Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
ihn gelehrt, rüstig zu üben. Einst hatte ihm die Mutter erlaubt, diese Übung in ihrem Zimmer vorzunehmen; auch die Schwester war mit ihren Spielsachen dabei. Der Letzteren wurde das Trommeln des Bruders zu viel und sie bat ihn, lieber ihren Puppenwagen ziehen zu helfen oder mit ihren Blumen zu spielen. Aber sehr ernsthaft erwiderte der kleine Prinz, so gern er sonst jeder Bitte der Schwester nachgab: „Gut trommeln ist mir nützlicher als spielen und lieber als Blumen.“ Diese Äußerung schien der Mutter so wichtig, dass sie schleunig den König herbeirief, dem das selten geäußerte soldatische Talent des Knaben die größte Genugtuung gewährte. Dem Hofmaler musste die Szene, ohne dass die Kinder die Absicht merkten, noch einmal vorgespielt werden.
Der König war gern im Kreise seiner Familie; seine Zuneigung zu den Kindern zeigte sich häufig auch darin, dass er selbst an ihren Spielen teilnahm. Einst trat der alte General Forcade ungemeldet in das Zimmer des Königs, als dieser eben mit dem kleinen Prinzen Ball spielte. „Forcade“, sagte er zu ihm, „Er ist auch Vater; Er weiß: Väter müssen mit ihren Kindern zuweilen Kinder sein, müssen mit ihnen spielen und ihnen die Zeit vertreiben.“
Es ist schon bemerkt, dass die Königin ihren Wohltätigkeitssinn auf ihre Kinder überzutragen bestrebt war. Den Kronprinzen machte sie früh zu ihrem kleinen Almosenier. Die Hilfsbedürftigen, die sich vertrauensvoll an die bekannte Milde ihres Herzens gewandt hatten, ließ sie zu sich kommen, bezeugte ihnen ihr Mitleid, und die Betrübten wurden dann durch den kleinen Almosengeber mit Geschenken entlassen. Diese schöne Sitte war von den erfreulichsten Folgen auf das Gemüt des Kronprinzen; schon früh gab er das Zeugnis, wie lebendig er die Lehre der Mutter seinem Herzen eingeprägt hatte.
Hannover Herrenhausen
Die Eltern pflegten, in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung jährlich eine Reise nach Hannover zu machen, um den Vater der Königin zu besuchen; seit seinem dritten Jahre wurde der Kronprinz auf diesen Reisen mitgenommen. In Tangermünde ließ der König gewöhnlich einige Stunden anhalten, um sich dort mit den Beamten der Provinz über Gegenstände der Verwaltung zu besprechen. Bei diesen Gelegenheiten versammelte sich stets ein großer Teil der Einwohner, um den jungen Kronprinzen zu sehen; die Königin erlaubte ihm gern, zu dem Volke hinauszugehen. Einst bat er einen der Zuschauer, ihn zu einem Bäcker zu führen; hier öffnete er schnell seine kleine Börse und schüttete seine ersparte Barschaft in die Hand des Bäckers, mit der Bitte, ihm dafür Semmeln, Zwieback und Brezeln zu geben. Er selbst nahm einen Teil der Esswaren, das Übrige mussten seine Begleiter und ein Bedienter tragen. Dann wandte er sich zu den Einwohnern, die ihm in Scharen gefolgt waren, und teilte seine Beute freudig an Kinder und Greise aus. Die Eltern hatten den Vorgang vom Fenster des Amtshauses angesehen und ließen, als die erste Spende beendet war, noch eine zweite holen, um dem Prinzen das Vergnügen der Austeilung zu verlängern. Jährlich, bis zum zwölften Jahre, erneute der Kronprinz diese Spende in Tangermünde und legte dazu stets schon einige Zeit vor der Abreise etwas von seinem kleinen Taschengelde zurück. Die Tangermünder nannten ihn mit Entzücken nur ihren Kronprinzen. Nach seiner Thronbesteigung äußerte Friedrich öfters, dass er an diesem Orte zum ersten Mal das Vergnügen genossen habe, sich von Untertanen geliebt und Dankestränen in den Augen der Kinder und Greise zu sehen.
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Drittes Kapitel – Die Knabenzeit
Drittes Kapitel – Die Knabenzeit
Mit dem Anfange des siebenten Jahres endete die weibliche Erziehung des Kronprinzen. An die Stelle der Gouvernanten traten nunmehr der Generalleutnant Graf von Finkenstein als Oberhofmeister, und der Oberst von Kalkstein als Unter-Gouverneur. Die Söhne dieser beiden verdienten Männer, sowie die markgräflichen Prinzen des Hauses, wurden die Spielgefährten des Thronerben; das kindliche Verhältnis zu dem jungen Grafen von Finkenstein ging nachmals in eine wirkliche Freundschaft über, und Friedrich blieb diesem, der später sein Kabinetts-Minister wurde, fortdauernd mit hohem Vertrauen geneigt.
