Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler

Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des


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fängt an und die anderen folgen; selbst die fremden Damen sind nicht ausgeschlossen. Der ganze Hof versammelt sich um den Kaffeetisch; man spricht, man scherzt, man macht ein Spiel, man geht umher, und diese Stunde ist eine der angenehmsten des Tages. Der Prinz und die Prinzessin trinken in ihrem Zimmer. Die Abende sind der Musik gewidmet. Der Prinz hält in seinem Salon Konzert, wozu man eingeladen sein muss. Eine solche Einladung ist immer eine besondere Gnadenbezeigung. Der Prinz spielt gewöhnlich die Flöte. Er behandelt das Instrument mit höchster Vollkommenheit; sein Ansatz, so wie seine Fingergeläufigkeit und sein Vortrag sind einzig. Er hat mehrere Sonaten selbst gesetzt. Ich habe öfters die Ehre gehabt, wenn er die Flöte blies, hinter ihm zu stehen, und wurde besonders von seinem Adagio bezaubert. Doch Friedrich ist in allem ausgezeichnet. Er tanzt schön mit Leichtigkeit und Grazie und ist ein Freund jedes anständigen Vergnügens, mit Ausnahme der Jagd, die in seinen Augen geist- und zeittötend und, wie er sagt, nicht viel nützlicher ist, als das Ausfegen eines Kamins.“

      Dann spricht der Verfasser mit hoher Begeisterung von der Schönheit, der liebenswürdigen Anmut, der zarten Milde der Kronprinzessin. – „Wir hatten (so heißt es weiter) kürzlich einen allerliebsten Ball. Der Prinz, der gewöhnlich Uniform trägt, erschien in einem seladongrünen seidenen Kleide, mit breiten silbernen Brandenbourgs und Quasten besetzt. Die Weste war von Silbermoor und reich gestickt. Alle Kavaliere seines Gefolges waren ähnlich, doch weniger prächtig gekleidet. Alles war reich und festlich, doch erschien die Prinzessin allein als die Sonne dieses glänzenden Sternenhimmels. – Ich verlebe hier wahrhaft entzückende Tage. Eine königliche Tafel, ein Götterwein, eine himmlische Musik, köstliche Spaziergänge sowohl im Garten als im Walde, Wasserfahrten, Zauber der Künste und Wissenschaften, angenehme Unterhaltung: Alles vereinigt sich in diesem feenhaften Palaste, um das Leben zu verschönern.“

      Der Verfasser hat hierbei noch eines Vergnügens zu erwähnen vergessen, das die Freuden von Rheinsberg erhöhte und den Kronprinzen wiederum in einer neuen Gestalt zu zeigen geeignet war: der Aufführung von Komödien und Trauerspielen, deren Rollen von den Personen der Rheinsberger Gesellschaft besetzt wurden. So spielte Friedrich selbst u. a. in Racines Mithridat und in Voltaires Ödipus; in der Letzteren Tragödie begnügte er sich mit der Rolle des Philoktet. Auch fehlte es an mancherlei anderweitigen Maskeraden nicht.

      Noch in anderen Beziehungen wurde der poetische Hauch, der das Leben von Rheinsberg erfüllte, mit Absicht festgehalten. So erfreute man sich einer zur Sage gewordenen antiquarischen Behauptung, die schon vor mehr als hundert Jahren aufgestellt worden war, dass nämlich Rheinsberg eigentlich Remusberg heiße, weil Remus, der Mitgründer des römischen Staates, durch seinen Bruder Romulus vertrieben, hier ein neues Reich gestiftet habe und auf der Remusinsel, die sich aus dem benachbarten See erhebt, begraben worden sei. Alte, auf der Insel ausgegrabene Marmorsteine sollten in früherer Zeit den Anlass zu dieser Behauptung gegeben haben; kürzlich noch sollten italienische Mönche, durch eine neuentdeckte lateinische Handschrift dazu veranlasst, auf der Remusinsel nach der Asche des römischen Helden gegraben haben; viele Altertümer der Vorzeit, die in der Tat auf der Insel zum Vorschein kamen, schienen der Sache eine Art von Bestätigung zu geben, und so wagte man nicht, die klassische Bedeutung des schönen Asyls allzu kritisch anzugreifen. In den aus Rheinsberg geschriebenen Briefen jener Zeit wird daher auch gewöhnlich der Ort als „Remusberg“ bezeichnet. Die Freunde selbst wurden ebenfalls, teils im Scherze, teils auch im Ernst, mit besonderen Namen genannt, die das Ohr mit einem mehr poetischen Klange berührten als die Namen, die sie im gewöhnlichen Leben führten; so hieß z. B. Keyserling gewöhnlich Cäsarion, Jordan wurde Hephästion oder Tindal genannt, usw.

