Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

Geliebtes Carapuhr - Billy Remie


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etwas Mitgefühl schlich sich in seine Augen. »Ich bring dich nicht zu Derrick.«

      Verwirrt sah er zu Vynsu auf.

      »Vertrau mir und steh auf. Du siehst aus, als ob du einen großen Becher Met gebrauchen könntest.«

      Kapitel 9

      »Das ist nicht gut«, murmelte Jori dicht neben ihm.

      Melecays persönliche Schar hatte sich das Hauptzelt unter den Nagel gerissen, sodass Gedränge um und an den Tischen entstanden war, wie der Schankraum einer beliebten, überfüllten Wirtschaft an einem heiligen Feiertag.

      Saufen für den Allvater war eine beliebte Beschäftigung, saufen auf den Großkönig natürlich noch mehr, dabei war es völlig gleich, dass Derrick nur als Drache zurückgekehrt war, gefesselt, und wohlbemerkt bei seiner Gefangennahme gleich fünf Krieger verspeist hatte. Doch der Tod wurde in Carapuhr nicht so beklagt wie in anderen Kulturen, sie feierten die Toten, tranken auf sie.

      Vynsu lehnte mit Jori in einer hinteren Ecke an einem Regal voller Metfässer und begutachtete das Treiben stumm. Es wurde gegrölt, gelacht, gefeiert, die Geräuschkulisse glich dem Chaos auf einem Schlachtfeld. Doch das waren sie gewohnt und das hatte Jori auch nicht gemeint.

      »Er hatte recht«, seufzte Vynsu bedauernd und blickte gemeinsam mit Jori durch den Raum zu Desith, der an einem Tisch zwischen den Barbaren saß, klein und verloren wirkte, und brütend in seinen Hornbecher starrte. Er hatte kein einziges Wort gesagt.

      »Desith hatte Recht, Jori. Derrick wird sich nicht für ihn zurückverwandeln.«

      Jori schob sich ein Stück Brot in den Mund sah Vynsu kauend an. »Was sagt unser Großkönig dazu?«

      »Nicht viel«, Vynsu zuckte mit den Schultern, »es hat sich nichts verändert. Er hat meine Mutter eingespannt, herauszufinden, wie sie Derrick gegen seinen Willen zurückverwandeln können. Er will auch Boten an Kaiser Eagle schicken, immerhin ist Elkanasai für seine magischen Lehren bekannt.«

      Jori kaute nachdenklich auf einem weiteren Bissen Brot herum.

      Leise fügte Vynsu hinzu: »Natürlich will er noch immer, dass Derrick sein Erbe wird und er mit Desith vermählt wird, um das Bündnis zwischen Carapuhr und Elkanasai zu stärken.« Sie sahen sich an, dann blickten sie wieder hinüber zu Desith, dessen leerer Blick verloren und verweint wirkte.

      »Sah mir nicht so aus, als ob der Rotschopf dazu Lust hätte«, bemerkte Jori. »Jugendliebe hin oder her, ich habe gesehen, wie er davongelaufen ist. Sah mir mehr nach Angst als Zuneigung aus.«

      Das war Vynsu nicht entgangen, er mahlte mit den Kiefern und starrte auf den zertretenen Boden unter seinen Füßen. Er musste tun, was sein Onkel von ihm verlangte, er musste Desith weiter bewachen und dafür sorgen, dass er ihnen nicht davonlief. Ihn daran erinnern, wem er einen Treueeid geleistet hatte – und an die Konsequenz, sollte er ihn brechen.

      Aber wie sollte er das mit seinem Gewissen vereinbaren, er hatte schon einmal jemanden gegen seinen Willen und ohne Rücksicht auf Gefühle in eine Ehe gezwungen – und was war daraus geworden? Nur Schuld und Trauer und Tod. Und zwei Halbwaisen, die zurückblieben.

      Wie konnte er einfach dabei zusehen, wie Desith das Gleiche angetan wurde wie dessen Schwester. Er hatte angenommen, dass Desith und Derrick noch immer verliebt waren, aber das waren sie nicht. Und wenn doch, war diese Liebe nicht groß genug, um die Furcht vor dem Drachen zu überwinden.

      Vynsu glaubte, dass da noch etwas anderes war, etwas, das Desith nicht nur Angst eingeflößt, sondern auch maßlos enttäuscht hatte. Da war mehr als Furcht in seinem Blick, das spürte Vynsu, er konnte nur nicht benennen, was es war.

      Und Desith redete nicht.

