Aus Aschaffenburgs und dessen Umgebung alten Tagen. Erik Schreiber
Agatha, mit vielen alten Grabmälern. 7. Die übrigen Kirchen sind unbedeutend. Ein Paar Kapellen sind abgebrochen worden, davon war eine dem heil. Michael im Kapitol geweiht. Diese Benennung scheint auf etwas Römisches hinzudeuten. Aschaffenburg besitzt noch ein Englisches Fräulein=Institut, für Mädchenerziehung, und ein sehr zweckmäßige weibliche Schule. Das Haus des Deutschen Ordens ist jetzt dem geselligen Vergnügen gewidmet. Hier versammelt sich die sogenannte Harmonie zu Lectüre und Spiel. Der (so häufig verkannte und so oft verunglimpfte) edle Fürst Primas ließ einen Redoutensaal und ein Theater darin zurichten. Unstreitig sind, im furchtbaren Wechsel der Zeit, für Aschaffenburg manche Gewerbsquellen versiegt, doch bleiben den Einwohnern noch Feld= und Weinbau, Holzhandel, Schifferei und ein bedeutender Transitohandel zu Wasser. Man findet fast immer Fremde hier, denn die vielbesuchten Heerstraßen von Frankfurt nach Leipzig und Nürnberg, nach Hanau, in die Wetterau, treffen in dieser Stadt zusammen. Auch fehlt es nicht an guten Gasthäusern. Die vorzüglichsten Darunter sind: Zum Schwarzen Adler, Zum Römischen Kaiser, Zum Freihof, Zur goldnen Brezel, Zum Mainzer Hof. Des Abends findet man gute Gesellschaft bei Petermann im Frankfurter Hof.
Ein großer Vorzug dieser Stadt sind die anmuthigen Spaziergänge. Als die vorzüglichsten sind zu bemerken:
1. Das Schönthal. Der Kurfürst Karl Friedrich ließ die langen Gräben, welche sich um die Stadt zogen, in einen höchst anmuthigen englischen Garten verwandeln. Das ganze bildet ein mit Baumreihen besetztes Thal zwischen mannichfach angepflanzten Höhen. Man thut wohl, den Eingang durch das Sandthor zu nehmen, wo eine Terrasse, von Platanen beschattet, eine schöne Aussicht gewährt. Von da kommt man zur Orangerie, die auch, für den Sommer, einen Konzertsaal enthält. Teiche, Brücken, Laubgewölbe, Oeffnungen zwischen den Gebüschen, die den Blick ins Freie erlauben, wechseln angenehm. Auf einer Insel wird man durch die zwischen Bäumen und Gesträuchen halbverdeckten Ruinen der alten Kapelle zum heil. Grab und das Nonnenkloster zur heil. Jungfrau im Hayn oder Hagen überrascht. Gottfried von Kuglenberg, Probst zu Moxstadt, erbaute diese Klause im J. 1218, als aber später die Nonnen der klösterlichen Zucht vergaßen, so wurden sie nach Schmerlenbach, in eine einsame Gegend des Spessarts versetzt. In der Nähe dieser Ruinen stehen, auf einem Piedestal, zwei kolossale Figuren aus Stein, der heilige Martin, zu Pferd, wie er eben einem Bettler ein Stück von seinem Mantel abschneidet, und der heilige Johannes. Es ist ein treffliches Werk der Sculptur. Der weitere Weg durch den ehemaligen Zwinger und durch die Felsengrotten unter dem Heerstall und Kapuzinerthore führt zu einer herrlichen Aussicht von einer Felsengruppe, deren Spitze einen geschmackvollen Pavillon trägt. Auf einem geplatteten Wege gelangt man jetzt in den eigentlichen Schloßgarten, wo gleichfalls hübsche Parthieen sind.
2. Die Fasanerie, ein großer verschlossener Park, wozu sich jeder Einwohner den Schlüssel verschaffen kann. Es sind hier schöne Spaziergänge und herrliche Baumgruppen.
3. Der Goldberg, ein reicher Weinberg, von dessen Felsenkuppe sich schöne Aussichten darbieten.
4. Der schöne Busch. Er liegt ¾ Stunden von Aschaffenburg. Der Weg geht über die schöne Mainbrücke, und ist, vom jenseitigen Ufer an, mit Pappeln bepflanzt. Der schöne Busch war ein kleiner wilder Wald, den der letzte Kurfürst in einen herrlichen Park verwandeln ließ. Der verstorbene Forster (der nebst Joh. v. Müller, Heinse und anderen ausgezeichneten Männern im Dienste dieses geistvollen Fürsten stand) versicherte oft, dies sey der einzige englische Garten in Deutschland, welchem die Benennung mit Recht gebühre. Gleich am Eingang steht das Wirthschaftsgebäude. Nahe dabei ist das Gewächshaus mit einem kleinen botanischen Garten, gegenüber ein geschmackvoller Tanzsaal, und hinter demselben ein See. Links erhebt sich auf einer Höhe ein alter Thurm, von welchem man eine entzückende Aussicht nach allen Seiten hin hat. Am andern Ufer des Sees liegt das schöne Stammschloß, im edlen Styl erbaut. Das Innere ist reich und geschmackvoll. Dicht hinter dem Schlosse sieht man den obern See mit einer Insel, die den Tempel der Freundschaft trägt. Er hat eine Frontispice von dorischen Säulen und erhält sein Licht durch die Kuppel. In jenem stehen, in vier Nischen, die Bildsäulen der Weisheit, Standhaftigkeit, Liebe und Treue, vom geschickten Pfaff aus Mainz. Ringsum sind die Symbole der Freundschaft angebracht. Nicht weit vom Tempel ist, im Gebüsch versteckt, eine Einsiedelei mit den Büsten alter Philosophen geschmückt. Von da kommt man in die Meierei und das Fasanenhaus. Nahe dabei sieht man ein kleines Gebäude in antiker Form. Hier pflegte der Kurfürst zu frühstücken. In der Baumschule werden die edelsten Obstarten gepflanzt und auch exotische Gewächse gezogen.
