Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich
war aber in dieser Zeit gerade besonders empfänglich für die Erinnerung solcher Anekdoten, und der alte Schäfer deshalb gerade jetzt eine zu wichtige Persönlichkeit, um lange unbeachtet und vergessen in seiner dunkeln Zelle zu liegen. Wie er hieß und wem er verschuldet sei, ließ sich sehr leicht herausbekommen, und eines Abends, kurz vor Sonnenuntergang, kam der Schließer in seine Zelle und sagte:
„Na, Smith - 's ist vornehmer Besuch draußen, der Dich sprechen will; zieh Deinen Frack an, daß Du die Herren ordentlich und anständig empfangen kannst."
„Ja - wäre mir gerad' so," grinste der Alte vor sich hin - „wer mich sprechen will, kann in Hemdsärmeln kommen. Ich bin nicht stolz, und was die „Swells" betrifft, so mögen sie zum Teufel gehen, so rasch es sie freut. Verdammt wenig Gutes, was die einem armen Teufel bringen, wenn sie sich einmal mit ihm einlassen."
„Ob's nicht von wegen des Goldes ist," meinte der Schließer, der seinen gegründeten Verdacht hatte. Der Alte gab aber keine Antwort mehr, und es dauerte nicht lange, so öffnete sich die Thür wieder und zwei „Swells", wie sie Smith richtig vorhergesehen, in moderner Tuchkleidung, mit Cylinderhüten auf und glanzledernen Stiefeln, kamen herein und sahen sich vergebens nach ein paar Stühlen um, auf denen sie sich hätten niederlassen können.
„Guten Abend, Smith," sagte der Eine.
„Guten Abend," lautete die lakonische Antwort, und der Alte, der, beide Ellbogen auf seine Kniee gestützt, auf seiner Pritsche saß und mürrisch vor sich nieder schaute, veränderte seine Stellung nicht um eines Zolles Breite und sah nur finster durch die buschigen Augenbrauen nach den beiden Fremden hinaus. Diese schienen sich aber aus dem unfreundlichen Empfang nicht viel zu machen, oder kannten auch vielleicht schon das Wesen derartiger Gesellen, die cordial sind, wo sie einem schmutzigen, zerrissenen Kittel begegnen, sich aber scheu wie eine Schnecke in ihr Haus vor reiner Wäsche zurückziehen. Der /46/ Eine von ihnen nahm deshalb gleich die Unterhaltung wieder auf und sagte ohne weitere Umstände:
„Seid Ihr der Smith, der lange oben in den Bergen bei Bathurst gelebt hat und eine Zeit lang auch einmal Schäfer bei Mr. Wentwirth war?"
„Und wenn ich's wäre?" brummte Smith.
„Dann seid Ihr es auch, der schon da oben - ehe sie es jetzt wieder entdeckt haben, Gold gefunden hat."
Smith hielt nicht für nöthig, auf diese nur theilweise als Frage gestellte Bemerkung etwas zu erwidern, und klopfte langsam mit dem einen Fuß den Boden.
„Damit kommen wir nicht zum Ziel," sagte aber jetzt der Andere, „und wir versäumen nur die schöne Zeit - Mr. Smith, wir haben Ihnen einen Vorschlag zu machen."
„Mister?" sagte Smith lakonisch.
„Oder Mate (Kamerad), wenn Euch das besser gefällt."
„Es klingt jedenfalls natürlicher -"
„Gut also, Mate, wir sind hierher gekommen, um Euch einen Vorschlag zu machen, und Ihr könnt dazu Ja oder Nein sagen, wie es Euch gerade paßt. Seid Ihr das zufrieden?"
„Läßt sich nichts dagegen einwenden," brummte der Gefangene, und ein eigenes verschmitztes Lächeln zuckte, aber auch nur für einen Moment, um seine Lippen.
„Gut - wir Beide sind entschlossen, in die Minen zu gehen und Gold zu graben. Wir haben aber das Vertrauen zu Euch, daß Ihr solche Stellen kennt, an denen wir nicht lange zu suchen brauchen. Wir wollen deshalb Eure Schulden bezahlen und Euch, vollkommen frei in Essen und Trinken, mit hinauf nehmen in die Berge. Dafür sollt Ihr weiter nichts thun, als Euch contractlich verbindlich machen, einen Monat mit uns zu arbeiten, mit vollkommen gleichem Antheil an dem Gewinn; nur mit dem Versprechen, daß Ihr in diesen vier Wochen keinem andern Menschen Euer Geheimniß verrathet, wie es ja auch Euer eigener Nutzen mit sich bringt. Seid Ihr das zufrieden?"
„Grub (Lebensmittel) frei?" sagte der Alte.
„Alles."
„Und Brandy?" /47/
„Mit inbegriffen."
