Verwehte Spuren. Franz Treller
Zügen, reichte dem jungen Manne die Hand mit den Worten: »Ich freue mich herzlich, einen deutschen Kameraden begrüßen zu dürfen, den Angehörigen einer Armee, welche sich so unverwelkliche Lorbeeren erkämpft hat.«
Graf Edgar dankte in einigen verbindlichen Worten.
»Wir haben hier,« fuhr der Oberst fort, »mit Staunen die Siegesbahnen der deutschen Armeen verfolgt.«
»Mit Freuden habe ich, seitdem ich in den Staaten weile, bemerkt, welche Sympathien man uns hier entgegenbringt und unsre Taten neidlos anerkennt.«
»Im Norden gewiß überall, während der Süden wohl Frankreich sympathischer gegenüber gestanden hat. Wir Militärs, und besonders Sheridan, den ich nach seiner Rückkehr vom deutschfranzösischen Kriegsschauplatze wiederholt gesprochen habe, sind voll von Bewunderung für die deutsche Kriegführung.«
Diese Anerkennung von seiten eines gebildeten Offiziers, dem ersten, der ihm in Amerika entgegentrat, tut dem patriotischen Herzen des jungen Mannes nicht minder wohl als die unbefangene Teilnahme, welche ihm wiederholt einfache Landleute zu erkennen gegeben hatten.
»Wir haben einen Fürsten an der Spitze unsres Staates von so hoher Einsicht und solch vornehmer selbstloser Gesinnung, daß er alles dem einen großen Zwecke unterordnet, oft sogar seine eigene Anschauung dem Urteile seiner erprobten Generale und Räte. Nur da, wo diese Einheit in der ganzen Führung herrscht, solche Hingebung von allen Seiten, sind Erfolge möglich, wie wir sie errungen haben.«
»Ja,« sagte der Oberst, »Ihr Kaiser Wilhelm ist wohl eine echt fürstliche vornehme Erscheinung, und ich, obgleich Republikaner, begreife ganz die Liebe und Ehrfurcht, welche ihm sein Volk entgegenbringt.«
Mit leuchtenden Augen entgegnete Edgar mit Shakespeares Wort: »Jeder Zoll ein König! Wir lassen uns auch freudig alle für ihn töten.«
Ein freundliches Lächeln umspielte des Obersten Lippen bei der so ungeheuchelt hervortretenden Verehrung des jungen Mannes für seinen greisen König.
»Es ist ein gewaltiges Volk das deutsche, wenn seine Kräfte vereint wirken, und ich denke, es wird für die Ruhe Ihres Erdteils von Vorteil sein, daß Deutschland die Führung auf dem Kontinent übernommen hat.«
»So hoffen wir alle. Wir haben endlich die Stellung wieder errungen, die uns im Rate der Nationen gebührt, die wir einst in der Welt einnahmen, als vor dem Kaiser der Deutschen sich die Könige Europas beugten wir werden sie auch behaupten.«
Mr. Myers forderte auf, zu Tisch zu gehen. Oberst Schuyler bot galant der Frau vom Hause seinen Arm, während der Hausherr Miß Schuyler den seinigen lieh; Edgar führte Miß Myers zu dem nahe liegenden geräumigen Diningroom.
Das Mahl war einfach, aber trefflich und die gebotenen Weine vorzüglich.
Während einer der Pausen im Laufe des Mahles bemerkte Oberst Schuyler: »Ich habe vor dem französischen Kriege Ihr Vaterland besucht, Herr Graf, und doch dort einen andern Eindruck von dem deutschen Volkscharakter gewonnen, als wir ihn von dem größeren Teile der bei uns ansässigen Deutschen empfangen.«
»Sind Ihnen meine hier heimisch gewordenen Landsleute nicht sympathisch, Herr Oberst?«
»Unsre Deutschen haben im großen Bürgerkriege treu zur Union und zum Norden gehalten, wie sie bereits im Unabhängigkeitskampfe auf unsrer Seite gegen England fochten, dafür sind wir ihnen Dank schuldig. Niemand wird ihnen auch Fleiß, Betriebsamkeit und Intelligenz absprechen; sie bilden im großen und ganzen ein tüchtiges Element in unserm Staatsleben. Aber es ist etwas Kleinliches in diesen Leuten, und sie werden bei ihrem merkwürdigen Vereinsleben, ihrer Zerrissenheit und Streitsucht, ihren dumpfigen Bierstuben, welches alles wohl Erbteile der politischen Zerrissenheit ihres Vaterlandes und der polizeilichen Bevormundung des Volkes sind, nie die geschäftliche und gesellschaftliche Stellung des Amerikaners erreichen.«
