Geliebtes Carapuhr. Billy Remie

Geliebtes Carapuhr - Billy Remie


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hatte Desith sie noch für freundlich gehalten, hatte ihre schmutzige Art zu Lächeln sogar gemocht, ebenso ihren schwarzen Humor. Aber je intensiver ihre Brust an Vynsus Arm klebte, je weniger war sein Respekt vor ihr geworden.

      Er wollte nicht reden, also waren sie dazu übergegangen, miteinander zu sprechen, zu schäkern, zu trinken. Vynsu lächelte sogar mal, nicht sehr breit, aber er lächelte. Das brachte Desith noch mehr zur Weißglut.

      Irgendwann hielt er es nicht mehr aus, er sprang auf. Vynsu verstummte gerade mitten im Lachen und starrte überrascht zu ihm auf. Desith wollte ihm etwas ins Gesicht schleudern, hielt sich aber zurück. Er sah ihn einfach mit bebenden Nasenflügeln und gebleckten Zähnen an, wollte ihn mit allerlei Schimpfwörtern belegen, brachte vor Wut aber nichts heraus.

      Schließlich schnaubte er nur herablassend, stieg über die Bank und bahnte sich einen Weg durch riesige, halbnackte, halb in Felle gehüllte Barbaren, die nach altem Schweiß und Dung stanken, nach draußen.

      Die Nachtluft war für Elkanasai typisch feucht und heiß, der Regen hatte aufgehört und über dem Lager hing ein klarer und schimmernder Sternenhimmel.

      »Desith!« Vynsu donnerte regelrecht aus dem Zelt.

      Desith ging einfach weiter. Hinter ihm sah Vynsu gehetzt von links nach rechts, das tat er zweimal, bis er Desiths schlanke Gestalt endlich erkannte und ihm nacheilte. Seine Schritte platschten in den tiefen Pfützen, die zwischen den Zeltreihen lagen.

      »Warte, Desith!«, bat er.

      Kopfschüttelnd ging Desith weiter, die Arme vor der Brust verschränkt. Vynsu täte gut daran, ihn allein zu lassen, bis die erste Wut verraucht war. Ansonsten würde er sich gleich umdrehen und ihm ins Gesicht schlagen.

      »Bitte, warte!« Der Barbar packte mit seiner großen Pranke grob Desiths Schulter und wirbelte ihn mit einem Ruck zu sich herum.

      Desith sah sich plötzlich von Angesicht zu Angesicht vor ihm stehen – und wollte ihm noch immer die Nase brechen.

      »Es ist nicht so, wie es aussah…«

      Desith schnaubte. »Halte mich bloß nicht für so dumm! Und geh mir lieber aus den Augen, bevor wir beide etwas tun, was wir bereuen!«

      Vynsu runzelte die Stirn, kam aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn Desith drehte ihm wieder den Rücken zu und wollte gehen.

      Dieses Mal schnappte sich Vynsu Desiths Handgelenk, um ihn erneut zu sich herum zu drehen.

      Desith prallte fast gegen seine breite Brust, er knirschte angestrengt mit den Zähnen.

      »Lass mich los«, warnte er schneidend, »oder du wirst es bereuen.«

      »Vala und ich schäkern ab und zu, aber wir liegen nicht beieinander. Desith, sie ist nicht … sie würde nie … Verdammt, sie liegt nur bei Frauen, in Ordnung? Wir haben nur Spaß, wir sind Freunde«, sagte Vynsu so eindringlich – so scheinheilig – dass Desith aus der Haut fuhr.

      »Wie kannst du es wagen?« Er entzog sich Vynsus sanftem Griff und trat einen großen Schritt vor ihm zurück, seine Augen versprühten frostiges Gift. »Hältst du mich für so einfältig? Und wie kommst du dazu, vor meiner Nase mit einer anderen Frau anzubandeln? Du bist mit meiner Schwester verheiratet! Was fällt dir ein, auch nur eine anderes Weib anzusehen? Und zwar direkt vor meiner Nase, du barbarischer Hornochse!«

      Vynsu zuckte vor der Beleidigung zurück, fing sich jedoch schnell wieder mit einem Blinzeln. »Ich … Desith, ich … ich muss dir…«

      »Nichts musst du«, zischte Desith ihn an und musterte ihn abwertend, »außer Rechenschaft vor dir selbst ablegen. Ich weiß nicht mal so recht, ob ich ihr davon erzählen soll – oder ob ich ihr den Schmerz erspare. Aber glaub ja nicht, ich sehe tatenlos dabei zu, wie du sie hintergehst. Mach heute was du willst, Vyn, aber ich bin Lohnas Bruder, und ich werde dafür Sorge tragen, dass du sie behandelst, wie sie es verdient. Du solltest dich glücklich schätzen, sie ist ein Juwel, du…«

      »Sie ist tot.«

      Desith verstummte. Es dauerte, bis er diese drei winzigen Worte richtig verstanden hatte. Sein Verstand schien noch immer große Probleme damit zu haben, einschlägige Neuigkeiten zu verarbeiten. Er glaubte, sich verhört zu haben, schüttelte verwirrt den Kopf.

