Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4. Rudolf Cronau

Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4 - Rudolf Cronau


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Deutschland die vortrefflichen Einrichtungen der Universität zu Göttingen kennen gelernt hatte, den Anstoß dazu gab, die in Philadelphia bestehende Public Academy in eine nach dem Muster der Göttinger Universität geleitete Hochschule, die heutige Universität von Pennsylvanien umzuwandeln. Das geschah noch vor Beendigung des Unabhängigkeitskrieges, im Jahre 1779. Dass seine frühere Abneigung gegen die Deutschen sich in das direkte Gegenteil verwandelt hatte, beweist die Tatsache, dass er dem von ihm entworfenen Lehrplan eine von dem Professor Wilhelm Craemer geleitete deutsche Abteilung einfügte und so der deutschen Sprache Eingang unter den gebildeten Amerikanern verschaffte.

      Franklin unterstützte auch lebhaft die Gründung der von den Deutschen Pennsylvaniens geplanten „Franklin-Hochschule“ zu Lancaster. Er steuerte nicht bloß 1.000 Dollar zum Bau derselben bei, sondern unternahm noch als 81jähriger Greis die sehr beschwerliche Reise dorthin, um der Grundsteinlegung beizuwohnen.

      Außer jener Hochschule unterhielten die in Pennsylvanien lebenden Deutschen, namentlich die rasch zu Wohlstand gelangten Mennoniten und Herrnhuter, vortrefflich geleitete Schulen. Diejenigen zu Bethlehem und Nazareth bezeichnet Payne in seiner „Universal Geography vom Jahre 1798“ als die besten ganz Amerikas.

      In Bethlehem bestand seit 1749 auch bereits ein Lehrerinnen-Seminar. Wie weit voraus die Herrnhuter damit den Puritanern Neu-Englands waren, beweist die Tatsache, dass, als im Jahre 1793 der Vorschlag gemacht wurde, eine ähnliche Anstalt in Plymouth, Massachusetts, zu gründen, man dort das Projekt bekämpfte, „weil in einer solchen Schule Frauen gelehrter als ihre zukünftigen Ehemänner werden könnten!“

      Ein freierer Geist griff erst Platz, als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche geistig hochstehende Amerikaner „Entdeckungsreisen“ nach dem Lande der großen Denker unternahmen, um dort ihre Studien fortzusetzen oder zu vollenden. Sie lernten dabei die Einrichtungen der deutschen Schulen und Universitäten so schätzen und lieben, dass sie gleich Franklin für die Umgestaltung des amerikanischen Erziehungswesens nach deutschem Muster eintraten.

       Am nachdrücklichsten taten dies die Professoren John Griscom von New York, Alexander D. Bache von Philadelphia und Calwin E. Stowe von Ohio. Diese hervorragenden Pädagogen bereisten Europa zu dem speziellen Zweck, um die dort angewandten Erziehungsmethoden kennen zu lernen. Griscom traf während der Jahre 1818 und 1819 mit Pestalozzi zusammen und hatte Gelegenheit, die nach dessen System geleitete Anstalt in Hofwyl bei Bern zu studieren. Ihre Einrichtungen entzückten ihn dermaßen, dass er schrieb: „Ich kann nur meine Hoffnung aussprechen, dass diese Art der Erziehung, wo landwirtschaftliche und mechanische Fertigkeiten mit literarischem und wissenschaftlichem Unterricht verbunden sind, rasch und in ausgedehntem Maß in den Vereinigten Staaten angenommen werde.“

      Seine Beobachtungen veröffentlichte Griscom später in dem zweibändigen Werk „Two years in Europe“, von welchem der berühmte amerikanische Pädagoge Barnard sagt, dass kein Buch einen so mächtigen Einfluss auf das amerikanische Erziehungswesen ausgeübt habe, als dieses. Thomas Jefferson benutzte die darin gegebenen Winke beim Einrichten der Universität von Virginien.

      Alexander Bache, erster Präsident des von Stephen Girard in Philadelphia gestifteten „Girard College“ verwertete seine während der Jahre 1837 und 1838 in Preußen gemachten Erfahrungen beim Entwurf der Regeln der von ihm geleiteten hochberühmten Anstalt.

      Calwin Stowe besuchte Deutschland während des Jahres 1836, und zwar im Auftrag der Regierung des Staates Ohio. In dem Bericht, welchen er nach seiner Rückkehr erstattete, sagt er über das preußische Schulsystem: „In der Tat, ich halte dieses System in seinen großen Zügen für nahezu so vollkommen, als menschlicher Scharfsinn und menschliche Geschicklichkeit es zu machen imstande sind. Manche Einrichtungen und Einzelheiten mögen noch verbessert werden. Natürlich sind auch Änderungen nötig, um es den Verhältnissen anderer Länder anzupassen.“

      Seinem, die kleinsten Details berücksichtigenden Bericht fügte Stowe eine Übersetzung der preußischen Schulverordnungen bei, welche bei der Neugestaltung der Schulgesetze Ohios als Grundlage dienten.

