Storm. Johannes Anders

Storm - Johannes Anders


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Gael Klein. „Das hat vielleicht auch etwas zu deiner Genesung beigetragen.“

      Storms biologische Seite schmerzte ein wenig und sie hatte Kopfschmerzen. Ansonsten konnte sie sich frei bewegen. Sie bezweifelte aber, dass die Karmaspende dazu beigetragen hatte.

      „Ich scheine keine Verletzungen zu haben“, wunderte sie sich.

      „Der Klempner hat schon ein paar Cyborgteile ausgewechselt“, erklärte Bordingenieur Chivan Swo mit seinem unverwechselbaren Charme. „Dein rechter Arm hatte einige Dellen, aber nichts Ernstes. Und am Oberschenkel ist dir das Blech weggeflogen.“

      „Wer …“

      „Wer das getan hat?“, vervollständigte Zaya Storms angefangenen Satz. „Das wüssten wir auch gerne. Niemand verübt ungestraft einen Anschlag auf ein Crewmitglied der Mag-5!“

      „MCLANE“, unterbrach Storm. „Das Schiff heißt MCLANE!“ Wann würden diese geschichtsvergessenen Youngster es endlich lernen?

      „Wie auch immer“, seufzte Zaya, etwas ausgebremst. „Die Polizei ermittelt, aber die hat viel zu tun. Wir werden dir selbstverständlich auch helfen. Wir sind ein Team. Hast du irgendwelche Feinde, von denen wir noch nichts wissen?“

      Storm schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Himmel, wie kann ich diese Schülerin bloß loswerden?, fragte sie sich.

      Man schlägt nicht die hilfreiche Hand, meldete sich Coach Juli.

       Zaya Karan ist Raumschiffskommandantin und keine Ermittlerin. Außerdem ist sie viel zu jung und hat keine Ahnung.

      Es geht nicht immer nur um Effizienz, erklärte der Coach. Es geht auch um das Soziale. Dein Team will dir sagen, dass sie auf deiner Seite stehen.

       Schön für das Team. Die sollen mich endlich in Ruhe lassen.

      Manchmal reagierst du wie ein verstockter Teenager, tadelte der Coach.

      Storm ignorierte die Einwände und verabschiedete das Team mit ein paar vorgetäuschten Freundlichkeiten. Dann packte sie ihre Sachen.

      Die Ärzte wollten dich noch beobachten, meldete sich schon wieder der Coach.

      Ich hab nichts, ließ Storm ihn abblitzen.

       Was ist mit deinen Kopfschmerzen?

      Die Kopfschmerzen wurden tatsächlich schlimmer. Hatte die Explosion doch mehr zerstört als offensichtlich war?

       Die werden schon wieder nachlassen.

       Sagt Frau Doktor Storm.

       Ich bin zwar keine Ärztin, aber ich verstehe etwas von Kriegsführung. Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller. Der Attentäter wird bald kommen, um sein Werk zu vollenden. Also lass uns so schnell wie möglich verschwinden.

       Wäre es dann nicht besser, hier auf ihn zu warten, damit die Polizei ihn festnehmen kann?

       Nein, das ist zu riskant, das kriegen die Dilettanten hier nicht hin. Die meisten Polizisten waren ja nicht mal im Krieg.

       Der Krieg ist nicht der Vater aller Dinge!

      Storm war eine beeindruckende Erscheinung: eine 184 cm große Frau, zur Hälfte ein Roboter. Während sie durch die Flure des Krankenhauses stapfte, ging ihr das Personal weiträumig aus dem Weg. Ein Arzt allerdings schien besonders zu erschrecken. Er beeilte sich, über eine Abzweigung in einem anderen Gang zu verschwinden.

      Hast du ihn?, fragte Storm.

      Ja, ich habe ein Holo von ihm abgespeichert, bestätigte Juli.

      Koranne Fluk verbrachte den Vormittag in Gremiensitzungen. Es war das, was sie an ihrem Job am meisten hasste. Während die Arbeitsgruppen, Sonderkommissionen und Projekte des Wissenschaftsrates wenigstens noch inhaltliche Arbeit leisteten, tobten im Senat und in den Instituten permanente Verteilungskämpfe. Am schlimmsten war es, wenn ein neuer Schwerpunkt gesetzt oder ein neues Institut etabliert wurde. Wie Hyänen klammerten sich dann alle an ihre Planstellen und wehe, ein Institut musste mehr abgeben als ein anderes, dann gab es Mord und Totschlag.

