Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
von dem Donner des feindlichen Geschützes begleiten hörte.
Eugen fand an dem jugendlichen Kronprinzen ein lebhaftes Wohlgefallen; sein Geist, sein Scharfsinn, sein männliches Betragen überraschten ihn und zogen ihn an. Zwei Tage nach Friedrichs Ankunft machte er ihm in Gesellschaft des Herzogs von Württemberg einen Gegenbesuch und verweilte geraume Zeit in seinem Zelte. Als beide Gäste sich entfernten, ging Eugen zufällig voran, ihm folgte der Herzog von Württemberg. Friedrich, der den Letzteren schon von früherer Zeit her kannte, umarmte diesen und küsste ihn. Schnell wandte sich Eugen um und fragte: „Wollen denn Ew. Königliche Hoheit meine alten Backen nicht auch küssen?“ Mit herzlicher Freude erfüllte Friedrich die Bitte des Feldherrn.
Prinz Eugen bewies dem Kronprinzen seine Zuneigung auch dadurch, dass er ihm ein Geschenk von vier ausgesuchten, großen und schön gewachsenen Rekruten machte. Zu jedem Kriegsrate ward Friedrich zugezogen. Dieser aber war bemüht, sich solcher Zuneigung durch eifrige Teilnahme an allen kriegerischen Angelegenheiten würdig zu machen. Er teilte die Beschwerden des Feldlagers und unterrichtete sich sorgfältig über die Behandlung der Soldaten im Felde. Täglich beritt er, so lange die Belagerung anhielt, die Linien, und wo nur etwas von Bedeutung vorfiel, fehlte er nie. Von kriegerischer Unerschrockenheit gab er schon jetzt eine seltene Probe. Er war nämlich einst mit ziemlich großem Gefolge ausgeritten, die Linien von Philippsburg zu besichtigen. Als er durch ein sehr lichtes Gehölz zurückkehrte, begleitete ihn das feindliche Geschütz ohne Aufhören, so dass mehrere Bäume zu seinen Seiten zertrümmert wurden; doch behielt sein Pferd den ruhigen Schritt bei, und selbst seine Hand, die den Zügel hielt, verriet nicht die mindeste ungewöhnliche Bewegung. Man bemerkte vielmehr, dass er ruhig in seinem Gespräche mit den Generalen, die neben ihm ritten, fortfuhr, und man bewunderte seine Haltung in einer Gefahr, mit welcher sich vertraut zu machen er bisher noch keine Gelegenheit gehabt hatte.
So konnte denn Prinz Eugen, als Friedrich Wilhelm im Feldlager eintraf, das günstigste über den Kronprinzen ablegten; er versicherte dem König, dass der Prinz in Zukunft einer der größten Feldherren werden müsse. Ein solches Lob, und aus dem Munde eines so ausgezeichneten Heerführers, bereitete dem Könige die größte Freude; er äußerte, wie ihm dies umso lieber sei, als er immer daran gezweifelt, dass sein Sohn Neigung zum Soldatenstande habe. Fortan betrachtete er den Letzteren mit immer günstigeren Augen.
Wie tief der Eindruck war, den die Erscheinung des gefeierten Helden auf Friedrich hervorbrachte, wie lebhaft dieselbe seinen Geist zur Nacheiferung anreizte, bezeugt ein Gedicht, das er im Lager geschrieben hat, das früheste unter denen, die sich aus seiner Jugendzeit erhalten haben. Spricht sich hierin sein Gefühl auch in jener rhetorischen Umhüllung aus, welche die ganze französische Poesie seiner Zeit, nach der er sich bildete, charakterisiert, so ist es doch der zu Grunde liegenden Gesinnung wegen merkwürdig genug. Es ist eine Ode an den Ruhm, den er als den Urheber alles Großen, was durch das Schwert und durch die Kunst des Wortes hervorgerufen wurde, hinstellt. Er führt die Beispiele der Geschichte an, hebt unter diesen besonders die Taten Eugens hervor und schließt mit seiner eigenen Zukunft. Die bedeutungsvolle Schlussstrophe dürfte sich etwa mit folgenden Worten – denn das Gedicht ist, wie alle Schriften Friedrichs, französisch – übersetzen lassen:
O Ruhm, dem ich zum Opfer weihe
der Freuden hold erblühten Kranz:
O Ruhm, dein bin ich! So verleihe
du meinem Leben hellen Glanz!
Und dräuen mir des Todes Scharen,
du kannst noch einen Strahl bewahren
des Geistes, welcher glüht in mir;
schließ' auf das Tor mit deinen Händen,
auf deinen Pfad mich hinzuwenden: –
Dir leb' ich und ich sterbe dir! –
Weniger bedeutend ist ein zweites Gedicht aus derselben Zeit, in welchem Friedrich die Gräuel des Krieges zu schildern sucht und mit innerer Genugtuung hinzufügt, dass er sich hierbei sein zarteres Gefühl erhalten habe.
