Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
Allgemein war die Freude, als die Begnadigung des Kronprinzen bekannt ward; die große Furcht, die man längere Zeit für sein Schicksal gehegt, hatte ihn dem Volke nur noch weiter gemacht, als er es bereits früher war. Die österreichische Partei sorgte indes nach Kräften dafür, dem kaiserlichen Hofe das Verdienst der Begnadigung zuzuschreiben. Auch wusste der kaiserliche Gesandte, Graf Seckendorf, den König ohne sonderliche Mühe dahin zu bewegen, dass er in seiner Antwort auf des Kaisers Verwendungsschreiben es geradezu aussprach, dass der Kronprinz seine Begnadigung nur dem Kaiser zu verdanken habe und dass er nur wünsche, der Kronprinz möge sich für eine so liebevolle Verwendung stets dankbar erweisen. Zugleich wurde Friedrich selbst zu einem Dankschreiben an den Kaiser veranlasst, worin er dieselben Ansichten aussprechen musste. Auch war es Seckendorf, auf dessen Rat der König dem Kronprinzen jenen Eid hatte abnehmen und die Beschäftigung desselben in Küstrin für die nächste Zukunft bestimmen lassen. In dem öffentlichen Rundschreiben jedoch, welches der König den verschiedenen Höfen über die Begnadigung des Kronprinzen mitteilte, führte er als den Grund der letzteren nur die eigene königliche Gnade und väterliche Milde an.
Dem Kronprinzen war in Küstrin ein eigenes Haus zur Wohnung eingerichtet, eine kleine Dienerschaft und ein, freilich beschränktes, Einkommen zugewiesen worden; mit letzterem musste möglichst sparsam gewirtschaftet und regelmäßig Rechnung abgelegt werden. An den Sitzungen der neumärkischen Kammer, in welcher er am 21. November zum ersten Male erschien und durch ein Gratulationsgedicht von Seiten der Kammerkanzlei bewillkommnet wurde, nahm er als jüngster Kriegs- und Domainenrat teil, ohne dass ihm jedoch bei den Abstimmungen ein Votum zukam. In den einzelnen Teilen seines neuen Berufes, in den Finanz- und Polizei-Angelegenheiten, ebenso in der Landwirtschaft und Verwaltung der Domänen, erhielt er besonderen theoretischen Unterricht. Im Übrigen blieb seine Lage noch sehr beschränkt; er durfte die Stadt nicht verlassen; Lektüre, namentlich französischer Bücher, und selbst musikalische Beschäftigung blieb ihm untersagt.
Doch war der Präsident von Münchow bemüht, ihm den Aufenthalt in Küstrin möglichst angenehm zu machen; auch fehlte es nicht an anmutigen geselligen Beziehungen, die dem Kronprinzen die ursprüngliche Heiterkeit und Unbefangenheit seines Gemütes wiedergaben. So hatte unter anderen die verwitwete Landrätin von Manteuffel, eine geborene von Münchow, durch geistreichen Verkehr seine Zuneigung erworben. Als sie, noch vor Ende des Jahres, im Begriff war, eine Reise auf ihre Güter zu machen, sandte er ihr, sein eigenes Los schon parodierend, eine eigene scherzhafte Kabinettsorder zu, in welcher er aufs Feierlichste gegen ihre beabsichtigte Desertion protestierte und einem so strafbaren Unternehmen sein allerhöchstes Missfallen bezeigte. Das Verbot gegen die Lektüre hatte man schon in dem engen Gefängnisse zu umgehen gewusst. Noch weniger ernstlich scheint auf das Verbot in Bezug auf die Musik bestanden worden zu sein, indem Friedrich sich von dem Generalmajor von Schwerin den Hautboisten Fredersdorf, einen vorzüglichen Flötenbläser zur Unterstützung in seinen musikalischen Beschäftigungen erbitten durfte. Er hatte diesen schon früher kennen gelernt, als er einst durch Frankfurt reiste und die Studenten ihm eine Abendmusik brachten, wobei Fredersdorf sich durch sein Flötenspiel auszeichnete. Später machte ihn Friedrich zu seinem geheimen Kämmerer, und Fredersdorf ist ihm bis an sein Ende wert geblieben.
Der Kronprinz hatte sich geschmeichelt, dass seine unbedingte und aufrichtig gemeinte Unterwerfung unter den Willen des Königs ihm auch in der Tat das Herz des Vaters zurückführen werde. Noch aber war der König keineswegs von allem Misstrauen gegen den Sohn befreit; noch argwöhnte er fort und fort, dass die notgedrungene Unterwerfung desselben nur Verstellung und dass des Sohnes Herz zur Liebe gegen ihn nicht fähig sei. Als nun der Winter verging und der Prinz noch durch kein Zeichen unmittelbarer, persönlicher Teilnahme des Vaters erfreut war, als er jener Unterrichts-Gegenstände, die ihm vorgetragen wurden, sich mit einer Gewandtheit des Geistes bemächtigt hatte, die seine Lehrer in Erstaunen setzte, und doch der Kreis seiner Wirksamkeit so beschränkt blieb wie bisher, da drohte ein neuer Unmut in ihm Wurzel zu schlagen. Schon sann er auf neue Mittel, wie er sich – zwar nicht ohne Wissen und Teilnahme des Königs – aus seiner drückenden Lage befreien könne. Er glaubte, dass jene englische Heirat noch immer an dem Misstrauen des Königs Schuld sei; er erklärte also in einer vertraulichen Mitteilung an den General Grumbkow, dass er die Gedanken daran vollständig aufgegeben habe, dass er vielmehr sich bereitwillig der Absicht des Königs fügen werde, wenn dieser, wie man sage, eine Vermählung zwischen ihm und der ältesten Tochter des Kaisers zustande zu bringen gedenke. Er bemühte sich, die leichte Ausführbarkeit eines solchen Planes zu entwickeln, vorausgesetzt, dass er nicht seine Religion zu verändern brauche, und er erklärte sich hierbei auch zu der Bedingung bereit, das Recht auf die preußische Thronfolge seinem Bruder zu überlassen, indem die österreichischen Besitzungen, in Ermangelung männlicher Erben, auf die älteste Tochter des Kaisers übergehen mussten. Grumbkow vermutete indes, dass der Kronprinz diesen Plan nur entworfen habe, um dadurch überhaupt von den Gesinnungen des Königs unterrichtet zu werden; er entwickelte dem Prinzen die ganze Unausführbarkeit, und von der Sache wurde nicht weiter gesprochen.