„Und gleichen Antheil?"
„Wie ich gesagt habe."
Der Alte schwieg wieder eine Weile und klopfte stärker mit dem Fuß auf den Boden, und die beiden Fremden schwiegen ebenfalls, denn sie wollten ihm Zeit zum Ueberlegen lassen. Endlich sagte er:
„Topp! und wann kann die Reise fortgehen?"
„Morgen früh; wir haben schon Alles bereit, und bis um zehn Uhr Morgens, denn heut Abend ist es zu spät, können wir Euch Eure Entlassung bringen. Einen warmen Anzug und ein paar wollene Decken für Euch findet Ihr bei uns im Haus, und um zwölf Uhr können wir schon unterwegs sein."
„Gut - bei Gott!" schrie der Alte, der jetzt anfing warm zu werden, „dann hört wenigstens hier einmal das Hundeleben auf."
„Und es bleibt dabei?"
„Ich habe Topp gesagt, das gilt allemal."
„Schön," sagte der, der zuerst gesprochen, „dann habe ich hier als Handgeld gleich eine Flasche Brandy mitgebracht, an der Ihr Euch heut Abend eine Güte thun könnt."
„Das war das gescheidteste Wort, was Ihr bis jetzt gesprochen habt," rief der Alte und langte gierig nach der Flasche. „Donnerwetter, habe den guten Stoff lange genug entbehren müssen und -" er hatte den Stöpsel schon abgezogen, hob die Flasche an den Mund und that einen langen, langen Zug - „hui! das schmeckt," stöhnte er endlich, als er absetzen mußte, um Athem zu holen - „und jetzt sehe ich auch, daß es Euch Ernst mit der Sache ist."
„Also Ihr seid morgen früh gerüstet?"
Der Alte antwortete nicht gleich, denn er hatte die Flasche schon wieder am Mund. Als er aber zum zweiten Mal absetzte, stellte er sie neben sich, wischte sich den Mund mit dem Rockärmel und sagte:
„Verdammt wenig Umstände, die ich hier zu machen habe. Richtet Ihr die Sache nur draußen ein, daß morgen früh nicht noch ein Schloß aus Versehen zu ist, wenn ich hinaus will; bei mir selber braucht's nachher nicht mehr, als vielleicht ein freundliches „Hol' Dich der Teufel" für den Schließer." /48/
Die Sache war in der That abgemacht. Die beiden Fremden reichten dem alten Schäfer zum Abschied, und vielleicht auch zum Abschluß ihres Bündnisses, bekräftigend die Hand - und dieser, durch den Brandy außerordentlich cordial gestimmt, schüttelte sie aus Leibeskräften - und verließen dann den Gefangenen, um ihn die letzte Nacht auf seiner harten Pritsche verträumen zu lassen.
Am nächsten Morgen kamen sie aber lange nicht so rasch fort, als sie vermuthet haben mochten. Die beiden Goldgräber in spe nämlich, ein paar junge Kaufleute aus Sidney, hatten auch noch, um ganz sicher zu gehen, Zachäus mit seiner neuerfundenen Waschmaschine engagirt, und wenn auch der alte Smith um elf Uhr auf freien Füßen war und in einem neuen warmen Anzug - er sah ordentlich anständig darin aus - gerüstet neben dem schon fertig geladenen Karren stand, hatte Zachäus selber doch noch eine solche Masse von Vorbereitungen zu treffen, und eine solche Quantität von höchst nöthigen Dingen vergessen, daß er die beiden Engländer - Smith selber nahm es außerordentlich kaltblütig auf - beinahe zur Verzweiflung brachte. Es wurde in der That vier Uhr Nachmittags, ehe sich der Zug in Bewegung setzen konnte, und selbst dann mußte Zachäus noch einmal von der ersten Ecke zurücklaufen, weil er seinen Schlüssel abzuziehen vergessen hatte.
Auch dieser war endlich geholt, und der mit einem festen Leinwandzelt überdeckte Karren schloß sich jetzt einer Anzahl ähnlicher an, welche die Georgestreet langsam hinaufrollten, ihrem goldenen Ziel, den Minen, entgegen.
An dem Abend vorher war ein von den Sandwichsinseln kommendes Schiff gelandet, das einen einzelnen Passagier mit von dort herüberbrachte, einen jungen deutschen Baron von Hafften, der sich schon eine Zeit lang in den californischen Minen herumgetrieben und überhaupt seit mehreren Jahren in den Vereinigten Staaten, den Felsengebirgen und endlich den californischen Golderzen ein an Abenteuern ziemlich reiches, jedenfalls ziemlich wildes Leben geführt hatte.
Dieser hörte nun, kaum an's Land gestiegen, von den neuentdeckten