Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich
an dem ganzen Wasserlauf gewesen, jetzt standen schon einige fünfzig Zelte, und nicht zehn Schritt weit von einander wühlten sich die verschiedenen Compagnien und Partien in den Lehmboden.
Und was für brillante Geschäfte die Verkaufszelte machten, wie die Händler - eine Menge deutscher Juden zwischen ihnen - ihre Waarenballen auspackten und legten, und dabei zugleich - immer nur für Goldstaub statt klingender Münze - so lustig verkauften!
Auch hierbei zeigte sich mit Californien ein gewaltiger Unterschied, und das Menschengeschlecht schien hier schlauer und gieriger als dort. In Californien nämlich wurde alles Gold für vollen Werth und voll Gewicht genommen, ob es Quarzstücke enthielt oder nicht, ja einzelne sehr hübsch mit Quarz durchwachsene, sogenannte specimans, wohl noch theurer als ihr Gewicht verkauft. Hier in Australien war das nicht der Fall. Die meisten Händler brachten sich schon einen kleinen Ambos mit in die-Minen, oder wo sie den nicht hatten, versah dessen Stelle ein großer Stein. Aber auf diesem wurde auch jedes Stück, das nur die unbedeutendste Quarzspur zeigte, erbarmungslos geklopft und gehämmert, bis alles Unedle hinaus und damit auch eine Menge von Goldsplittern mit fortgespritzt war. Dann erst legte es der Händler auf die Wage.
Und zwischen all den arbeitenden, thätigen Menschen ritt, oft allein, oft von einem Polizeisoldaten begleitet, der Kommissär, der den Preis für die auszugebende „License" einzu- kassiren hatte. Langsam suchte er das ganze Flußufer ab, bald an dieser, bald an jener Seite, und Mann für Mann /88/ mußte seine dreißig Shilling bezahlen und bekam dafür von ihm einen gewissen, meist nur sehr beschränkten Raum garantirt, auf dem er dann ungehindert arbeiten konnte. Offene Widersetzlichkeit fand auch nirgends gegen ihn statt, und Mr. Green, wie der Commissär hieß, erfüllte seine Pflicht mit so vielem Tact und, wo es Noth that, auch mit Energie, daß er sich immer freundlich mit den Minern stellte.
So wenig Mannschaft er aber auch selber zu gebrauchen schien, so allmälig wurde die Polizeitruppe doch da oben verstärkt, denn eines Theils war Alles noch zu neu, um gleich von vornherein zu wissen, wie sich eine Masse dort zusammengeströmter früherer Sträflinge, der Verführung des Goldes gegenüber, benehmen würde, und dann bedurfte man auch einer Anzahl von Polizeisoldaten, um die Gouvernementskasse und das Postzelt zu überwachen, wie ebenso die abgehenden Sendungen, ja selbst den Postwagen nach Sidney zu begleiten. Der letzte Ueberfall war zu frech und glücklich ausgeführt worden, und die Verführung wurde jetzt, wo eine Anzahl von Händlern stets ziemliche Summen an Waschgold der Hauptstadt zutrugen, natürlich mit jedem Tage stärker.
Außerdem hatte aber auch die Regierung angezeigt, daß sie, für gewisse Procente, die Garantie für Goldsendungen nach Sidney übernähme, und eine solche Escorte sollte nächstens nach der Hauptstadt zurückgehen. Natürlich mußte sie gerade besonders stark überwacht werden, denn bei einem solchen Goldtransport wäre die Lockung für all' jene wilden, in den Minen zerstreuten Charaktere doch sonst ein wenig zu stark gewesen. Eine Anzahl Bewaffneter aber brauchte nicht zu fürchten, daß man ihr die Spitze bieten würde.
Dadurch war eine gewisse Sicherheit in die Minen gekommen, mochten sie so entfernt von dem gewöhnlichen Verkehr liegen wie sie wollten, und jene lockeren Charaktere, deren es freilich genug und übergenug in den Bergen gab, getrauten sich noch nicht mit ihrem alten Handwerk heraus, oder waren auch vielleicht selber im Anfang neugierig, was für Glück sie bei ehrlichem Goldwäschen haben würden - den Versuch schien es immer werth. Thatsache ist, daß gerade in der ersten Zeit und in den ersten Wochen in all' den Bergen kein einziger /89/ Raubanfall oder selbst nur Diebstahl zu den Ohren der Polizei kam und verfolgt werden mußte. Es schien fast, als ob die „australischen Convicts" den Yankees da drüben in Californien beweisen wollten, daß sie den Namen keineswegs verdienten, den ihnen diese gegeben, und unter dem sich die Amerikaner auch die Freiheit genommen hatten, eine Anzahl Australier aufzuhängen.
9.
Die „English Bottom"-Station.
Vollkommen unberührt fast von dem bewegten Treiben um sie her, lag indessen Mr. Sutton's Station, denn die Schenke am Wege hatte sich, wie der endlose Zug der Miner in die Berge begann, rasch in einen kleinen Kram- und Provisionsladen verwandelt, in dem die Wanderer Alles, was sie auf dem Wege brauchten, bekommen konnten, und diese waren in viel zu großer Eile, um einen Abstecher nach einem abseits gelegenen Punkt zu machen.
