ShadowPlay - Entblößt. Victoria vanZant
verschwendete sie an die Gefahr, in die sie David, die 200.000 Pfund teure Edelkarosse und auch sich selbst mit der hektischen Aktion brachte: Ein Verreißen des Lenkrads der 500-PS-Schleuder hätte maximal ein paar Gramm Gummiabrieb gekostet – dafür sorgte die rote Ampel.
David kommentierte den Vorfall mit keiner Silbe und befriedigte exakt Elenas Wunschdenken: Beim Anfahren wanderte seine rechte Hand in aller Seelenruhe mittig nach oben auf das Lenkrad, während die linke den Spiegel richtete.
Mit einem zufriedenen Lächeln sank die Hobbydetektivin in ihren Sitz zurück. Gutes Timing war alles und eine Recherche über die Tragegewohnheiten von Eheringen im Nahen Osten nicht mehr nötig: Das Täubchen war gänzlich unberingt.
Plötzlich durchdrang die Stimme des Fahrers ihre Selbstzufriedenheit. »Wenn du den Kaugummi suchst, der ist zwischen meinen Beinen gelandet!« Zusätzlich zu seinem Kommentar öffnete er auch gleich bereitwillig die Schenkel ein Stück weit.
Erwartete er jetzt etwa, dass sie zulangen würde? Obwohl sie zugeben musste, dass es ihr höllisch in den Fingern juckte, entschied Elena sich für damenhafte Zurückhaltung und antwortete cool: »Deinem Maßanzug und den Ledersitzen wird es nicht schaden, zum Glück ist der Kaugummi dragiert und wir sind ja auch sofort da.«
Im Aufzug fand sich endlich die Gelegenheit, den Israeli bei guter Beleuchtung einer gleichsam eingehenden wie diskreten Inspektion zu unterziehen. Da Elena es offensichtlich mit einem harten Brocken zu tun hatte, wollte sie lieber jetzt abschließend klären, ob sich ein weiterer Aufwand überhaupt lohnte. In der verspiegelten Wand musterte sie ihr dunkelrotes Minikleid und strich demonstrativ die kleinen Sitzfalten glatt, während ihr Blick bereits verstohlen weiter von den handgenähten Lederschuhen, die Hose hinauf über die dunkelgrüne Krawatte bis zum Hemdkragen wanderte. Der Mann hatte nicht nur einen ausgezeichneten und ebenso exklusiven Geschmack, was seine Kleidung betraf. Er verstand sich auch auf die Betonung seiner körperlichen Vorzüge: Der Henriquatre war korrekt ausrasiert und auf eine Länge getrimmt, die seinem Gesicht einen sexy verwegenen Touch verlieh, ohne übermäßig aggressiv zu wirken. Wenn Elena auch nicht den Eindruck hatte, dass David die kleinen Lachfältchen in den Augenwinkeln übermäßig häufig beanspruchte, ließen sie aber zumindest eine Einschätzung seines Alters zu: um die Mitte dreißig so wie Ryan. Aber der war im Gegensatz zu dieser wortkarg verschlossenen Auster eloquent und sehr weltmännisch. Doch sie war sicher, dass sich hinter der rauen Schale dieser Spaßbremse eine edle Perle verbarg – sie musste halt nur mit den Waffen einer Frau geknackt werden.
Als die Tür zu Ryans Penthouse geöffnet wurde, trat Elenas Absicht augenblicklich in den Hintergrund: Was hatte dieser Menschenauflauf zu bedeuten? Fionas Eltern waren da, Ryans Schwester und deren Ehemann, ein anderes Paar, das sie nicht kannte und dazu noch ein Partyservice. Das sah irgendwie so offiziell aus … Fiona und Ryan strahlten um die Wette … Sollte das etwa heißen?
Bevor sie die Gelegenheit hatte, mit ihrer Freundin zu sprechen, richtete der Hausherr bereits das Wort an alle.
»Elena, David, willkommen! Und jetzt wo wir vollzählig sind: Liebe Familie, liebe Freunde, ihr habt schon mitbekommen, ich bin wieder da. Und ich habe Fi versprochen, nie wieder zu gehen. Kurz und gut, ich habe Fiona gebeten, meine Frau zu werden und sie hat Ja gesagt!« Feist grinsend stand er da und streichelte über die Wölbung des Bauches seiner Zukünftigen. »Und in drei Monaten sind wir dann eine richtige Familie!«
Da standen sie nun: Der einen Meter neunzig große durchtrainierte Mann und die fünfundzwanzig Zentimeter kleinere, zierliche Fiona, die an der Seite ihres Zukünftigen vor Rührung zerfloss.
Elena schossen Tränen in die Augen und dann gab es kein Halten mehr. Etikette hin oder her, ihr war egal, wer jetzt in welcher Reihenfolge mit dem Gratulieren dran war: Sie flog ihrer Freundin um den Hals.