      Bedeutsamer noch zeigte sich das poetische Streben in der Stiftung eines eigenen Ritterordens, welcher mehrere verwandte und befreundete Prinzen, sowie die nächsten militärischen Freunde des Kronprinzen umfasste. Der Schutzpatron des Ordens war Bayard, der Held der französischen Geschichte; sein Sinnbild war ein auf einem Lorbeerkranze liegender Degen und führte als Umschrift den bekannten Wahlspruch Bayards: „Ohne Furcht und ohne Tadel!“ Der Großmeister des Ordens war Fouqué, der nachmals unter den Helden Friedrichs eine so bedeutende Stellung einnehmen sollte; er weihte die zwölf Ritter (denn nur so viele umfasste der Orden) durch Ritterschlag ein und empfing von ihnen die Gelübde des Ordens, die auf edle Tat überhaupt und insbesondere auf Vervollkommnung der Kriegsgeschichte und Heeresführung lauteten. Die Ritter trugen einen Ring, der die Gestalt eines rundgebogenen Schwertes hatte, mit der Inschrift: „Es lebe, wer sich nie ergibt.“ Sie führten besondere Bundesnamen: Fouqué hieß der Keusche, Friedrich der Beständige; der Herzog Wilhelm von Bevern hieß der Ritter vom goldenen Köcher. Den entfernten Gliedern des Ordens wurden Briefe im altfranzösischen Ritterstil geschrieben, und noch bis in den siebenjährigen Krieg hinein, ja noch später, finden sich Zeugnisse, dass man des Bundes in Freude gedachte und seine Formen, wie in den Zeiten unbefangener Jugend, mit Ernst beobachtete.

       Wohl derselbe poetische Anreiz, verbunden mit dem lebhaften Wissensdrange, der Friedrich zu jener Zeit erfüllte, bewog ihn, sich gleichzeitig auch in die Brüderschaft der Freimaurer aufnehmen zu lassen. Das geheimnisvolle Dunkel, in welches diese Gesellschaft sich hüllte und besonders in der Zeit eines noch immer gefahrdrohenden kirchlichen Eifers sich zu hüllen für doppelt nötig befand, die Klänge religiöser Duldung, einer freisinnigen Auffassung des Lebens, einer geläuterten Moral, die bedeutsam aus jenem Dunkel hervortönten, mussten dem jungen Prinzen, dessen Herz damals vor allem von dem Drange nach Wahrheit beseelt war, eine Hoffnung geben, hier, was er suchte, zu finden. Seine Aufnahme geschah im Jahre 1738, als er im Gefolge seines Vaters eine Reise nach dem Rhein machte. Hier äußerte sich einst der König in öffentlicher Gesellschaft sehr missfällig über die Freimaurerei; der Graf von der Lippe-Bückeburg aber, der ein Mitglied der Brüderschaft war, nahm dieselbe mit so beredter Freimütigkeit in Schutz, dass Friedrich ihn hernach insgeheim um die Aufnahme in eine Gesellschaft bat, welche so wahrheitsliebende Männer zu Mitgliedern zähle. Dem Wunsche des Kronprinzen zu genügen, wurde der Besuch, den man auf der Rückkehr in Braunschweig abstattete, zu der Vornahme der geheimnisvollen Handlung bestimmt, und Mitglieder der Brüderschaft aus Hamburg und Hannover samt dem benötigten Apparate ebendahin verschrieben. Die Aufnahme geschah zu nächtlicher Weile, da man des Königs wegen mit großer Vorsicht verfahren musste. Friedrich verlangte, dass man ihn ganz als einen Privatmann behandeln und keine der üblichen Zeremonien aus Rücksicht auf seinen Rang abändern sollte. So wurde er ganz in gehöriger Form aufgenommen. Man bewunderte dabei – wie uns berichtet wird – seine Unerschrockenheit, seine Ruhe, seine Feinheit und Gewandtheit ebenso, wie nach der eigentlichen Eröffnung der Loge den Geist und das Geschick, mit welchem er an den maurerischen Arbeiten teilnahm. Später wurden einige Mitglieder der Brüderschaft (unter ihnen der obengenannte Bielfeld) nach Rheinsberg eingeladen, mit welchen dort, freilich wiederum im größten Geheimnis, in den Arbeiten fortgefahren wurde.

      Bewegte sich solcher Gestalt das Leben in Rheinsberg in den verschiedensten Formen eines poetisch heiteren Genusses, suchte Friedrich denselben endlich noch durch mancherlei eigene dichterische Versuche zu erhöhen und festzuhalten, so barg sich doch zugleich unter dieser anmutvollen Hülle ein tiefer redlicher Ernst. Die Stunden, in welchen Friedrich nicht in der Gesellschaft zum Vorschein kam, – und diese umfassten bei weitem die größere Zeit des dortigen Aufenthalts – waren der vielseitigsten geistigen Tätigkeit gewidmet. Denn wie ihm früher seine wissenschaftlichen Interessen mannigfach verkümmert waren, so suchte er jetzt eine jede freie Minute zur Gewinnung des Versäumten anzuwenden, indem er nicht wissen konnte, wie bald der Tag, der eine andere Wirksamkeit von ihm erforderte, die Ruhe von Rheinsberg beenden möchte. Dabei besaß Friedrich ein seltenes Talent, nicht blos durch das Studium der geschriebenen Wissenschaft seinen Geist zu bereichern, sondern auch einen jeden bedeutenderen Menschen, der ihm entgegentrat, nach dessen Eigentümlichkeit zu fassen und, teils brieflich, teils mündlich, die Kenntnisse und die Erfahrungen desselben für das eigene Wissen zu gewinnen. So diente vornehmlich ein Briefwechsel mit Grumbkow dazu, ihn in das Einzelne der politischen Verhältnisse seiner Zeit und der Verwaltungsangelegenheiten des preußischen Staates einzuführen; so ließ er sich von dem alten Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und von anderen Kriegsführern in den Grundsätzen der Kriegskunst unterrichten; so verkehrte er, zu ähnlichen Zwecken, mit Ärzten und Naturforschern, mit Theologen, Philosophen u. dergl. m. Seine Lektüre war mannigfacher Art; einen sehr wichtigen Teil derselben bildeten die Schriftsteller, besonders die Geschichtschreiber


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