teilnahme an ihren Jours war eine große gesellschaftliche Ehre. Zu ihren Freunden und Freundinnen zählten Königin Christine von Schweden, Molière und Madame de Sévigné.

      Ninon de Lenclos legte Wert auf ihre Unabhängigkeit: Sie heiratete nie und hatte unzählige Liebhaber. Noch als Achtzigjährige, so heißt es, sei sie von den Männern heiß begehrt gewesen. Sie selbst nahm ihre Caprices, wie sie ihre Liebschaften bezeichnete, nicht sehr ernst und ließ sich nie auf eine ernsthafte Beziehung zu einem Mann ein. Die aus ihren Liebschaften entstandenen Kinder überließ sie den jeweili-gen Vätern zur Erziehung, denn sie wollte sich nicht mit Kinderpflege belasten. Einer ihrer Söhne verliebte sich nichtsahnend in sie, als sie bereits 60 Jahre alt war. Sie offenbarte ihm, dass sie seine Mutter sei. Darauf erschoss er sich vor ihren Augen.

      Trotz ihres unmoralisch wirkenden Lebens galt sie als gute, treue Freundin. Sie unterstützte in Not geratene Freunde mit Geld und Taten, achtete jedoch darauf, selbst finanziell unabhängig und niemandem etwas schuldig zu bleiben. Dabei brachte sie es nie zu großem Reichtum; sie lebte in einem für Adelsverhältnisse einfachen bürgerlichen Mietshaus. Ihre Liebschaften wählte sie vor allem ihren Gefühlen folgend und (entgegen damaligem Usus) unabhängig von finanziellen oder politischen Interessen aus.

      Ninon de Lenclos, Kupferstich von Antoine-Jean-Baptiste Coupé (1784 – ca. 1852)

      ***

      Nach dem Tode Scarrons 1660 geriet seine Witwe in finanzielle Bedrängnis. Da sie viele adlige Freunde hatte, die sich ständig bei der Königinmutter Anna von Österreich und beim König für sie einsetzten, gewährte dieser ihr aus seiner Schatulle eine Pension von 2000 Livres, von der sie immer noch „beengt“, aber immerhin mit Magd leben konnte.

      Madame Scarron übernahm in der Folgezeit manchmal bei ihren adligen Freundinnen Aufgaben als Zofe oder kümmerte sich beispielsweise um die Kinder der Marquise de Montchevreuil.

      Während der Zeit im Hause Scarron lernte Françoise auch die schöne und glamouröse Marquise de Montespan kennen, die einige Jahre später Mätresse des Königs wurde.

      Athénais de Montespan scheint es vollkommen bewusst darauf angelegt zu haben, zur Mätresse des Königs aufzusteigen. Als Hofdame der Königin und da sie sich außerdem mit Louise de La Vallière, der offiziellen Geliebten Ludwigs XIV. anfreundete, hielt sie sich im Grunde ständig in der Gegenwart des Königs auf – der nebenher ohnehin noch weitere Flirts und Amouren hatte (u. a. mit der Princesse de Monaco). Doch meinte Primi Visconti:

      „Diese schöne und spöttische Dame gefiel dem König zuerst gar nicht. Eines Tages scherzte er sogar an der Tafel darüber mit Monsieur, seinem Bruder, und als sie mit ziemlicher Affektiertheit ihm zu gefallen suchte, soll er gesagt haben: "Sie tut was sie kann, aber ich will nicht."

      Im Juli 1667, während des Flandernfeldzuges, erreichte die Montespan jedoch ihr Ziel und verdrängte Louise de La Vallière (zunächst noch heimlich) als Geliebte Ludwigs XIV. Die Montespan zog dabei alle Register einer echten Intrigantin: Ganz im Gegensatz zu der eher schüchternen, frommen, und oft von Gewissensbissen gequälten La Vallière, schien die Montespan keinerlei Probleme zu haben, mit der Königin und dem König, der gerade ihr Liebhaber geworden war, in der gleichen Kutsche


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