»Was für großartige Neuigkeiten. Das ist so unglaublich! Als du angerufen hast, dass Ryan zurück ist, nach all den ...«
Liebevoll drücke Fiona der plappernden Blondine die Hand auf den Mund. »Und es wird noch viel Unglaublicher! Wir fliegen morgen nach Venedig und in drei Tagen ist die Hochzeit!«
»Wer wir?«
»Na, wir alle!«
»Ich fasse es nicht …«
»Ja, ist das nicht alles wie ein Wunder? Ryan lebt, er ist gesund, wir heiraten … aber darüber reden wir morgen auf dem Flug ganz in Ruhe. Doch vorher muss ich dich natürlich noch etwas fragen! Bitte, Elena, bist du dabei und wirst du meine Trauzeugin?«
»Aber ja! Aber gerne, natürlich! So und jetzt werden wir diese ganzen Neuigkeiten begießen. Oder ich jedenfalls, du natürlich nicht!« Lachend nahm sie dem Mann vom Partyservice zwei Gläser vom Tablett. Den Orangensaft reichte sie gleich an die Schwangere weiter, prostete ihr zu und genoss den Champagner.
Ein Kennerblick von Ryan hatte genügt, als das ungleiche Pärchen durch die Tür gekommen war. Er verzog seine Mundwinkel kaum sichtbar zu einem Grinsen, als er an David vorbei in Richtung Küche schlenderte. Doch dem Israeli genügte der Ausdruck im Gesicht seines Freundes, der inzwischen lässig am Tresen gelehnt stand und seinen süffisanten Blick in die Tiefen eines Whiskyglases versenkte. Nach den vielen Einsätzen, die sie zusammen absolviert hatten, reichte zur Verständigung ein einziger Augenkontakt zwischen ihnen.
»Wie ich sehe, hast du eine Eroberung gemacht«, flüsterte Ryan seinem Kumpel zwischen zwei Schlucken zu und schenkte ein weiteres Glas ein, das er weiterreichte.
Dankend nahm David seinen Drink entgegen und gab ein knapp zustimmendes »Hm« von sich. »Ist sie Single?«
»Soweit ich informiert bin, ja. Aber wie du weißt, war ich ein paar Wochen nicht in London.« Ryan schwante etwas. »Und was hast du Schönes mit ihr vor?«
»Mal sehen.«
»Du denkst daran, dass sie die Busenfreundin von Fiona ist?«
»Was für treffende Begriffe ihr in eurer Sprache habt, finde ich immer wieder beeindruckend.« David prostete Ryan zu und warf einen bewundernden Blick auf den Busen der kleinen quirligen Blondine, die gerade ihre Lockenpracht schüttelte und laut lachte. »Ein bisschen Erziehung würde ihr bestimmt guttun.«
»Ja, das wäre wohl eine nette Idee, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie sich so einfach überzeugen lässt.«
»Ach, du hast sie schon angetestet?«
Ryans Blick genügte, um David davon zu überzeugen, dass er mit seiner Annahme völlig auf dem Holzweg war. »Ich will mal so sagen: El gehört zu den Frauen, die es hassen, an die Kette gelegt zu werden. Druck hat sie gar nicht gern …«
»Wie interessant, eine echte Herausforderung!«
»Sieht aus, als gebe es hier die richtig guten Sachen«, trompetete Elena fröhlich doppeldeutig durch die Gegend und gesellte sich mit Fiona im Schlepptau zu den Männern an den Küchentresen. »Und auch dir meinen herzlichen Glückwunsch, aber ich muss dir ja nicht sagen, dass du die beste aller Frauen bekommst.«
Ryan nahm Elena in den Arm und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Ich danke dir und ja, ich bekomme die wunderbarsten Frauen, die ich mir wünschen kann.« Zärtlich streichelte er über die kleine Kugel. »Wie geht es Hope?«, fragte er seine Zukünftige.
Fiona steckte sich eine ihrer widerspenstigen mahagonifarbenen Locken hinters Ohr zurück, bevor sie antwortete. »Sie schläft, es war ja auch ein aufregender Tag!« Schnell nahm sie selbst die Hand vor den Mund, um ihr herzhaftes Gähnen zu verstecken.
»Und was ist mit dir, Prinzessin?«, fragte Ryan besorgt. Ohne ihre Antwort abzuwarten, hob er sie auf den Arm und verfrachtete das protestierende Bündel auf das Sofa. »Genau hier bleibst du sitzen und ruhst dich aus. Und ich hole dir etwas Schönes vom Buffet.« Da sein Tonfall signalisierte, dass Widerstand zwecklos war, ergab Fiona sich ihrem Schicksal und sah ihrem Zukünftigen strahlend hinterher, während sie in den Kissen versank.
Elena beobachtete das Treiben aus sicherer Entfernung. Fiona hatte mit Ryan ihren Seelenpartner gefunden. Es war unvorstellbar, dass