Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutschen Lebens in Amerika Teil 4. Rudolf Cronau
Amerikanertum an solchen, leider nur zu häufig wiederkehrenden Versuchen keinen Anteil hat, beweisen – Professor Will H. Carpenter von der Columbia Universität zu New York äußerte sich über die kommerzielle Wichtigkeit der Kenntnis der deutschen Sprache folgendermaßen: „There are almost innumerable instances in America when the value of the possession of the German language may be expressed in the most material way, in terms of actual dollars and cents. In all our larger cities there are opportunities in plenty in the legal and medical profession that are not readily accorded a lawyer or physician who speaks English only.
In teaching, since German has and is to have an important place in the school curriculum, there are opportunities that can only be grasped by one who knows well both German and English. In many branches of trade, a knowledge of the two languages is necessary to a conduct of the business. This is not alone true of the great importing houses which in special cases deal only with Germany, but it is true, also, along vastly extended lines of export and import, in all parts of the country where the industrial and commercial importance of modern Germany inevitably creates German connections and German correspondence which, again, can only be properly attended to by one who knows both the English and German languages. This is true, furthermore, of insurance companies, of banks, and of many other branches of business in which bi-lingual correspondence-clerks and stenographers are needed as a necessary part of equipment. These conditions, too, are increasing, rather than diminishing in numbers and in value, and will continue to increase with the dominance of the English and German speaking nations.“
Und Präsident Gilman von der John Hopkins-Universität zu Baltimore sagte: „Wie im Mittelalter das Lateinische, so ist heute das Deutsche die Sprache der Gelehrsamkeit und Bildung, und kein Student kann auf letztere Bezeichnung Anspruch machen, wenn er das Deutsche nicht vollkommen beherrscht.“ – nicht bloß zahlreiche Äußerungen hervorragender amerikanischer Professoren, die sich für den Unterricht in deutscher Sprache erklärten, sondern auch die Tatsache, dass der deutsche Sprachunterricht trotz solcher Anfeindungen sich von Jahr zu Jahr mehr auf den höheren amerikanischen Lehranstalten einbürgert. Um die Jahrhundertwende wurde festgestellt, dass an den Universitäten 30.000, an den Hochschulen und Colleges 100.000, an den öffentlichen Volksschulen 300.000, an den katholischen Pfarrschulen 125.000 und an Privatschulen 30.000 Zöglinge am deutschen Unterricht teilnahmen. Da von vielen Schulen keine Angaben eingelaufen waren, so lässt sich annehmen, dass im Jahre 1900 von etwa 15 Millionen Schülern mindestens eine Million Deutsch erlernte.
Fast jede auf Bedeutung Anspruch erhebende Universität und Hochschule besitzt jetzt eine besondere Abteilung, wo deutsche Sprache gelehrt und germanistische Studien betrieben werden. An der Harvard-Universität, deren deutsche Abteilung heute bereits zwölf Professoren benötigt und etwa 1.500 Teilnehmer an vierzig germanischen Studien gewidmeten Kursen zählt, kam es sogar dank der Anregung des Professors Kuno Francke zur Gründung eines „Germanischen Museums“, welches die Kulturentwicklung der germanischen Rasse in Deutschland, Skandinavien, Dänemark, den Niederlanden, Deutsch-Österreich, den deutschen Kantonen der Schweiz und dem angelsächsischen England an charakteristischen Denkmälern der Kunst und des Gewerbes veranschaulichen soll. Das Ziel, welches Francke sich dabei steckte, ist, dieses Museum zu einem Hochstift deutscher Kultur zu gestalten, wo berufene Gelehrte Vorträge über deutsche Geschichte, Literatur und Kunst halten und die studierende Jugend Amerikas mit den Schätzen der deutschen Kultur bekannt machen sollen. Dieses mit dem Anbruch unseres Jahrhunderts eröffnete Museum hat sich in hohem Grade der Förderung seitens Seiner Majestät des deutschen Kaisers und mancher deutschen Städte zu erfreuen gehabt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es im Lauf der Zeit zu einem mächtigen Denkmal deutschen Geistes auf amerikanischem Boden anwachsen wird.
Zu Ende des Jahres 1904 entstand auch in New York eine „Germanistische Gesellschaft von Amerika“. Sie stellt sich die Aufgabe, das Studium und die Kenntnis deutscher Bildung in Amerika und amerikanischer Bildung in Deutschland zu fördern, und zwar durch Unterstützung des Universitätsunterrichts auf diesem Gebiete, durch Veranstaltung öffentlicher Vorträge, durch Herausgabe und Verbreitung geeigneter Schriften sowie durch andere Mittel, die dem Gründungszweck entsprechen. Ein Zyklus von Vorträgen über deutsche Kulturgeschichte an der Columbia-Universität während des Jahres 1905/06, sowie die Einladung des Dichters Ludwig Fulda und des Assyriologen Professor Friedrich Delitzsch zu einer Reihe von Vorträgen in verschiedenen amerikanischen Städten bildeten die ersten Taten dieser Gesellschaft. Im Jahre 1907 folgten Vorträge der Professoren Heinrich Krämer von der Kunstakademie zu Düsseldorf, des Professors Otto Hötzsch von der Akademie in Posen und von Professor W. Sombart aus Berlin. Diesem schlossen sich in der Folge andere namhafte Gelehrte an.
