Veyron Swift und das Juwel des Feuers. Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers - Tobias Fischer


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sieht aus wie ein Engel, hat sehr lange Beine, bezaubernde Augen und …«

      »Sehr gut, zumindest erkennst du schon mal das Offensichtliche. Jetzt pass auf. Sie sieht ständig auf die andere Seite des Raumes. Wenn sie jedoch dorthin schaut, tut sie dies nicht besonders freundlich.«

      Tom blickte in jene Richtung, in die Veyron unauffällig mit der linken Zeitungsseite wedelte. Dort entdeckte er einen japanischen Geschäftsmann, der still dasaß und gelangweilt in einem Magazin blätterte.

      »Nagamoto«, raunte Tom, als er ihn erkannte.

      »Ganz genau. Zwischen Nagamoto und ihr besteht eine Verbindung. Es passt ihr gar nicht, ihn hier wiederzusehen. Ich würde wetten, sie ist eine Vertreterin von Borgin & Bronx, diesem berüchtigten Hedge Fonds. Während du dich mit sinnfreien und nutzlosen Videospielen beschäftigt hast, habe ich unsere Atlantiküberquerung zur Wissensmehrung genutzt. Ich weiß jetzt so ziemlich alles über Nagamoto und Borgin & Bronx.«

      Tom ließ diese neuerliche, vor Arroganz triefende Besserwisserei unkommentiert. Verärgert schaute er sich die anderen Passagiere an. »Glauben Sie, Flammenschwert-Joe ist auch hier?«

      Veyron schlug die Seite seiner Zeitung um, dann gleich noch einmal und schließlich wieder zurück. Er blieb ihm die Antwort schuldig. Eine Durchsage, dass das Boarding für Flug TC-327 begann, ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen. Die Leute standen auf, nahmen ihr Gepäck und reihten sich auf. Lediglich die sieben Punkrocker blieben zitternd auf ihren Plätzen sitzen, entweder, weil sie den Ruf nicht gehört hatten, oder weil ihre Körper nicht so wollten.

      »Auf geht’s, Leute. Zeit zum Boarding«, rief Veyron, als er an ihnen vorbeikam.

      Zögerlich setzte sich zumindest einer von ihnen, John Fizzler, in Bewegung. Wacklig erhob er sich und schleppte seine dünne, ausgemergelte Gestalt hinüber zur Warteschlange. »Danke, Mann. Geht uns gerade echt beschissen, weißt du«, keuchte er.

      Veyron nickte lächelnd und reihte sich vier Leute vor Fizzler ein – so lange brauchte dieser, um die Warteschlange überhaupt zu erreichen. Fizzlers Kumpel folgten schließlich einer nach dem anderen. Veyron beobachtete sie genau, fand es offenbar faszinierend, wie sie ihre müden, kranken Körper durch die Halle schleiften, die einen torkelnd, die anderen wie in Zeitlupe.

      »Ich muss meine Analyse korrigieren. Ein paar neue Informationen sind dazugekommen«, raunte er Tom zu.

      Der beobachtete die Rocker gar nicht, sondern versuchte, die schöne Bankerin zu erspähen, die irgendwo ganz weit vorne stand.

      »Zu ihrer Drogensucht und ihrem erbärmlichen Zustand kommt noch etwas hinzu: Angst, entsetzliche Angst. Auf der Toilette muss etwas geschehen sein, das sie in Todesangst versetzt hat. Vielleicht ist es auch eine Nebenwirkung der Drogen, möglicherweise eine Art Psychopharmakon«, fuhr Veyron fort.

      Jetzt schenkte Tom den Rockern doch noch einen weiteren Blick – ungern, denn er wollte viel lieber die schöne Geschäftsfrau anschauen.

      »Wer könnte die Macht besitzen, solches Zeug an den Drogenhunden vorbeizuschmuggeln und es diesen Leuten auf der Toilette zuzuspielen? Wenn ich raten dürfte, würde ich auf Flammenschwert-Joe tippen. Ich frage mich nur, was er damit bezwecken will. Was mag wohl sein Plan sein? Bestimmt nichts Gutes«, murmelte Veyron vor sich hin.

      Jetzt war Tom aufgeregt. Dieser schreckliche Übeltäter war also hier, mitten unter ihnen? Vielleicht war er sogar einer der Passagiere, ein Dämon, getarnt in der Gestalt eines harmlosen Menschen. Tom musterte jeden Mann und jede Frau in der Warteschlange mit verstohlenen Blicken.

      »Natürlich ist es reine Spekulation, beruhend auf einer vagen Vermutung, die wiederum der Annahme entspringt, dass unser dunkler Freund alles versuchen wird, um Nagamoto aufzuhalten und sich das Juwel des Feuers zu schnappen. Ich fürchte, mein Gehirn will sich wieder mal Arbeit sparen, am besten, du vergisst diese Theorie gleich wieder«, fuhr Veyron mit schnellen Worten fort.

      Tom konnte es jedoch nicht wieder vergessen. Egal, was Veyron darüber dachte, für Tom machte das alles Sinn, und er wusste auch schon, wie Flammenschwert-Joe zuzuschlagen gedachte: Es würden die Rocker sein. Sie würden Nagamoto töten, und es sähe so aus, als wären die Drogen daran schuld.

