Verwehte Spuren. Franz Treller

Verwehte Spuren - Franz Treller


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Tonmeister, der euch entzückt,« entgegnete sie hierauf, »es liegt das tiefste menschliche Fühlen in dieser Totenklage, ich selbst singe sie nie, ohne daß ich ergriffen bin.«

      »Das singen Sie mal den Ottawas vor, Miß Frances,« sagte allen Ernstes Myers in ungekünstelter Bewunderung, »und wenn sie Sie dann nicht zur Königin machen, dann ist es Viehzeug was sie freilich überhaupt sind.«

      Miß Schuyler lachte, und die andern stimmten bei der mit so großem Ernste gemachten Bemerkung des Sekretärs mit ein.

      Die heitere Stimmung war wieder hergestellt. Man begab sich nun in den schönen und großen Garten des Gouvernementsgebäudes, damit die Herren eine Cigarre rauchen konnten.

      Sie wandelten durch die schattigen Laubengänge, der Oberst und Edgar gingen zusammen.

      »Haben die Befestigungen, welche Sie unter Ihr Kommando nehmen, strategische Wichtigkeit, Herr Oberst?«

      »Die älteren Befestigungen sind heutzutage bei der starken Bevölkerung dieser Staaten und den so vervollkommneten Verkehrsmitteln nicht mehr von wesentlicher Bedeutung, ob sie gleich im Unabhängigkeitskampfe sehr wichtig waren. Dennoch dürfen sie nicht vernachlässigt werden, sie bilden den ersten Schutz gegen einen Angriff von Kanada her; die jüngeren Festungsanlagen im Lande gelten fast nur den Indianern.«

      »Ich wünsche Ihnen eine Garnison, in welcher Sie mehr geistige und gesellschaftliche Anregung haben, als in manch vereinsamten deutschen Posten zu finden ist.«

      »Diese Forts, Herr Graf, sind die eintönigsten und traurigsten Orte der Welt für den, der nicht im stande ist, sich an sich selbst genügen zu lassen. Die Offiziere in ihrer großen Mehrzahl gehen höchst ungern in die Grenzforts, und ich gebe zu, daß für junge, lebenslustige Männer eine solch vereinsamte Friedensgarnison nicht angenehm ist. Die passionierten Jäger söhnen sich mit der Einsamkeit der Wälder noch am ehesten aus. Mir ist es gleichgültig, wo mich der Dienst hinführt, ich fühle mich in strenger Pflichterfüllung überall wohl. Gewöhnlich wird die Besatzung dieser Plätze alle zwei Jahre gewechselt, aus mir unbekannten Gründen hat das Kriegsdepartement kürzlich befohlen, daß die Ablösung sofort erfolgen soll, das heißt noch vor Ablauf der gewöhnlichen Frist, so daß ich vierhundert Mann Truppen mit mir führe.«

      »Wollen Sie den Weg zu Lande zurücklegen?«

      »Nein. Ich schiffe mich mit meinen Truppen in Grand Haven ein, lande mit einem kleinen Teil derselben in Traverse City, während die andern nach Duncan weiterdampfen, inspiziere die Forts Jefferson und Jackson und begebe mich dann selbst nach Duncan. Von Traverse City aus muß ich natürlich marschieren.«

      »So müßte ich also auch einen Teil des Weges zur See zurücklegen?«

      »Ei ganz natürlich, was wollen Sie sich unnötigerweise den Strapazen einer Landreise aussetzen. Sie bekommen dort oben noch genug daran. Für Sie wird es das richtigste sein, sich wie ich in Grand Haven einzuschiffen und dann am Manistee an Land zu gehen. Dort treffen Sie unsre Agentur und können dann mit einem des Landes kundigen Führer Ihren Weg durch die Wälder suchen. Sie ziehen nach Nordost, ich nach Südwest. Der nächste Militärposten ist für Sie Fort Jackson, das eigens dazu angelegt ist, die Ottawas zu überwachen.«

      »Machen Ihnen die Indianer noch immer zu schaffen?«

      »Die Macht des Chippewayvolkes, zu ihm gehören die Ottawas, Pottawatomies, Saulteux und Missinsig, ist längst gebrochen, mit ihnen, einigen Huronen und Senecas, mag die Zahl der Indianer auf den beiden Halbinseln von Michigan nicht ganz achtzehntausend betragen.

