Blaue Diamanten. Irene Dorfner
können Sie das Frühstück und das Abendessen in unserem Restaurant im Erdgeschoss einnehmen.“ Dem Manager Karl Liebermann war das Arrangement sichtlich unangenehm. Er hatte sich zwar an die Vorgaben von Herrn Totzauer gehalten, befürchtete aber trotzdem auch bei diesem Zimmer Ärger. Er selbst wäre über diese Notlösung auch nicht erfreut gewesen.
„Das muss ein Irrtum sein,“ mischte sich Tatjana ein, die echt sauer war. Sie sollte mit ihren drei Kollegen ein Zimmer teilen?
„Da wir komplett ausgebucht sind, hat Herr Totzauer auf dieses Arrangement bestanden. Ich versichere Ihnen, dass wir uns die größte Mühe gegeben haben, um die Zimmer so ansprechend wie möglich auszustatten. Ich kann verstehen, dass Ihnen das nicht gefällt. Wie wir Herrn Totzauer sagten, haben wir kein reguläres Zimmer frei. Die ganze Stadt ist ausgebucht. Neben der Konferenz der EU-Energieminister haben wir auch noch Messe. Herr Totzauer hat die Zimmer abgesegnet. Das zweite Zimmer dort rechts ist für die weiblichen Polizisten, alle anderen sind für die Männer angedacht.“ Karl Liebermann verschwand. Bereits mehrfach musste er sich mit dem Unmut der Polizisten auseinandersetzen, die die benachbarten Zimmer bezogen. Sie waren komplett ausgebucht und mussten die Polizisten irgendwie unterbringen. Eine andere Lösung war einfach nicht möglich.
„Chef? Wir sind im Hotel König Maximilian in einem Kellerloch untergebracht,“ sagte Tatjana aufgebracht, als sie umgehend Krohmer anrief.
„Bitte übertreiben Sie nicht Frau Struck, so schlimm wird es schon nicht sein.“ Krohmer wusste zwar von einer Notlösung, aber man würde es nicht wagen, seine Leute im Keller unterzubringen.
„Es ist so, wie ich es sage. Ich schicke Ihnen Fotos zu.“
Es dauerte zwanzig Minuten, bis sich Krohmer zurückmeldete. Hans und Tatjana weigerten sich, ihre Sachen auszupacken. Leo und Werner war es gleichgültig, wo sie schlafen mussten. Das Zimmer war zwar eng, aber die Betten schienen bequem zu sein. Außerdem war es sauber. Auch das Badezimmer am Ende des Ganges war akzeptabel.
„Es tut mir sehr leid für Sie, aber an der Zimmersituation ist nichts zu ändern. Ich habe mit Totzauer gesprochen, der keine andere Lösung sieht. Es ist wichtig, dass Sie im selben Hotel wohnen wie die Minister. Das ist nicht nur praktisch, sondern dient auch der Sicherheit“
„Keine anderen Zimmer? Egal zu welchem Preis?“
„Der Preis spielt keine Rolle. Zu dem Ministertreffen ist auch noch Messe, ganz München ist ausgebucht. Es ist nicht ein Zimmer mehr zu haben. Sie müssen die vier Nächte irgendwie überstehen.“
Krohmer war sauer. Wenn er gewusst hätte, wie seine Leute untergebracht wurden, hätte er niemals sein Einverständnis gegeben. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück. Seine Leute waren eingeteilt und er hatte Totzauer sein Wort gegeben. Außerdem stand die Sicherheit der Minister im Vordergrund, nur die zählte.
Tatjana und Hans waren stinksauer.
„Jetzt reißt euch doch zusammen!“ sagte Leo, dem das Getue auf die Nerven ging. „Ich gebe zu, dass das nicht gerade die Präsidentensuite ist. Aber wir haben alle ein sauberes Bett und wenige Meter entfernt ein Badezimmer.“
„Das wir ja offensichtlich mit anderen teilen müssen,“ maulte Tatjana, die sich einen Überblick über die nächsten Zimmer verschafft hatte. Insgesamt wurden fünf weitere Abstellkammern für Polizeibeamte hergerichtet und zur Verfügung gestellt. Das Zimmer für die weiblichen Polizisten sagte ihr überhaupt nicht zu. Darin standen drei Betten, eins davon war für sie gedacht. Eine Kollegin packte gerade aus und grüßte knapp. Sie soll hier mit zwei fremden Frauen nächtigen? Das kam überhaupt nicht in Frage. Dann wollte sie sich lieber mit ihren Kollegen das Zimmer teilen, die kannte sie wenigstens.
„Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich gerne hier schlafen,“ sagte Tatjana und warf ihre Reisetasche auf eines der freien Betten.
„Das ist mir völlig gleichgültig,“ sagte Hans immer noch sauer. Auch für Leo und Werner war das in Ordnung.
