Blutspur in die Vergangenheit. Robert Zirlewagen
„Beruf! Ich werde in den nächsten Monaten einen Betrieb in Eisenbach coachen. Ich weiß nicht, ob du den Ort überhaupt kennst, er liegt nur ein paar Kilometer ………,“ Sein Finger zeigte in eine Richtung, während sie nur knapp, ortskundig wirkend, abwinkte.
„Und was machst du hier?“ Ja, was tat sie eigentlich hier?
´Ein Vorgesetzter auf meiner letzten Polizeidienststelle in Freiburg hat einen Pin-up-Kalender entdeckt, auf welchem ich eigentlich vor ein paar Jahren mal eine recht gute Figur abgegeben hatte. Da bei diesem Fotoshooting jedoch komplett auf Kleidung verzichtet wurde und somit meine dienstliche Karriere stark gefährdete, erklärte er sich freundlicherweise bereit, diesen Ausrutscher zu verschweigen, wenn wir am Abend mal zusammen etwas unternehmen könnten. Nachdem er bei diesem Treffen die Formen, wie ihm vom Foto bekannt, auch noch abtasten wollte, fühlte er sich durch die Ohrfeige tatsächlich gekränkt.
Am nächsten Tag hing ich als Trophäe nackt in seinem Büro und bat, auf sein Verlangen hin, im Tausch gegen den Kalender, wieder um Versetzung.
Okay! Vielleicht sollte ich nicht gleich mit meiner kompletten Geschichte heraus platzen.´
„Du, ich habe meinen Weg bei der Polizei gemacht und leite gerade die Dienststelle in Titisee-Neustadt.“
„Aha? Eigentlich vermutete ich eher, dich einmal auf dem Chefsessel in oberster Position wiederzufinden. Vielleicht sogar als Nachfolgerin deines erfolgreichen Papas. Hast du überhaupt noch Kontakt zu deiner Familie?“
Der Barmann brachte gerade die beiden nächsten Whisky und Samantha kippte den Rest des letzten Glases schnell hinunter.
„Falsche Frage, zum falschen Zeitpunkt.“
Er nickte verständnisvoll, verstand den Stoppvermerk und lenkte den Konversationsverlauf in eine andere Richtung:
„Hast du auch einen Freund?“ Jetzt platzte ein Lacher aus ihr raus.
„Ich hätte nie gedacht, dass mich ein Mann einmal fragen würde, als wäre er meine beste Freundin, ob ich aaauuuuch einen Freund ……..???“
Darauf konnte auch er das Lachen nicht unterdrücken und stieß einfach mit ihr an.
„Aber nein! Momentan ist in meinem Leben kein Platz für eine feste Beziehung.“ Mit diesem Satz schien ihr gerade erst klar zu werden, dass das Kapitel Beziehung, seit sie vor vier Monaten den Job hier antrat, nach eh schon langer Pause, endgültig in die Tabu-Schublade verbannt wurde. Aber warum nur? Sie hatte immer Erfolg bei den Jungs und kostete dies auch intensiv aus. Während Daniel im Hintergrund weiter redete, beschloss sie, sich dem Thema Jungs wieder verstärkt zu widmen. Scheiß auf die Emotionen und die Gefühle anderer und genieße dein Leben. Egal…….
„Oder was meinst du?“ Der alte Freund blickte sie fragend an und Sam hatte keine Ahnung, zu welcher Frage sie ein Statement abgeben sollte.
„Ganz ehrlich?“
„Ja! Ganz ehrlich!“ Er wirkte etwas misstrauisch auf ihre Gegenfrage.
„Ganz ehrlich! Ich muss mal kurz auf die Toilette und mir ein paar Gedanken zu diesem Thema machen.“
Sie stand auf, schnappte ihre Handtasche und stolzierte los. Obwohl ihr die Milchbubis hier in den letzten Tagen gehörig auf die Nerven gingen, genoss sie jetzt die gierigen Blicke der heranwachsenden Opfer. Auf einmal sah sie alles wieder in einem anderen, viel helleren, Licht. Als sie an die Bar zurückkehrte, hatte sich seine Frage glücklicherweise in Luft aufgelöst und sie begann mit einem Neustart.
„Aber Daniel. Mal ganz ehrlich. So von Frau zu Frau. Hast du hier schon einen interessanten Typen ausgemacht?“ Jetzt musste er lachen, war aber trotzdem nicht um eine Antwort verlegen: „Der Türsteher ist mir sofort ins Auge gestochen. Ich stehe irgendwie auf große Muskelmänner.“
Er hatte recht. Dieser langhaarige Zweimetermann fiel auch ihr sofort ins Auge und war darüber hinaus wahrscheinlich einer der wenigen in diesem Schuppen, welcher die Dreißigermarke übersprungen hatte.