      »Vor drei Jahren haben die Schurkereien unsrer Indianeragenten, welche die Leute verhungern ließen, einen Ausbruch der Ottawas veranlaßt, der dann freilich die ganze indianische Wildheit entfesselte, aber es war nur ein Akt der Verzweiflung. Sie sind blutig gezüchtigt worden und halten seitdem Ruhe. Diebereien kommen freilich oft genug vor und machen den kommandierenden Offizieren dieser Forts häufig Unannehmlichkeiten, da sie dann zwischen den sehr zur Selbsthilfe geneigten, im Hinterwald ansässigen Farmern und den indianischen Spitzbuben zu entscheiden haben, was selten ohne Verdrießlichkeiten abgeht. Das ist aber auch alles, ich glaube nicht, daß die Indianer im Norden noch einmal zu den Waffen greifen werden.«

      »Sie treten bald Ihren Marsch an?«

      »Ich bin nur hier, um mich beim Gouverneur zu verabschieden und den alten Freund Myers wiederzusehen, ich reise morgen mit meiner Tochter nach Grand Haven, wo wir uns einschiffen.«

      »Ihr Fräulein Tochter begleitet Sie, Herr Oberst?« fragte erstaunt der junge Mann.

      »Ja, Herr, Frances Schuyler verläßt ihren Vater nicht.«

      Sie schritten weiter, bis sie auf die Damen trafen, welche Mister Myers in guter Laune zu erhalten wußte, wenigstens herrschte sehr muntere Stimmung, als sie zu ihnen gelangten.

      »Was erregt die Heiterkeit der Damen?« fragte der Oberst.

      »Papa erzählt wieder seine drolligen Geschichten.«

      »Pst! Mary, Pst!« lachte er. »Es ging wieder über den Adel her, Schuyler, und da Ihr von altem holländischem Geschlecht seid und der Herr Graf sogar ein deutscher Lord ist, so könnte ich mit meiner Geschichte gut ankommen.«

      »Nur immer zu, Myers,« sagte Oberst Schuyler.

      »Ich werde sie mit dem Stoizismus eines Indianers ertragen,« fügte Graf Edgar hinzu.

      »Machen uns gar manchmal lustig, Herr Graf, über Adel, Orden und so weiter, wahrscheinlich, weil wir beides nicht haben können, aber ist harmlos. Haben da eine Familie hier, Courtland, behauptet vom ältesten normannischen Adel abzustammen und mit Wilhelm dem Eroberer in England eingezogen zu sein, ist sehr stolz darauf, sehr exklusiv in gesellschaftlicher Beziehung und behandelt uns Staubgeborene ohne sechsunddreißig Ahnen etwas von oben herunter. Der witzigste Kopf Lansings, der Advokat Hoboken, erzählte nun kürzlich einem besonders hochmütigen Angehörigen dieser Familie folgende Geschichte:

      »>Kennen Sie,< fragte er den Normannensprößling, >die Geschichte von der Namengebung an Adam?<

      »Alles ringsum, es war in großer Gesellschaft, horcht auf, denn Hobokens scharfer Witz ist so allgemein bekannt, wie die Schwäche der Courtlands.

      »>Nein,< sagt der Gefragte harmlos.

      »>Als Gott Adam geschaffen hatte,< so ließ sich unter tiefem Schweigen der Anwesenden der Advokat vernehmen, >forderte er ihn auf, sich einen Namen zu wählen.<

      »Nach einigem Nachsinnen sagte Adam: >Nun, wenn ich wählen darf, so möchte ich wohl Courtland heißen.<

      »>Nun sieh mal einer,< sagte lächelnd der liebe Gott, >diesen Burschen an, sich gleich solchen alten vornehmen Namen auszusuchen.<

      »Das Gelächter war unauslöschlich, welches hierauf ausbrach.«

      Der Graf und Schuyler lachten auch.

      »Mister Myers hat immer seine Schnurren im Kopf,« sagte Mistreß Myers. »Gott bewahre ihm seinen Humor.«

      Indem sie sich anschickten, weiterzugehen, traf es sich, daß Edgar neben Miß Schuyler einherschritt.

      »Ihr Vortrag der Orpheusarie hat mich sehr ergriffen, Miß Schuyler, Sie sind eine Künstlerin.«

      »Nein, aber ich singe mit dem Herzen, Herr Graf, und da ist bei einem solchen Tonstück die Wirkung unwiderstehlich auf fühlende Menschen,« sagte sie einfach.

      »Wenn Ihnen bekannt ist, was mich in dieses Land geführt hat, können Sie erst recht ermessen, wie des Orpheus' Klage mich berührt.«

      »Ich habe von dem traurigen Schicksal Ihrer Schwester, wie von Ihrer Mission gehört, und hoffe zu Gott, daß auch treue Bruderliebe im stande ist, der Unterwelt ein Opfer zu entreißen.«

      Sie gingen schweigend eine Weile nebeneinander.

      »Sie begleiten Ihren Vater in seine einsame Garnison, Miß?«

      »Ja. Mein Vater hat nichts auf der Welt als mich, und ich


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