„Kopf hoch Leute. Es sind nur vier Nächte, dann können wir alle wieder in unseren Betten schlafen.“ Für Leo war der Punkt erledigt. Er machte sich viel mehr Sorgen um die Bewachung und die Sicherheit der Minister, als um seinen Schlafplatz. Noch nie zuvor war er für den Personenschutz wichtiger Politiker eingeteilt worden und hatte daher großen Respekt vor der Aufgabe. Er war gespannt darauf, wie Totzauer die Polizeikräfte einteilen würde, denn laut Krohmer waren sie nur für die Minister zuständig.
Unter Protest, für den sich Leo und Werner nicht interessierten, packten Hans und Tatjana ihre Habseligkeiten aus. Dann fuhren sie in die Bayrische Staatskanzlei zur Lagebesprechung. Wilfried Totzauer wartete geduldig und trank einen Kaffee nach dem anderen. Als endlich alle eingetroffen waren, musste erst das leidige Problem mit der Unterbringung geklärt werden. Alle hatten es schlecht getroffen und Totzauer konnte den Unmut nachvollziehen.
„Ich kann nichts daran ändern, die Unterbringungspläne stehen. Wie Sie wissen, ist München komplett ausgebucht. Ich entschuldige mich nochmals in aller Form. Wenn Sie erlauben, möchte ich mich jetzt auf die Arbeit konzentrieren.“ Totzauer stellte den Plan vor, an dem er in den letzten Wochen ausschließlich gearbeitet hatte und der ihm unter den Umständen perfekt gelungen war. Jegliche Hilfe hatte er abgelehnt, diese Aufgabe wollte er selbst übernehmen. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es Probleme gab, je mehr Personen daran beteiligt waren. Diesen Ärger wollte er sich ersparen. Totzauer war immer noch sauer auf den Bayrischen Ministerpräsidenten, dass er ohne den Termin mit ihm abzusprechen, einfach eingeladen hatte. Der Termin hätte nicht unglücklicher gewählt sein können, denn zeitgleich fand in der Neuen Messe München die Diamantenmesse statt, wofür er unter den gegebenen Umständen keine weiteren Polizisten abstellen konnte. Lediglich drei Polizisten waren dort vor Ort, mehr konnte er nicht entbehren. Die Diamantenmesse bereitete ihm Bauchschmerzen. Gerade dieses Jahr haben mehrere Aussteller besonders wertvolle Stücke dabei und hatten bei der Polizei um Hilfe angefragt. Wo sollte er die zusätzlichen Kräfte hernehmen? Das Personal gab leider nur so viel her, wie ursprünglich vorgesehen war, mehr konnte er für die Aussteller nicht tun. Er gab vor zwei Tagen ein Infoblatt an die Messebetreiber und Aussteller aus, selbst für zusätzlichen privaten Schutz zu sorgen. Verständlicherweise gab das riesigen Ärger und die Telefone standen seitdem nicht mehr still. Aber was hätte er tun sollen? Er konnte sich sein Personal schließlich nicht backen.
Totzauer wies die Einsatzleiter der entsprechenden Gruppen für den Münchner Flughafen und die Fahrstrecke in die Staatskanzlei ein. Danach ging es um die Unterbringung der Gäste, die allesamt im Hotel König Maximilian einquartiert wurden. Glücklicherweise war die Geschäftsführung des Hotels so kooperativ, Räumlichkeiten für die Polizisten zur Verfügung zu stellen, obwohl das Hotel komplett ausgebucht war. Totzauer hielt es für sehr wichtig, die Polizisten, die für den Personenschutz der Minister und deren Begleiter zuständig waren, ebenfalls im Hotel König Maximilian unterzubringen – egal wie. Der Plan des Hotels wurde auf dem Beamer gezeigt, die Positionierungen der Polizisten darin markiert. Eine detaillierte Schichteinteilung wurde besprochen, die unter Murren aufgenommen wurde. Auch die Wege vom Hotel zur Staatskanzlei und zurück wurden nun besprochen. Leo war beeindruckt von Totzauers Leistung. Er wäre mit der Planung einer solchen Veranstaltung völlig überfordert gewesen. Als endlich der Theaterbesuch am Donnerstag durch war, wandte sich Totzauer an die Personenschützer, zu denen auch die Mühldorfer Kriminalbeamten gehörten. Sie wurden von fünf Kollegen aus Starnberg und Traunstein unterstützt. Selbstverständlich hatte jeder Politiker seinen eigenen Personenschutz dabei; die zusätzlichen neun Polizisten wurden zur Sicherheit gestellt. Nachdem sich alle Totzauers Plan angehört hatte, meldete sich der Starnberger Kollege Bruno Kleinert.
„Ich würde vorschlagen, dass jedem von uns eine einzelne Person zugeteilt wird. Ich halte Ihren Vorschlag, alle gemeinsam im Auge zu behalten, für falsch. Wenn jeder von uns nur eine Person im Auge hat, ist die Sache sehr viel sicherer.“
„Ich habe Sie nicht nach Ihrer Meinung gefragt,“ sagte Totzauer ruhig. „Ich informiere Sie über den Plan und über Ihre Aufgabe, die Sie unkommentiert hinnehmen. Sollten Sie damit nicht einverstanden sein, können Sie gerne gehen.“ Die Ansage war deutlich und Kleinert sank in seinem Stuhl zusammen. Er war