»Es tut mir leid, das zu hören.«
»Es ist so, trotz aller guten Eigenschaften auch Ihrer hiesigen Stammesgenossen. Will man aber den Deutschen kennen lernen, muß man ihn in seinem Vaterlands aufsuchen, da gewinnt man die Ueberzeugung, ein großes, gutes, zum Höchsten aufstrebendes Volk vor sich zu sehen. Das eiserne Staatsgefüge, besonders in Preußen, hat mich mit Bewunderung erfüllt. Ich habe mich als Soldat vorzugsweise um Ihre militärischen Einrichtungen gekümmert, und mit diesen kann kein Volk der Erde sich messen. Der Mangel ähnlicher Einrichtungen hat uns in unserm furchtbaren Bürgerkriege so unendliche Menschenopfer gekostet, welche zweck und nutzlos hingeschlachtet wurden.«
Miß Schuyler richtete die ernsten Augen auf Edgar und fragte mit einer Stimme von bestrickendem Klang: »Sind Sie ein Freund des Krieges, Herr Graf?«
»Als Berufssoldat müßte ich eigentlich mit Ja antworten, Schuyler; wer aber, der den Krieg gesehen hat, wäre ein Freund desselben? Ich habe ihn kennen gelernt, wie Ihr Herr Vater, in seiner schrecklichsten Gestalt, und ist es gleich geboten, das Schwert zu ziehen, um die höchsten Güter dieses Lebens zu verteidigen, wenn es sein muß, dafür zu sterben so treffe jeden der Fluch der Menschheit für alle Zeit, der leichtfertig den Krieg heraufbeschwört.«
»Sie sprechen mir aus der Seele,« fügte der Oberst hinzu.
»Und glauben Sie, Sir,« fuhr seine Tochter fort, »daß eine Zeit kommen wird, wo es keine Kriege mehr gibt?«
Nach einer kurzen Pause sagte der Graf: »Nein, Miß Schuyler, ich glaube das nicht und wünsche es auch nicht.«
»Wie? Widerspricht es nicht dem, was Sie eben sagten?«
»Ich glaube nicht. Entfesselt der Krieg alle wilden und grausamen Instinkte der Menschennatur, so ruft er daneben auch alle edlen und großen Eigenschaften des Herzens empor, todesmutige Hingebung für das Vaterland, das hohe Gut der Freiheit, Treue, Mitleid, Aufopferungsfähigkeit in ungeahntem Grade, und nie wird ein Volk würdig unter den Nationen dastehen, welches nicht fähig und bereit ist, für ideale Güter zu kämpfen und zu sterben. Unser Lieblingsdichter sagt:
>Der Krieg ist schrecklich wie des Himmels Plagen,
Doch ist er gut, ist ein Gesetz wie sie.<«
Er hatte sich bei diesen Worten der deutschen Sprache bedient und fuhr nun fort: »Das heißt im Englischen «
»Ich lese Schiller im Original, Herr Graf,« sagte Miß Schuyler, sich des Deutschen bedienend.
»O, Sie sprechen meines Volkes Sprache wie mich das erfreut!«
»In Ihrem Sinne, Herr Graf, will ich den Krieg acceptieren und mit dem Sohne des Tydeus Hektor rühmen:
>Der, für seine Hausaltäre
Kämpfend, ein Beschirmer fiel,
Krönt den Sieger größere Ehre,
Ehret ihn das schönere Ziel.<«
Graf Edgar lauschte ihren deutschen Lauten mit Entzücken.
»Meine Tochter hat nur Ihres Schiller wegen, den sie leidenschaftlich verehrt, deutsch gelernt und unser erster Besuch in Ihrem Vaterland galt den geheiligten Stätten, wo Ihr großer Dichter geweilt hat.«
»Schiller,« sagte Miß Schuyler, »kann nicht in andre Sprachen übertragen werden, selbst in das so nahe verwandte Englisch nicht, der bestrickende Zauber, den das Original ausübt, verschwindet im fremden Idiome wesentlich der Duft fehlt der nachgeahmten Blüte.«
»Ich höre mit innigem Vergnügen, wie Sie unsern Schiller verehren. Er ist der Liebling unsres Volkes und wird es ewig bleiben, und ich verstehe es ganz, ob ich mich gleich niemals mit Uebersetzungen seiner Werke bekannt gemacht habe, daß die Fülle und Schönheit der Sprache, wie deren hinreißende Klangwirkungen nicht wiedergegeben werden können, selbst im Englischen nicht.«
»Da wir gerade bei dem großen deutschen Poeten sind,« äußerte der immer gut aufgelegte Wirt, »wollen wir seiner in diesem Traubensafte vom Rhein gedenken,« und er präsentierte seinen Gästen gefüllte Römer mit dem deutschen Wein.
Das Gespräch nahm eine andre Wendung, bald ward die Tafel