      Das Boarding verlief reibungslos. Die TC-Mitarbeiterinnen freuten sich, dass sie diesmal nicht so viele Passagiere abfertigen mussten wie sonst. Draußen im Empfangsbereich tobte Simon Weller noch immer, während sein Manager die Angelegenheit mit den Servicemitarbeitern von Torben-Carrisson-Airways regelte. Er akzeptierte die umgebuchten Plätze, wollte aber die Polizei einschalten, um diesen Hochstapler aufzuspüren, der ihnen den ganzen Ärger eingebrockt hatte. Niemand wusste natürlich, dass dieser gerade ins schnellste Flugzeug der Welt stieg und sich heimlich ins Fäustchen lachte. Tom dagegen rechnete nach wie vor damit, dass sie jeden Moment verhaftet wurden. Er ließ sich trotz Veyrons Versicherungen in dieser Meinung nicht umstimmen.

      Die Supersonic war mit rund vier Metern Durchmesser recht schmal. Sie besaß darum in der Businessclass nur vier Sitze pro Reihe, getrennt von einem Mittelgang. Dafür waren die mit hellem Leder überzogenen Sitze größer und bequemer als in den meisten anderen Flugzeugen. Die Reisekabine war in warmen, gemütlichen Farben gehalten. Den Bereich zur First Class trennte eine große Glastür mit dunkelvioletten Vorhängen ab, welche die Luxusklasse vor neugierigen Blicken schützte. Tom konnte dem Faltplan der Maschine entnehmen, dass die First Class sogar nur aus vierzig Plätzen bestand. Eine weitere Glastür und die Fluggasttoiletten unterteilten die Businessclass nach etwa dreissig Sitzreihen in einen zweiten Bereich. Tom stellte fest, dass die Maschine nicht einmal bis zur Hälfte besetzt war. Gerade mal sechzig Passagiere verteilten sich hauptsächlich auf den vorderen Bereich der Businessclass. Jetzt erst wurden ihm die Auswirkungen von Veyrons Trick wirklich bewusst. Sie flogen vollkommen unterbesetzt!

      Die Passagiere der First Class bestiegen das Flugzeug durch eine andere Fluggastbrücke. Hier verloren sie Nagamoto und auch die attraktive Bankerin aus den Augen. Tom fluchte leise, aber Veyron griff an seine Schulter und schüttelte den Kopf.

      »Es ist alles genau so geplant, Tom. Natürlich wusste ich, dass Nagamoto First Class buchen würde. Ich habe jedoch nicht vor, mich ihm während des Fluges zu erkennen zu geben. Unser Freund Joe wird das sicher auch nicht tun. Wir verhalten uns still und beobachten. Vielleicht können wir FJ identifizieren, ehe wir in London landen«, erklärte er Tom, nachdem sie ihre Plätze auf der linken Flugzeugseite eingenommen hatten.

      Tom saß am Fenster (darauf hatte er bestanden) und Veyron auf der Gangseite. Auf der anderen Seite des schmalen Ganges, setzte sich ein junger Mann, jünger als Veyron, und er schien sogar nur wenig älter als Tom. Kaum hatte er sich Platz genommen, zog er einen Tablet-PC aus seiner Tasche und tippte darauf herum. Tom sah sich den jungen Mann genauer an. Er schien südländischer Herkunft zu sein: Die Haut war sonnengebräunt, das Haar schwarz.

      Plötzlich sah der junge Mann auf und zu Tom und Veyron hinüber, ein begeistertes Lächeln auf dem Gesicht. »Ist das nicht fantastisch? Wir fliegen mit der Supersonic! Bin mal gespannt, was meine Leser davon halten, wenn ich das blogge!«, rief er aufgekratzt.

      »Was ist es denn für ein Blog?«, fragte Tom.

      Der junge Mann zeigte ihm ganz stolz das Tablet. »LIMAstrike, ein politischer Blog, hauptsächlich für Studenten. Ich habe ihn ins Netz gestellt. Dimitri Illianovos, das bin ich«, erklärte er und reichte Tom die Hand. Blitzschnell zog er sie wieder zurück. »Entschuldige, aber ich muss meine Eindrücke aufschreiben. Das ist ja alles so aufregend«, sagte er und tippte wieder auf dem Tablet herum.

      Vielleicht sollte ich auch einen Blog aufmachen und über meine Abenteuer mit Veyron schreiben, dachte Tom. Dann nahm etwas anderes seinen Blick gefangen, und er konnte nur noch in diese Richtung starren. Eine junge Frau eilte zu ihrem Sitzplatz. Eine echte Schönheit, wie Tom fand. Das pechschwarze Haar hatte sie im Nacken zusammengeknotet. Sie blieb kurz neben Tom stehen und winkte jemandem weiter hinten, ehe sie nach vorn in Richtung First Class eilte. Ihre Bewegungen waren die einer Katze, geschmeidig und anmutig. Mist, dachte er, ich bin erst vierzehn. Ich wünschte, ich wäre schon zwanzig, oder so.

      Ihre


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