      »Sie ist … was?« Er lachte unsicher, aber Vynsu blickte ihn betreten an. »Das kann nicht sein.«

      Statt etwas zu erwidern, starrte Vynsu zu Boden und biss sich auf die Lippe.

      Desiths Herz krampfte sich zusammen, er keuchte auf und rieb sich die Brust. »Was? Wie?«

      Er wollte es nicht wahrhaben, verschloss sich davor. Das war einfach unmöglich.

      »Sie wurde ermordet«, erklärte Vynsu und schluckte vernehmbar. Seine Stimme wurde leiser, als er bat: »Bitte vergib mir, Desith, ich war nicht da, um sie zu schützen.«

      Lohna war … fort? Tot?

      Die Erkenntnis zog ihm den Boden unter den Füßen weg, er krachte einfach auf die Knie, konnte in diesem Moment weder weinen noch brüllen. Er kniete im Dreck und kam sich vor, als wäre er eingeschlafen und in einer völlig fremden, verkehrten Welt aufgewacht.

      »Das kann nicht sein«, flüsterte er benommen, »sie kann nicht einfach tot sein.«

      Vynsu trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Desith wollte wütend auf ihn sein, wollte aufspringen und auf ihn einschlagen. Aber er konnte nicht, saugte die Geste und die Berührung auf wie trockene Erde sanften Regen.

      »Sie kann nicht tot sein, Vyn, sie kann nicht… Ich war nicht da, ich war … ich war nicht … Sie darf nicht tot sein!«

      Vynsu drückte seine Schulter. »Es tut mir so leid, Desith. Das ist das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst.«

      Desith schüttelte den Kopf, seine Sicht verschwamm. Er war gefangen in einem fortwährenden Alptraum.

      »Ich muss nach Hause, Vyn.«

      Er spürte, wie Vynsu hinter ihm nickte. »Ich weiß.«

      Kapitel 10

      »Wie?«

      Sie saßen in Vynsus privatem Zelt, ein Kartentisch stand zwischen ihnen, Vynsu hatte jegliches Pergament mit einem Wisch seines Arms beiseitegeschoben, lautstark zwei Becher auf die Platte gestellt und einen vollen Krug Wein geholt. Er war rot, Desith hatte darum gebeten. Roter, teurerer elkanasaischer Wein aus dem Privatvorrat des Großkönigs.

      Desith saß ihm gegenüber eingesunken auf seinem fellbesetzten Hocker und wirkte noch immer wie benommen, die blauen Augen gerötet und schwimmend, aber er weinte nicht. Der Zelteingang lag in seinem Rücken, leichter Wind bewegte die Plane, Kerzen und Feuerschalen spendeten warmes Licht, fluteten den Raum regelrecht, es war feucht, durch den heißen Regen, der seit wenigen Augenblicken wieder auf das Dach prasselte.

      »Räuber«, erklärte Vynsu und spürte den alten Zorn wieder in sich aufsteigen. Er griff zum Krug und schenkte erst Desith und dann sich ein. »Zumindest haben sie es so aussehen lassen.«

      Desiths Augen rollten langsam in seine Richtung, als fiele es ihm schwer, seinen Worten zu folgen. Als würde er die Welt um sich herum nicht mehr richtig wahrnehmen.

      Vynsu kannte das Gefühl, ihm war es ebenso ergangen, als er von Lohnas Tod erfahren hatte. Das Gefühl, aus dem Leben gerissen worden zu sein und sich selbst von hinten zu sehen, als Unbeteiligter. Diese Leere im Kopf.

      »Sie war auf dem Weg zu einer Freundin«, fuhr er fort und stellte den Krug ab, als er ihnen jeweils einen Becher randvoll gefüllt hatte. »So hat man es mir zumindest erzählt. Sie haben sich auf allerlei Festlichkeiten kennengelernt, eine Fürstentochter oder Fürstenschwester, ich weiß es gar nicht genau. Sie schrieben sich oder so, und sie wurde zu einem offiziellen Empfang eingeladen. Also fuhr sie hin, glücklicherweise ohne die Kinder, weil die Kleine einen Schnupfen hatte und meine Mutter sich um die beiden kümmerte…«


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