5. Der Nilkheimer (Nölkheimer) Hof. Er liegt nicht weit vom schönen Busch, und ist aus dem eingegangenen Dorfe Nilkheim entstanden. Ein Freiherr von Mergentbaum besitzt ihn jetzt als Erblehn, und hat eine musterhafte Wirthschaft eingeführt. Von diesem Hofe wird ein Theil der Stadt täglich mit Milch versehen. Die Geschichte dieses Hofs ist merkwürdig. Schon im Anfang des 8ten Jahrhunderts baute hier der Priester Adalbuno eine Kirche, welche der Metropolit Regbert von Mainz einweihte. Diese Kirche mag wohl die erste in der Gegend gewesen seyn, und später dem Dorfe Nilkheim die Entstehung gegeben haben, welches aber im 30jährigen Kriege zerstört wurde. Um Aschaffenburg liegen noch viele Dörfer, Mühlen, Höfe, meist in freundlicher Umgebung, wohin ein Spaziergänger Ausflüge machen kann. In Aschaffenburg gedenkt der Deutsche, nicht ohne Unwillen, des verderblichen Konkordats, welches, im Jahr 1337, in dieser Stadt von dem päpstlichen Legaten Aeneas Sylvius und dem Erzbischof Dietrich von Mainz in der Stille entworfen und im folgenden Jahr in Wien zu Tage gefördert wurde. Eine andere, aber freundlichere Erinnerung gewährt das Andenken des trefflichen Historikers Lambert von Aschaffenburg, der hier im 11ten Jahrhundert, das Licht erblickte, und mit Treue und Aufrichtigkeit die ihm wohlbekannten Ereignisse seiner Zeit erzählte. Bevor wir die Gegend von Aschaffenburg verlassen, wollen wir noch einiges über den angenehmen Spessart anmerken, der für die Stadt so wichtig ist, und das Hauptprodukt ihres Handels liefert. Dieser ehemalige Königsforst hat jetzt noch, nachdem er durch die Kultur in engen Grenzen eingeschlossen worden, einen Umfang von ohngefähr 30 Stunden, und gehört dem Stromgebiet des Mains an. Die Berge sind nicht von beträchtlicher Höhe. Der Kern besteht aus Lagern von Granit, Gnais, Sinter, die von Böthmen herstreichen. Gegen den Vorspessart stoßen Kalklager an, und gegen die Röhn zeigt sich Basalt. Von Mineralien findet man Silberspuren, Kupfererz, Kobalt und beträchtliche Eisenerze. Im Mittelalter wurde dieses Gebirg meist nur von Kohlenbrennern, Holzhauern, Schiffern und Fuhrleuten bewohnt, jetzt, nachdem manche Gegenden angebaut worden, kann man seine Bevölkerung auf 72,000 Seelen angeben, die in 5 Städten, 146 Flecken und Dörfern, in Weilern, auf Höfen und Mühlen wohnen. Karl der Große, Ludwig der Fromme und Heinrich der Heilige verweilten hier öfters der Jagd wegen. Später kam die Wildbahn des Spessarts größten Theils an die Erzbischöfe zu Mainz. In der Gegend dieses Waldes hausten, schon im zwölften Jahrhundert, die längst ausgestorbenen Grafen von Nieneck, welche die Vogtei über das Stift zu Aschaffenburg hatten, und Mainzische Vasallen waren. Sie bauten die Burg Wildenstein und Eschau. Ein noch älteres im Spessart heimisches Geschlecht waren die Grafen von Wertheim, deren Stamm, in seinen männlichen Gliedern, im J. 1556 erlosch. Das Hauptprodukt des Gebirgs ist das Holz. Die Eiche erreicht hier eine bedeutende Höhe und ist meist von schlankem Wuchse. Dasselbe gilt von der Buche, die nicht nur ein treffliches Brennholz giebt, sondern sich auch, von 20 Jahr an, zu mancherlei Gebrauch sehr gut verarbeiten läßt. Von weniger Belang sind die Kiefer und die Birke. Die Eichen liefern, für den auswärtigen Handel, das Holländerholz. Nicht minder ergiebig ist der Absatz mit Bau= und Nutzholz, mit Kohlen und Asche. Schneidmühlen, Glashütten, Eisenhämmer waren sonst in größerer Anzahl vorhanden. Eine sehr gründliche Schrift über den Spessart und seine Benutzung verdankt man dem Badischen Referendar K. Ludwig (Miltenberg 1805). Ueber Aschaffenburg und die Umgegend verdient das gründliche Werk des Herrn Pfarrers Dahl (Darmstadt 1818) gelesen zu werden. Sie ist besonders für den Historiker Interessant. Ueber die Römischen Alterthümer dieser Gegend besitzt man eine Abhandlung von Heim (Frankfurt 1790). Einige Stellen derselben sind vom Pfarrer Dahl in einer besonderen, kleinen Schrift berichtigt worden.
Aschaffenburg
Ein Handbuch für die Jugend
von
Adalbert von Herrlein
Bürgermeister zu Aschaffenburg
Aschaffenburg, 1849
Verlag von C. Krebs.
Vorwort