Doch ließ es sich Grumbkow im Interesse der österreichischen Partei angelegen sein, eine wirkliche Versöhnung zwischen Vater und Sohn herbeizuführen. Der erste nähere Beweis der väterlichen Gnade war die Übersendung geistlicher Bücher und eines ermahnenden Briefes, welche im Mai erfolgte. Aber es währte noch ein paar Monate, ehe der König sich entschließen konnte, den Kronprinzen wiederzusehen. Endlich, am 15 August 1731, kam er bei Gelegenheit einer größeren Reise zum Besuche nach Küstrin. Er trat im Gouvernementshause ab und ließ den Kronprinzen aus seiner Wohnung zu sich berufen. Das Äußere des Sohnes hatte sich in dem verflossenen Jahre so verändert, dass schon der bloße Anblick dem Könige günstige Gesinnungen einflößen musste; die französische Leichtfertigkeit seines Benehmens war verschwunden und männlicher Ernst an deren Stelle getreten. Sowie der König den Kronprinzen erblickte, fiel ihm dieser zu Füßen. Der König ließ ihn aufstehen und stellte ihm nun in einer nachdrücklichen Rede noch einmal seine Vergehungen vor; er sagte ihm, wie ihn nichts so empfindlich berührt habe, als dass der Kronprinz kein Vertrauen zu ihm gehabt, da doch alles, was er zum Besten seines Hauses und seines Staates getan, nur für ihn geschehen sei; er habe nichts als die Freundschaft des Kronprinzen gewünscht. Der Letztere benahm sich bei dieser Rede und bei den Fragen, die der König an ihn über die Geschichte seiner Flucht Tat, und die er mit Aufrichtigkeit beantwortete, so zur Zufriedenheit des Vaters, dass ihm dieser alles Geschehene liebevoll vergab. Als der König endlich im Begriff war, die Reise fortzusetzen, und der Kronprinz ihn an den Wagen begleitete, umarmte er ihn vor allem Volk und versicherte ihm, dass er jetzt nicht mehr an seiner Treue zweifle, vielmehr weiter für sein Bestes sorgen wolle. Friedrich war von lebhafter Freude bewegt, ebenso das ganze Volk, welches sich um das Gouvernementshaus versammelt und in banger Erwartung auf den Ausgang der Unterredung geharrt hatte. Der nächste Erfolg dieser Versöhnung war der, dass der Kronprinz eine größere Freiheit erhielt, als ihm bisher gestattet war, obschon der König keineswegs die Absicht hatte, sofort alles auf den alten Stand zu setzen. Vielmehr gedachte er, in weiser Rücksicht auf das wahre Wohl des Sohnes, diesen die Lehrzeit in Küstrin möglichst gründlich vollenden zu lassen. Er musste den Sitzungen der Kammer nach wie vor beiwohnen, doch so, dass er neben dem Präsidenten zu sitzen kam, mit diesem zugleich unterschrieb und in allen Angelegenheiten sein Votum mit abgab. Zugleich sollte er die königlichen Domänen in der Umgegend Küstrins, in Gesellschaft eines erfahrenen Rates, bereisen und sich praktisch in den Dingen üben, die er bisher nur theoretisch erlernt. Ebenso ward für seine häusliche Bequemlichkeit gesorgt, er ward mit reicherer Garderobe versehen und erhielt eine Equipage zu seiner Verfügung.
Mit großem Eifer ergab sich der Kronprinz seinem erweiterten Berufe. Bei seinen Reisen nach den Ämtern ließ er es sich angelegen sein, sich über alle Einzelheiten der ökonomischen Verwaltung zu unterrichten; er gab dem Könige über alles Rechenschaft und bemühte sich, Vorschläge zu Verbesserungen und zur Vermehrung des Ertrages, wie sie ihm zweckmäßig schienen, vorzulegen. So trug er z. B. darauf an, dass aus dem einen Amte eine wüste Stelle urbar gemacht und ein Vorwerk darauf angelegt werden möchte, worüber er den detaillierten Anschlag einsandte; dass auf einem anderen Amte die verfallenen Wirtschafts-Gebäude in einer zweckmäßigeren Verbindung neu gebaut würden; dass auf einem dritten ein großer Bruch, der zum Wildstande unbenutzbar war, geräumt und für wirtschaftliche Benutzung gewonnen würde usw. Der König ging