Ähnliche Ziele verfolgt das in Verbindung mit der „Northwestern Universität“ zu Chicago gegründete „Germanische Institut“. Es will gleichfalls in Amerika ein weiteres und tieferes Interesse für die Ergebnisse deutscher Gelehrsamkeit und Kultur schaffen und die zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland bestehenden Bande enger knüpfen. Es will ferner zeigen, inwiefern das deutsche Element das Leben und Streben des amerikanischen Volkes beeinflusste und eine wie große Rolle Deutschland und die Deutschen in der Geschichte der Entwicklung Amerikas spielten. Ähnliche Ziele erstrebt die im Oktober 1906 in Boston gegründete „Deutsche Gesellschaft“.
Alle diese Gründungen sind nicht bloß bedeutsame Symptome für das mächtig wachsende Interesse an deutscher Kultur, Kunst, Literatur und Wissenschaft, sondern auch Betätigungen des immer weitere Kreise erfassenden Glaubens, dass zwischen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und derjenigen Deutschlands nicht bloß eine Stammesverwandtschaft, sondern auch eine Wahlverwandtschaft besteht und dass die Zukunft der Weltkultur vorwiegend von der geistigen Bundesgenossenschaft beider Völker abhängig sei.
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Dass die Deutschamerikaner in vielen Städten eigne, ganz nach deutschem Muster eingerichtete Schulen gründeten, wurde bereits erwähnt. Viele standen und stehen noch unter der Leitung tüchtiger, meist in Deutschland ausgebildeter Pädagogen, wie Rudolf Dulon, Adolf Douai, Hermann Dorner, Emil Dapprich, Otto Schönrich, Hermann Schuricht, Heinrich Scheib, Georg Adler, Julius Sachs, Maximilian Großmann, G. A. Zimmermann, Rudolf Solger, H. H. Fick und andere.
Eine dieser Erziehungsanstalten, die von Peter Engelmann gegründete „Deutsch-Englische Akademie“ zu Milwaukee, erhielt eine höhere Mission durch ihre Verbindung mit dem „Deutsch-Amerikanischen Lehrerseminar“, dessen Stiftung von dem im Jahre 1870 entstandenen „Deutsch-Amerikanischen Lehrerbund“ beschlossen wurde. Und zwar aus folgenden Gründen:
1 Die deutschamerikanische Jugend braucht deutschamerikanische Erzieher.
2 Die zweisprachige Schule, die Schule der Zukunft, fordert für die Vereinigten Staaten Lehrer, die im Deutschen und Englischen gleich vollkommen ausgebildet sind.
3 Die deutsche Pädagogik, die Pädagogik der Humanität, bedarf solcher Vertreter, denen diese Wissenschaft, diese Kunst zu Fleisch und Blut geworden ist. Solche Lehrer und Erzieher muss das Seminar des Lehrerbundes bilden, wenn es seine Aufgabe richtig erfasst hat.
Bei der Gründung des Seminars traf man folgende Bestimmungen: „Dass der deutschamerikanische Lehrerbund den Lehrplan für das Seminar und die Seminarschule festsetzen, und dass nur mit seiner Einwilligung derselbe abgeändert werden darf, sowie dass im Seminar nur Wissenschaft von ihrem jeweiligen Standpunkte aus zu lehren ist, nicht aber Glaubenssätze, und dass Geistliche darin nie Lehrer sein können.“
Die Eröffnung dieses durch freiwillige Beiträge des Deutschamerikanertums unterhaltenen Seminars erfolgte im Jahre 1878. Der Unterricht ist kostenfrei. Der Lehrplan sichert den Seminaristen eine gründliche Ausbildung auf allen Gebieten. In politischen und religiösen Fragen herrscht die weitestgehende Toleranz. Ein einziger Gedanke leitet die Anstalt: aus ihren Zöglingen echte Schulmänner zu machen.
In der mit dem Seminar verbundenen „Deutsch-englischen Akademie“ bietet sich den vorgeschrittenen Seminaristen Gelegenheit, sich für ihren Beruf praktisch auszubilden. Außerdem besteht ein Abkommen mit den Schulbehörden der Stadt Milwaukee, demzufolge die Seminaristen auch in den öffentlichen Schulen, wo deutscher Unterricht erteilt wird, sich täglich eine Stunde lang im Ausüben ihres künftigen Berufs betätigen können.
So ist