Zärtlich ist die Nacht. F. Scott Fitzgerald
ich Ihnen schreibe, und ich werde ihn sofort abschicken, sonst werde ich ihn nie abschicken. Ich habe auch sehr viel über den Mondschein nachgedacht, und ich könnte eine Menge Zeugen beibringen, wenn ich bloß hier heraus könnte.
Es ist mir gesagt worden, Sie seien Arzt, aber solange Sie eine Katze sind, ist es etwas anderes. Mein Kopf tut so weh, darum entschuldigen Sie; dieser Spaziergang einer gewöhnlichen mit einer weißen Katze ist, glaube ich, eine Erklärung dafür. Ich spreche drei Sprachen, mit Englisch vier, und ich glaube bestimmt, ich könnte mich als Dolmetscherin nützlich machen; wenn Sie nur in Frankreich so etwas vermitteln würden, glaube ich bestimmt, ich könnte alles zwingen, wenn jeder mit Riemen gefesselt würde, wie es am Mittwoch geschah. Jetzt ist es Sonnabend, und Sie sind weit weg, vielleicht tot.
Kommen Sie eines Tages zu mir zurück; denn ich werde immer hier sein auf diesem grünen Hügel. Wenn mir nicht erlaubt wird, an meinen Vater zu schreiben, den ich von Herzen geliebt habe.
Entschuldigen Sie dies. Ich bin heute gar nicht ich selbst. Ich werde schreiben, wenn ich mich besser fühle.
Cheerio
Nicole Warren.
Entschuldigen Sie dies alles.
Captain Diver:
Ich weiß, daß Selbstbetrachtung bei einem so hochgradig nervösen Stadium wie dem meinigen nicht gut ist, aber ich möchte, daß Sie wissen, wie es mit mir steht. Voriges Jahr, oder wann das in Chicago war, als ich so wurde, konnte ich nicht mit Dienstboten sprechen oder auf die Straße gehen; ich wartete ständig auf jemand, der mir Auskunft geben sollte. Es war die Pflicht dessen, der Bescheid wußte. Ein Blinder muß geführt werden. Nur wollte mir niemand alles sagen – sie sagten mir nur die Hälfte, und ich war schon zu verwirrt, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Ein Mann war nett – ein französischer Offizier, und er wußte Bescheid. Er gab mir eine Blume und sagte, sie sei »plus petite et moins entendue«. Wir waren Freunde. Dann nahm er sie mir weg. Ich wurde kränker, und niemand war da, der es mir erklären konnte. Sie hatten ein Lied über Jeanne d'Arc, das pflegten sie mir vorzusingen, aber das war pure Niedertracht – es hat mich bloß zum Weinen gebracht, denn damals war mein Kopf noch in Ordnung. Sie machten auch Anspielungen auf Sport, aber damals machte ich mir nichts daraus. Also an dem Tag ging ich zu Fuß den Michigan Boulevard entlang, weiter und weiter, kilometerweit, und schließlich folgten sie mir im Auto, aber ich wollte nicht einsteigen. Schließlich zogen sie mich hinein, und da waren Krankenschwestern. In der Folgezeit wurde mir alles klar, weil ich fühlen konnte, was in anderen vorging. Nun wissen Sie, wie es um mich steht. Und kann es denn gut für mich sein, daß ich hierbleibe, wo die Ärzte beständig Dinge zur Sprache bringen, über die ich doch gerade hier hinwegkommen sollte? Darum habe ich heute meinem Vater geschrieben und ihn gebeten, herzukommen und mich wegzuholen. Es freut mich, daß es Sie interessiert, die Leute zu untersuchen und wegzuschicken. Das muß viel Spaß machen.
Und aus einem anderen Brief:
Sie könnten eigentlich Ihre nächste Untersuchung schwimmen lassen und mir einen Brief schreiben. Man hat mir soeben einige Schallplatten geschickt, damit ich meine Lektionen nicht vergesse; ich habe sie alle zerbrochen, darum will die Schwester nicht mit mir sprechen. Sie waren englisch, so daß die Schwestern sie nicht verstanden hätten. Ein Arzt in Chicago sagte, ich simuliere, aber in Wahrheit meinte er, ich sei eins von Sechslingen, und er hatte noch nie eins gesehen. Aber damals war ich stark damit beschäftigt, verrückt zu sein, darum war es mir gleichgültig, was er sagte; wenn ich stark damit beschäftigt bin, verrückt zu sein, ist es mir gewöhnlich gleichgültig, was man sagt, und wenn ich eine Million Mädchen wäre.
Damals am Abend sagten Sie mir, Sie würden mir beibringen, wie man spielt. Also, ich glaube, Liebe ist das einzige, was von Bedeutung ist oder von Bedeutung sein sollte. Auf alle Fälle freue ich mich, daß Ihr Interesse an den Untersuchungen Sie ausfüllt.