Allerdings hatte Mr. Sutton ebenfalls mit der allgemeinen Noth zu kämpfen, was seine Leute nämlich betraf, denn von diesen ging ihm natürlich ein großer Theil durch und in die Minen, trotzdem daß sie gerade an diesem Platz vielleicht besser behandelt und genährt wurden, als auf irgend einer Stelle des weiten Landes. Aber die Leute konnten einmal der unausgesetzten Versuchung, da oben in kurzer Zeit reich zu werden, nicht widerstehen, und Mr. Sutton, der darauf gefaßt gewesen, schränkte sich soviel das angehen wollte ein, und verkaufte besonders an Schlachtvieh, was er irgend verkaufen konnte, um der Ueberwachung desselben vor der Hand enthoben zu sein. War der erste Rausch verflogen, so wußte er recht gut, daß er, wenn nicht seine eigenen, doch Leute genug zurückbekam, /90/ die bis dahin liegen gebliebenen Arbeiten wieder mit dem alten Ernst und Eifer aufzunehmen.
Dem Verwundeten, der sich jetzt außer aller Gefahr befand und nur noch der Ruhe bedurfte, um in einigen Wochen wieder vollkommen hergestellt zu sein, fehlte es deshalb nicht an der nöthigen Pflege, denn seine Mutter und Schwester wachten abwechselnd an seinem Lager, und die Familie selber war oft Stunden lang bei ihm drüben, um ihm die langsam dahin schwindende Zeit vertreiben zu helfen.
Die aber, die ihn gerade bis jetzt mit der aufopferndsten Sorgfalt und Freundlichkeit, unermüdet in ihren übernommenen Pflichten, gepflegt und über ihn gewacht hatte - Gertrud - ließ sich, als seine Mutter eingetroffen war und der Arzt jede Gefahr für beseitigt erklärt hatte, nicht mehr bei ihm sehen.
Sie duldete allerdings nicht, daß ihm etwas fehle, sie bereitete wie früher seinen Trank, sie kochte für ihn wie früher selber die vorgeschriebene Suppe, aber andere Hände als die ihrigen
trugen die Labung an sein Lager, und es war ordentlich, als ob sie es ängstlich vermied, in seine Nähe zu kommen.
Und doch suchte sie der Kranke, und nie öffnete sich die Thür, ohne daß nicht sein Blick rasch dorthin geflogen wäre, immer in der Erwartung, die Langvermißte endlich wieder zu sehen - aber immer und immer wieder getäuscht.
Sein Vater kam endlich, um Mutter und Tochter wieder abzuholen, denn er wollte nicht, daß sie der Sutton'schen Familie so lange zur Last lägen, wenn auch Mr. und Mrs. Sutton selber gegen ihre Abreise protestirten. Ueber Charles' Befinden konnten sie außer Sorge sein, denn wenn ihn der Arzt auch jetzt noch nicht transportirt haben wollte, gab er ihnen doch das feste Versprechen, daß er in spätens acht oder zehn Tagen mit einem bequemen Wagen recht gut nach Sidney geschafft werden könnte. Damit mußten sie sich begnügen, und am andern Morgen nach dem Frühstück kehrten Pitts nach Sidney zurück und überließen den Sohn noch für eine andere Woche der Gastfreundschaft dieser guten Menschen.
Charles konnte aber jetzt schon ganz als Reconvalescent betrachtet und seine Wartung einem jungen Burschen überlassen werden, den Mr. Sutton einst als Waise in sein Haus ge/91/nommen und aufgezogen hatte. Ueber Tag war er meistentheils mit im Familienzimmer, und Mrs. Sutton wie Rebekka, die den jungen Menschen lange seines stillen freundlichen Wesens wegen lieb gewonnen hatten, suchten dann Alles hervor, ihm die Zeit so angenehm als möglich zu vertreiben. Rebekka besonders saß oft Stunden lang bei ihm und las ihm vor, und er lehnte dann neben ihr in dem bequemen Polsterstuhl und schaute träumend auf die fernen Berge hinaus, in denen das gierige Menschenvolk nach Gold wühlte.
Gertrud hatte er seit der Zeit schon oft wieder gesehen, aber immer nur bei Tisch, in Gegenwart der Familie; selbst Abends kam sie nie herüber, sondern blieb immer auf ihrer eigenen Stube, wo sie auch mit den Wirthschaftsbüchern viel beschäftigt war.
So vergingen wieder fünf Tage, und die Sutton'sche Familie hatte eine Einladung nach einer andern Station bekommen, wo die Hochzeit der Tochter mit einem jungen Engländer gefeiert werden sollte. Charles war indessen so weit genesen, daß Mrs. Sutton sogar den Vorschlag gemacht hatte, ihn mitzunehmen, denn sie hatten kaum eine halbe Stunde zu fahren. Mr. Sutton litt das aber nicht; eine solche Anstrengung konnte üble Folgen haben, und da seine Rückkehr nach Sidney für die nächsten