      Es geschah dies zur selben Zeit, wo auch in anderen Staaten aus Deutschland eingewanderte Schulmänner, wie Franz Lieber, Karl Follen, Karl Beck, Franz Joseph Grund und andere deutsche Lehrmethoden an amerikanischen Hochschulen praktisch anwendeten. Sie wurden darin später durch zahlreiche in Amerika geborene Gelehrte unterstützt, die in Deutschland studierten und nach ihrer Heimkehr als Lehrer in amerikanische Schulen und Universitäten eintraten, um die gesammelten Erfahrungen den amerikanischen Studenten zu übermitteln.

      Professor Ira Remsen, Präsident der berühmten, ganz nach deutschem Muster eingerichteten John Hopkins-Universität zu Baltimore, schildert diesen Vorgang in folgenden Worten:

       „Seit einem Jahrhundert besuchen Amerikaner deutsche Universitäten, von wo sie jenen Geist mitbrachten, der für diese Hauptsitze der Gelehrsamkeit so bezeichnend ist. Viele der bedeutendsten Professoren an amerikanischen Universitäten und Hochschulen erhielten ihre Schulung in Deutschland und die Hörer solcher Männer nehmen viel von dem Geist, den sie dort empfingen, auf, um ihn weiter über alle Welt zu verbreiten. Gerade hier wünschte ich statistische Angaben einschalten zu können. Es würde nicht nur interessant, sondern auch nützlich sein, festzustellen, wie viele Professoren an etwa einem Dutzend der leitenden Universitäten Amerikas in Deutschland studierten. Und ferner zu wissen, wie viele jener, die nicht dort studierten, unter solchen Personen arbeiten, die dieses Vorzugs teilhaftig wurden. Soweit ich die Lehrkörper mehrerer der wichtigsten Universitäten persönlich kenne, weiß ich, dass die meisten ihrer Mitglieder entweder in die eine oder die andere Kategorie gehören. Dabei brauchen wir uns nicht auf die größeren Hochschulen zu beschränken. Die gleichen Zustände bestehen auch an vielen kleineren und wenig bekannten. Sie beziehen ihre Professoren größtenteils von Universitäten der ersten Klasse, und auf diese Weise wird deutsche Gelehrsamkeit über das ganze Land verbreitet.

      Aber es genügt nicht, den Einfluss Deutschlands auf unser akademisches Leben nur auf diese Weise festzustellen, da der Prozess zu unbestimmt wäre. Wir kommen weiter, wenn wir zeigen, wie der Einfluss Deutschlands sich in bezug auf die Organisierung unsrer Universitäten kundgibt. – Bis zum Jahr 1876 bildete das „College“ (Gymnasium) die höchste Stufe der Erziehungsanstalten unsres Landes. In manchen dieser Colleges befanden sich einige vorgeschrittene Studenten, sogenannte „post graduates“, für welche keine besonderen Vorkehrungen getroffen waren. Sie standen außerhalb des Systems und ihre Anwesenheit hatte auf das Lehrpensum der Anstalten geringe Wirkung. Falls ein solcher Student höhere als die vom Lehrplan vorgesehenen Arbeiten zu verrichten wünschte, so riet man ihm stets, nach Deutschland zu gehen. Und viele wandten sich dorthin.

       Der erste ernstliche Versuch, der in Amerika angestellt wurde, um solche vorgeschrittene Studenten zu fördern, geschah seitens der „John Hopkins-Universität“ zu Baltimore im Jahre 1876. Präsident Gilman, welcher diese Universität organisierte, erklärte aufs bestimmteste, dass es der Wille ihrer Behörden sei, eine wirkliche Universität zu besitzen, die zur Weiterbildung vorgeschrittener Studenten geeignet wäre. Die Tatsache, dass so viele derselben nach Deutschland zogen, hatte gezeigt, dass ein Verlangen nach höherem Studium bestand, als wie es bisher auf den Colleges geboten wurde. Diese Tatsache bestimmte Präsident Gilman, seinen Plan zu fassen. Die Einzelheiten wurden nicht von Anfang an genau ausgearbeitet. Man wählte einen Lehrkörper, mit dem der Präsident gemeinschaftlich das gesteckte Problem lösen könne. Drei Mitglieder dieser Fakultät waren Engländer, die anderen Amerikaner, welche in Deutschland studiert hatten. Auch von jenen Lehrkräften, die späterhin der Fakultät zugefügt wurden, hatten die meisten in Deutschland studiert. In unseren Bemühungen, den zu uns kommenden vorgeschrittenen Studenten weiter zu helfen, fanden wir, dass wir manche der an deutschen Universitäten bestehenden Einrichtungen annahmen. Das kann nicht überraschen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Universitäten Englands damals so wenig wie heute für die Bedürfnisse vorgeschrittener Studenten besonders eingerichtet waren, und dass die deutschen Universitäten die einzigen in der Welt vorhandenen Vorbilder sind. Wir kamen bald dahin, auf dem Unterricht in methodischen Untersuchungen als einem der wichtigsten Teile der Arbeiten jedes vorgeschrittenen Studenten zu bestehen. Und obwohl wir unsere eigenen Regeln für die Anleitung der Kandidaten für Doktoren der Philosophie aufstellten, ähnelten dieselben doch


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