Tout à vous
Nicole Warren.
Andere Briefe waren darunter, deren hilflose Zäsuren dunklere Rhythmen verbargen.
Sehr geehrter Hauptmann Diver:
Ich schreibe Ihnen, weil sonst keiner da ist, an den ich mich wenden kann, und mir scheint, wenn diese absurde Situation jemand einleuchtet, der so krank ist wie ich, so sollte sie erst recht Ihnen einleuchten. Die Geisteskrankheit ist behoben, aber abgesehen davon bin ich völlig niedergebrochen und gedemütigt, und vielleicht wollte man das. Meine Familie hat mich schändlich vernachlässigt, es hat keinen Zweck, sie um Hilfe oder Mitleid zu bitten. Ich habe genug davon, und ich richte nur meine Gesundheit zugrunde und vergeude meine Zeit, wenn ich mir einbilde, daß das, was in meinem Kopf los ist, heilbar ist.
Ich bin hier anscheinend in einer Art Irrenhaus, einfach, weil niemand es für richtig hielt, mir über alles die Wahrheit zu sagen. Wenn ich nur gewußt hätte, was vorging, so wie ich es jetzt weiß, ich glaube, ich hätte es ertragen, denn ich bin ganz hübsch stark; aber die es hätten tun sollen, hielten es nicht für richtig, mich aufzuklären.
Und jetzt, wo ich Bescheid weiß und einen solchen Preis für mein Wissen bezahlt habe, sitzen sie da mit ihren Hundeaugen und sagen, ich solle das glauben, was ich früher geglaubt habe. Besonders einer tut das, aber jetzt weiß ich Bescheid.
Ich bin immerzu einsam, weit weg von Freunden und Verwandten jenseits des Ozeans, und ich wandere halb betäubt durch die Gegend. Wenn Sie mir eine Stellung als Dolmetscherin verschaffen könnten (ich spreche Französisch und Deutsch wie meine Muttersprache, ganz gut Italienisch und etwas Spanisch) oder im Roten-Kreuz-Lazarett oder als Lazarettzug-Schwester, obgleich ich dafür ausgebildet werden müßte, würden Sie mir eine große Wohltat erweisen.
Und dann wieder:
Da Sie meine Erklärung dessen, was los ist, nicht annehmen wollen, könnten Sie mir zum mindesten erklären, was Sie denken; denn Sie haben das gütige Gesicht einer weißen Katze und nicht den komischen Blick, der hier Mode zu sein scheint. Dr. Gregory gab mir ein Photo von Ihnen, nicht so schön, wie Sie in Ihrer Uniform sind, aber Sie sehen jünger darauf aus.
Mon Capitaine:
Es war schön, Ihre Postkarte zu erhalten. Ich freue mich sehr, daß Sie soviel Interesse daran haben, Krankenschwestern zu disqualifizieren – oh, ich habe Ihre Zeilen sehr gut verstanden. Ich dachte nur vom ersten Moment unserer Bekanntschaft an, daß Sie anders wären.
Lieber Capitaine:
Heute denke ich so und morgen so über die Sache. Das ist es, woran ich in Wirklichkeit leide, außer an einem rasenden Trotz und einem Mangel an Gleichmaß. Ich würde jeden Psychiater willkommen heißen, den Sie vorschlagen. Hier liegen sie in ihren Badewannen und singen: »Spiel in deinem eignen Hinterhof«, als ob ich einen Hinterhof zum drin spielen hätte oder als wenn für mich irgendeine Hoffnung darin liegen könnte, rückwärts oder vorwärts zu schauen. Sie haben es wieder in dem Bonbonladen versucht, und ich habe mit dem Gewicht nach dem Mann geworfen und ihn beinahe getroffen, aber sie hielten mich fest.
Ich werde ihnen nicht mehr schreiben. Meine Stimmung ist zu wechselnd.
Dann ein Monat ohne Briefe. Und dann plötzlich die Veränderung.
– Ich komme langsam ins Leben zurück ...
– Heute die Blumen und die Wolken ...
– Der Krieg ist zu Ende, und ich wußte kaum, daß Krieg war ...
– Wie gut Sie gewesen sind! Sie müssen sehr weise sein hinter Ihrem Gesicht einer weißen Katze; allerdings sehen Sie auf dem Bild, das mir Doktor Gregory gab, nicht so aus ...
– Heute bin ich nach Zürich gefahren, ein merkwürdiges Gefühl, wieder mal eine Stadt zu sehen.
– Heute waren wir in Bern, es war so hübsch mit den Uhren.
– Heute sind wir so hoch hinaufgekraxelt, daß wir Asphodill und Edelweiß gefunden haben ...
Danach kamen die Briefe seltener, aber er beantwortete sie alle. In einem hieß es:
Ich wünschte,