Der König gab den beiden Hofmeistern eine ausführliche Instruktion, welcher gemäß sie die Erziehung des Kronprinzen leiten sollten. Als Hauptpunkt wird darin eine reine christliche Frömmigkeit, als zu welcher der Zögling vornehmlich hinzuführen sei, vorangestellt: – „und muss er (so heißt es u. a. in der Instruktion) von der Allmacht Gottes wohl und der Gestalt informiert werden, dass ihm alle Zeit eine heilige Furcht und Venerazion vor Gott beiwohne, denn dieses ist das einzige Mittel, die von menschlichen Gesetzen und Strafen befreite souveräne Macht in den Schranken der Gebühr zu halten.“ Sodann sollte dem Prinzen Ehrfurcht, Hochachtung und Gehorsam gegen seine Eltern eingeprägt werden. Doch setzte der König die schönen Worte hinzu: „Gleichwie aber die allzu große Furcht nichts Anderes als knechtische Liebe und sklavische Effekten hervorbringen kann, so soll sowohl der Oberhofmeister, als der Sougouverneur dahin arbeiten und ihr Möglichstes anwenden, meinem Sohne wohl begreiflich zu machen, dass er keine solche Furcht, sondern nur eine wahre Liebe und vollkommen Vertrauen vor mich haben und in mich setzen müsse, da er denn finden und erfahren solle, dass ihm mit gleicher Liebe und Vertrauen begegnet würde.“ Überall wird in der Instruktion auf strengste Sittlichkeit gedrungen; dem Stolz und Hochmut, wenn diese sich zeigten, ebenso den Einflüsterungen der Schmeichelei sollte aufs Eifrigste entgegengearbeitet werden. Dagegen sollte der Prinz von früh an zur Leutseligkeit und Demut, zur Mäßigkeit, Sparsamkeit, Ordnung und zu bestimmtem geregeltem Fleiße angehalten werden. Was wissenschaftliche Bildung anbetrifft, so fasst die Instruktion nur die praktisch brauchbaren Kenntnisse ins Auge. Latein sollte der Kronprinz gar nicht lernen, dagegen im Französischen und Deutschen sich eine gute Schreibart zueigen machen. In der Geschichte sollte besonders auf die Ereignisse des eigenen Hauses und Staates, überhaupt auf diejenigen, welche zum Verständnis der damaligen Zeitverhältnisse nötig waren, Rücksicht genommen werden usw. Auf tüchtige Ausbildung und Abhärtung des Körpers sollte ebenfalls, ohne den Kronprinzen jedoch übermäßig anzustrengen, vorzüglich geachtet werden. „Absonderlich (so wird endlich den Hofmeistern vorgeschrieben) haben Sie beide sich äußerst angelegen sein zu lassen, meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen und ihm zu imprimieren, dass, gleichwie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, er vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn er solchen nicht gleichfalls liebte und die einzige Gloria in demselben suchte.“
Den eigentlich wissenschaftlichen Unterricht des Kronprinzen leitete ein Franzose, Dühan, der als Kind nach Berlin geflüchtet war und den der König im Jahre 1715, als Führer eines jungen Grafen, in den Laufgräben vor Stralsund kennen gelernt hatte. Dühan ist ohne Zweifel von großem Einfluss auf die Bildung des Kronprinzen, auf dessen Übung im eigenen Lesen und Denken, gewesen. Ihm verdankte Friedrich die Kenntnis der Geschichte und der französischen Literatur. Die deutsche Literatur war zu jener Zeit aus der tiefsten Stufe des Verfalles, während die französische gerade ihren höchsten Gipfelpunkt erreicht hatte. An den Musterbildern der Letzteren wurde der Geist Friedrichs genährt, wie ihm schon durch seine Gouvernante die französische Sprache geläufiger gemacht war, als die eigene Muttersprache. Auch für Dühan hat Friedrich bis an dessen Tod eine treue Zuneigung bewahrt.
Der Unterricht in der lateinischen Sprache war, wie schon bemerkt, durch die Instruktion des Königs verboten worden. Doch hat Friedrich selbst in späterer Zeit öfters erzählt, er habe in seiner ersten Jugend – ob aber mit Bewilligung des Vaters, wissen wir nicht zu sagen – einen lateinischen Sprachmeister gehabt. Einst sei der König dazugekommen, als der Lehrer ihn aus dem berühmten Reichsgesetz der goldenen Bulle einiges habe übersetzen lassen. Da er einige schlechte lateinische Ausdrücke gehört, so habe er den Sprachmeister gefragt: „Was machst du Schurke da mit meinem Sohn?“ – „Ihro Majestät, ich expliziere dem Prinzen auream bullam“ – Der König aber habe den Stock aufgehoben und gesagt: „Ich will dich Schurke auream bullam“ – habe ihn weggejagt, und das Latein habe aufgehört.
Georg Friedrich Händel – 1733
Der König, wie wenig er die höhere Kunstbildung zu schätzen wusste, hatte doch Wohlgefallen