      Der Senat diskutierte diesmal allerdings nicht die Finanzen, sondern eine Vorlage, die Erste Verwalterin Antoniye Bonecal im Wahlkampf zu unterstützen.

      „Ich darf daran erinnern, dass es unserer Tradition entspricht, sich aus dem Wahlkampf und aus der Tagespolitik herauszuhalten“, erklärte der Direktor des Instituts für Hydroponie. Er hatte lange Zeit als graue Eminenz im Hintergrund seine Fäden gezogen, aber da er nun kurz vor der Pensionierung stand, bröckelte seine Gefolgschaft.

      „Schöne Traditionen werden uns nicht weiterhelfen, wenn Konor Bas die Wahl gewinnt und unser Budget zusammenstreicht. Das hat er nämlich schon angekündigt. Hier, sehen Sie es sich an!“, konterte eine junge Hyperchemikerin, deren Namen Koranne Fluk vergessen hatte. Sie erinnerte sich aber, dass sie durch ihre Erklärholos in den sozialen Netzen sehr beliebt war.

      Ein Holo wurde eingespielt, das den Oppositionspolitiker Konor Bas bei einem Wahlkampfauftritt zeigte. Der ehemalige MMA-Kämpfer und Mittelgewichtschampion mit den kurz geschorenen hellbraunen Haaren trug mittlerweile graue Anzüge, die seine Tattoos verbargen. Seinen wilden Vollbart hatte er stehen lassen, er war zu einer Art Markenzeichen seiner Kampagne geworden und zierte in stilisierter Form seine Wahlplakate. Und auch seine ordinäre Sprache, mit der er vor den Kämpfen seine Gegner bepöbelt hatte, behielt er bei: „Und ich sage euch, diese Beamtenärsche vom Wissenschaftsrat tun den ganzen Tag nichts anders, als in ihre Sessel zu furzen! Ja, ich sage es euch noch mal: Die sitzen den ganzen Tag an ihren Computern und furzen in ihre verdammten Sessel.“

      Konors Anhänger grölten.

      „Und das werde ich nach der Wahl ändern“, fuhr er fort. „Die bekommen kein Geld mehr für ihre Sesselfurzerei! Nicht von mir! Die bekommen nicht mal Sessel! Die sollen erst mal ehrliche Arbeit leisten, bevor sie an ihre Computer zurück dürfen. Jeder sollte wenigstens einmal im Leben ordentlich schuften, so wie wir es jeden Tag tun!“

      Die Menge jubelte, als das Holo ausgeblendet wurde.

      „Das ist doch nur Wahlkampfgetöse“, wiegelte der Hydroponiker ab.

      „Oder die Ankündigung einer Kulturrevolution!“, widersprach die junge Kollegin.

      „Falls er wirklich die Wahl gewinnt, was ich für ausgeschlossen halte, werden ihn seine Berater schon einnorden.“

      „Ausgeschlossen? - Dann sehen Sie sich mal die neusten Umfragen an!“

      Koranne Fluk ergriff das Wort. „Wir sind alle nicht begeistert von den Drohungen der Opposition, aber muss nicht etwas mehr passieren, bevor wir mit unserer Tradition brechen? Wollen wir wirklich Partei werden und uns in den Sumpf des politischen Tagesgeschehens begeben? Dürfen wir das überhaupt? Konor Bas würde uns sofort die Veruntreuung von Staatsgeldern vorwerfen, von denen wir nämlich bezahlt werden.“ Sie wandte sich an die junge Kollegin: „Wollen Sie dann in den Talkshows sitzen und sich gegen die Veruntreuungsvorwürfe verteidigen?“

      Die Hyperchemikerin zögerte.

      „Glauben Sie mir: Das wollen Sie nicht. Sie können meinetwegen in Ihren Erklärholos Stimmung gegen die Opposition machen, aber halten Sie den ehrwürdigen Wissenschaftsrat dabei raus.“

      Damit war das Thema erledigt. Als nächstes konnte der Streit um die Liquidierung des Instituts für Sonnenfleckenforschung in die nächste Runde gehen.

      *

      Der Mann hieß Acid Duca, und er schreckte zusammen, als sein Armsprechgerät einen Anruf anzeigte. Seine Hände zitterten, als er ihn annahm.

      „Du hast zum zweiten Mal versagt“, stellte eine Stimme fest. „Du bist raus.“

      „Lassen Sie mich doch erklären … Sie war schon fast draußen, als ich im Krankenhaus ankam!“


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