Indes war dieser Feldzug wenig geeignet, den Teilnehmern an demselben einen Ruhm, wie ihn Friedrich wünschte, zu gewähren. Die österreichischen Regimenter waren schlecht diszipliniert und bildeten einen sehr ausfallenden Gegensatz gegen die vortreffliche Beschaffenheit, der an Zahl freilich geringeren, preußischen Truppen. Friedrich selbst war, als er nach der Heimat zurückkehrte, mit Verachtung gegen die Prahlerei und das unkriegerische Benehmen der Österreicher erfüllt – ein Umstand, der gewiss auf seine späteren Pläne und Entschließungen gegen Österreich wesentlich eingewirkt hat. Eugen hatte das Feuer seiner Jugend verloren und wagte es nicht, den wohlerworbenen Ruhm noch einmal aufs Spiel zu setzen. So geschah es, dass man, statt die ungünstige Stellung der Franzosen mit rascher Entschlossenheit zu benutzen, in Ruhe zusah, wie Philippsburg von ihnen, schon am 18. Juli, eingenommen wurde. Damit war die Hoffnung auf große Taten verloren.
Die tatenlose Muße des Feldlagers zu vertreiben, geriet Friedrich einst mit einigen gleichgestimmten jungen Freunden auf die Ausführung eines sonderbaren Planes. Ihn dünkte nämlich der Schlaf eine große Beschränkung des Lebens zu sein; die Entbehrung desselben schien dem Leben einen doppelten Wert zu verheißen. Man wagte den Versuch, indem man dem guten Willen durch den Genuss starken Kaffees nachzuhelfen bemüht war. Vier Tage lang hatte man in solcher Weise ohne Schlaf zugebracht, als die Natur ihre Rechte forderte. Man schlief über Tische ein, Friedrich war in Gefahr krank zu werden, und man begnügte sich fortan mit dem einfachen Werte des Lebens.
Friedrich Wilhelm verließ das Heer, missvergnügt über die schlechten Erfolge, schon im August, wurde er aber unterwegs von einer gefährlichen Krankheit befallen und kehrte im September in einem sehr bedenklichen Zustande heim. Der Kronprinz hatte den Auftrag, die preußischen Truppen in die Winterquartiere zu führen; die Krankheit des Vaters trieb ihn zur Beschleunigung seines Geschäftes; und schon in der Mitte des Oktobers war auch er wieder bei den Seinen. Der König bewies ihm jetzt, indem er selbst den ganzen Winter hindurch das Zimmer und Bett hüten musste, das ehrenvolle Vertrauen, dass er ihn alle einlaufenden Sachen an seiner Statt unterzeichnen ließ. So drohend die Krankheit des Königs indes gewesen war, so genas er doch im nächsten Frühjahre wieder, wenn auch die Folgen des Nebels nicht mehr ausgerottet werden konnten. Im Juni 1735 beförderte er den Sohn, ihm aufs Neue sein Wohlwollen zu bezeugen, zum Generalmajor.
Österreich bewies sich indes gegen den König von Preußen wenig dankbar für die erwiesene Hilfe. Es machte stattdessen im Gegenteil noch Nachforderungen, die sich auf die Pflichten des Königs als Reichsstand gründeten. Auch forderte es, die redlichen Gesinnungen des Königs sehr verkennend, von ihm die Auslieferung des Stanislaus Lescinski, welcher sich, nachdem sein Unternehmen in Polen gescheitert war, auf preußischen Boden geflüchtet und hier auf den Befehl Friedrich Wilhelms, dem Stanislaus persönlich wert war, gastliche Aufnahme gefunden hatte. Beides verweigerte der König; ebenso wenig aber nahm er die verlockenden Anerbietungen Frankreichs an, das ihn, seine Freundschaft für Stanislaus ins Auge fassend, auf seine Seite zu ziehen strebte. Endlich ließ ihn der österreichische Hof, als er der preußischen Unterstützung entbehren zu können glaubte, ganz fallen. Man ging mit Frankreich in Friedens-Unterhandlungen ein, die dem Könige Stanislaus zur Entschädigung das zum deutschen Reiche gehörige Herzogtum Lothringen brachten, dessen Erledigung man nahe voraussah, das aber nach Stanislaus' Tode an Frankreich fallen sollte; der Herzog von Lothringen sollte statt dessen durch den Besitz von Toskana entschädigt werden. Dem Kaiser wurde dafür von Frankreich seine pragmatische Sanktion garantiert. Das deutsche Reich war mit einer so schmachvollen Beendigung des Krieges dankbarlichst zufrieden. An Friedrich Wilhelm war dabei gar nicht gedacht worden; man gab ihm nicht einmal von den Verhandlungen Nachricht; noch viel weniger war man bemüht, ihm irgendeinen Lohn für seine Aufopferungen zukommen zu lassen. Ja, man verletzte sogar die Gesetze der äußeren Schicklichkeit soweit, dass man ihm nicht einmal von der Vermählung der ältesten Tochter des Kaisers, Maria Theresia, mit dem Herzog von Lothringen, die im Anfange des Jahres 1736 erfolgte, Nachricht gab.
Maria Theresia
Nun war auch für Friedrich Wilhelm kein Grund mehr vorhanden,