„Ja, der ist ein echtes Schmuckstück. Mal davon abgesehen, dass er wohl lieber Motorrad als Auto fährt.“ Damit spielte sie fast schon bewundernd auf sein Outfit an.
Sie quatschten noch ein wenig über die alten Zeiten weiter, bevor sich Samantha verabschiedete und draußen ein Taxi nahm.
Sie musste rund drei Kilometer fahren, um von der Walddiskothek nach Hause zu kommen. Ihre Wohnung lag am anderen Ende von Neustadt, direkt über einem Möbelhaus. Auf den gut einhundert Quadratmetern Dachwohnung hatte sie sich eine schöne Penthouseatmosphäre geschaffen.
Um drei Uhr zuhause eingetroffen, entledigte sie sich der verschwitzten, rauchigen Klamotten und sprang noch schnell unter die Dusche. Als sie danach auf direktem Weg Richtung Bett ging, lagen ihr plötzlich drei Bücher im Weg. Sie schienen selbständig aus dem Regal gefallen zu sein. Beim Zurücklegen weckte das eine, mit der Aufschrift ´Tagebuch von Samantha Bauer´, ihr Interesse. Sie nahm es mit ins Bett und schlug die erste Seite auf.
2. Tagebuch
Name: Samantha Bauer
Geb: 02.02.1988
Größe: 179 cm
Maße: 99/63/89 cm
zurückblickend auf den Moment, wie sie sich damals vermessen hatte, musste Samantha beim Lesen herzhaft schmunzeln.
Augenfarbe: braun
Haarfarbe: gerade blond
Adresse: oft wechselnd
Heute ist der 02.02.2013. Mein 25. Geburtstag. Auf mein Leben zurückblickend fällt mir auf, dass ich unbedingt meine Memoiren für die Nachwelt festhalten muss. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, welche auf so ein bewegtes Leben zurückschauen können oder müssen. Zuerst möchte ich jedoch mal zu meiner Entstehung und meinem privaten Umfeld Stellung nehmen:
Ich bin die älteste Tochter einer reichen Unternehmerfamilie. Am besten passt auf mich in Bezug auf meine Familie die Bezeichnung, „Albino“. Ich trage in unserem Haus das Alleinstellungsmerkmal Blondi und darüber hinaus bin ich die einzige, bei welcher die Bezeichnung Brüste auch den Titel verdient hat. Und im Gegensatz zu den drei anderen Frauen im Haus überrage ich diese auch noch locker um fünfzehn Zentimeter. Mit dreizehn gewann ich, unter Angabe falscher Geburtsdaten, die erste Miss-Wahl in Köln. Aber wieso……….?!? Die Augenlieder mussten an dieser Stelle aufgeben!
3. Schon wieder in die Disco?
Grrrrrrrrrrr. Piep, Piep, Piep. Grrrrrrrrrrr. Der Wecker, welcher mit seiner Lautstärke den ganzen Ort wecken könnte und an Penetranz kaum zu überbieten war, stand drei Meter neben dem Bett auf einer Kommode. Sie musste diesen Trick mit der Entfernung anwenden, da sie ihn sonst wieder ausgeschaltet hätte und der Schlaf, wie schon so oft, den Morgenmuffel sofort wieder in seine Gewalt gebracht hätte.
Ihren Dienst trat sie in der Regel immer gegen acht Uhr an. Als Leiterin dieses kleinen Postens, welcher gleich hinter der Kirche versteckt über die Hauptstraße ragte, wollte sie die Pünktlichkeit in den ersten Wochen mit gutem Beispiel vorantreiben.
Zu Fuß ging sie durch die Seitengasse am Schurthplatz vorbei, der entlang eines winzig kleinen Parks führte. Danach geleitete ein Zebrastreifen über die nicht sehr stark befahrene Hauptstraße direkt auf eine kleine Pizzeria zu, die sie natürlich am frühen Morgen rechts liegen ließ. Sie schlenderte gut gelaunt die kleine Steige hoch.
„Morgen, Frau Wachtmeister!“ Sie grüßte zurück ohne zu wissen, wer ihr heute so nett den Gruß abnahm, fand es aber auch lustig, wie locker die Leute hier mit der neuen Polizeichefin umgingen. Oben angekommen, noch ein