      Jori sah ihn von der Seite an. »Also, was machen wir jetzt? Bist du Großkönigs treuer Köter«, er senkte die Stimme, »oder hältst du dein Versprechen gegenüber Desith?«

      Vynsu verzog genervt die Lippen und sah Jori an. »Ich glaube noch ein weiteres Mal lässt mir Melecay kein Ungehorsam durchgehen.«

      »Er hat dir dein Recht auf die Krone entzogen«, warf Vala ein, die sich von hinten anschlich und sich an Vynsus Seite schmiegte. Sie trug nur ein Leinenhemd und ihre weiche Brust drückte sich an seinen harten Oberarm. »Was kann er dir jetzt noch nehmen?«

      Vynsu sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Mein Leben?«

      »Wie viel ist es denn noch wert?«, konterte sie mokant. »Deine einzigen Freunde sind eine kleine Gruppe Söldner, die dich wie einen ausgesetzten Welpen von der Straße geholt haben, als du das letzte Mal davongelaufen bist.«

      Bragi schlenderte ebenfalls aus dem Gedränge heran und stellte sich dicht neben Jori. »Jemand sollte mit ihm reden«, mischte er sich ein und legte mitleidvoll den Kopf schief, während sein Blick auf Desith ruhte. »Der arme Kleine, ich glaube, ich setze mich mal zu-«

      »Nein!«, bellten Jori und Vynsu wie aus einem Munde. Da Bragi bereits einen Schritt nach vorne gemacht hatte, musste Jori ihn an seinem Umhang wieder zurückzerren.

      »Das fehlt uns gerade noch«, kicherte Vala in ihren Becher, den sie gerade zum Mund führte, »dass du mit Derricks versprochenem Prinzen erwischt wirst.«

      Bragi leckte sich obszön die Lippen. »Ich werde ihn vergessen lassen, dass Derrick überhaupt je existiert hat.« Sein Lachen erstarb, als er Vynsus bösen Blick bemerkte. »Entschuldige, Prinz.«

      Vynsu presste warnend hervor: »Es ist immer noch Derrick, über den wir hier reden.« Und er duldete kein schlechtes Wort über diesen. Derrick war ihm wie ein großer Bruder, Melecay hatte sie immer so behandelt, wie zwei Söhne, die um seine Krone streiten sollten. Aber Derrick war nie daran gelegen, in die Fußstapfen seines Ziehvaters zu treten, er hatte Vynsu schlicht den Vortritt gelassen.

       Lass nicht zu, dass die Krone zwischen uns steht. Brüderlichkeit sollte immer über Macht stehen.

      Zu gerne hätte er gewusst, was Derrick dazu zu sagen hätte, dass er nun doch der Erbe Carapuhrs war. Vermutlich wäre er der einzige Mann, der seinen Ziehvater hätte zur Vernunft bringen können.

      Aber Desith hatte Recht, freiwillig wollte der Drache Derrick nicht freigeben.

      Und obwohl er es nicht zulassen wollte, fühlte Vynsu sich ebenso von Derrick im Stich gelassen wie Desith, der lethargisch in seinen Becher starrte, als wäre er in einem Alptraum gefangen.

      *~*~*

      Unfassbar. Das dachte er, als er sie sah. Nicht auf eine überraschte, freudige Art, wie ein Zirkusbesucher unfassbar gewesen wäre, wenn er ein exotisches Tier vorgeführt bekam. Sondern schlicht maßlos empört.

      Desith kannte ja Vynsus Anziehung auf das weibliche Geschlecht, er wusste auch, dass der Prinz von Carapuhr sich nie zu schade gewesen war, damit zu prahlen und jeder Versuchung zu erliegen.

      Trotzdem war er stinksauer, als der Abend immer später wurde – fließend in eine tiefe Nacht überglitt – und Vynsu immer ausgelassener in seinen Becher blickte, während die große, schlanke Kriegerin mit dem kurzen, blonden Haar von Augenblick zu Augenblick immer näher an ihn heranrückte, bis sie fast auf seinem Schoß saß.

      Vynsu hatte sich zu ihm gesetzt, sich ihm gegenüber auf die Bank niedergelassen, die blonde Frau war ihm gefolgt. Sie feierten, während Desith sich ausgeschwiegen hatte.

      Allmählich konnte er es nicht mehr mitansehen. Auch wenn er wusste, was für ein Bursche Vynsu gewesen war, er hatte gedacht, dass er sich in den letzten Jahren die Hörner abgestoßen und sich verändert hatte. Desith hatte es um seiner Schwester willen so sehr gehofft.

      Er hatte herausgehört, dass die Kriegerin zu Vynsus Männern gehörte. Während der Prinz also auf Reisen ging und mit dieser … dieser Fotze fickte, saß Desiths Schwester unwissend allein in irgendeiner kalten, beschissenen Burg herum.

      Natürlich machte ihn das wütend, zusätzlich zu all der Enttäuschung


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