Der Junge mit dem Feueramulett - Die Schule der Alchemisten. Frank Pfeifer

Der Junge mit dem Feueramulett - Die Schule der Alchemisten - Frank Pfeifer


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ließen den Raum mit der nach Asche riechenden Luft zurück und traten hinaus in einen kalten, grauen Morgen, der sie frösteln ließ.

      *

      Die Verhaftung des Wirtes des ›Hustenden Hans‹ aus unerfindlichen Gründen war nur einer von vielen Vorfällen, in denen bisher unbescholtene Toraks verwickelt waren. Wenn man als Torak nicht auf dem Laufenden war, wie die sich inzwischen täglich ändernde Gesetzeslage entwickelte, konnte man schnell Bekanntschaft mit den Schwertern der Wache machen. Gsark und Gsaxt, Toraks und Wirte des berühmten ›Knochenbruchs‹, hatten sich an diesem Tag in aller Frühe aufgemacht, um die neuesten Verlautbarungen des Herrschers zu erfahren. Falls eine Wache ihnen entgegentrat, wollten sie wenigstens wissen wieso. Sie standen am östlichen Stadttor und entzifferten mühsam den öffentlichen Aushang.

      »Anordnung zur Haltung von Haustieren: Toraks, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Stadtgebiet von Conchar (die umliegenden Gehöfte und Siedlungen eingeschlossen) haben, müssen alle ihre Katzen am Großen Tempel von Goiba abgeben.«

      »Da sind wir nun also angelangt.« Gsark schaute seinen jüngeren Bruder direkt an und hatte dabei beide Augenbrauen in die Höhe gezogen. Die Lippen zusammengepresst nickte er langsam mit dem Kopf, als ob er eine still gestellte Frage bejahen würde. »Heute Katzen, morgen sind wir es selbst.«

      »Ach Quatsch, Gsark. Tsarr sind die Opferkatzen ausgegangen. Mehr ist das nicht.«

      Gsark deutete mit seinem massigen Kinn auf eine Ecke, in der die Leute Müll abgeladen hatten. Eine Unzahl von Katzen tummelte sich darauf und durchforstete den Haufen nach Essbaren.

      »Sieht irgendwie nicht so aus, als ob es in Conchar an Katzen mangeln würde.«

      Da musste Gsaxt seinem älteren Bruder zustimmen. Die Viecher vermehrten sich aber auch wirklich rasend. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, wieso die Govas gerade Katzen gewählt hatten, um in ihren Gedärmen die Zukunft zu suchen. Normalerweise gab es in einer Stadt wie Conchar niemals Katzenmangel.

      »Also meinst du, dass es gar nicht wirklich um die Katzen geht? Aber was bezweckt Tsarr damit?«

      »Oder Flanakan. Nichts geschieht ohne seinen Willen.«

      »Na gut, dann eben die beiden. Was wollen Herrscher und Oberpriesterin?«

      »Denk doch mal nach, Gsaxt. Die Leibeigenschaft gilt laut Verordnung nicht nur für Toraks. Auch wenn es im Endeffekt meistens unsere Brüder und Schwestern sind, die von der Obersten Verwaltungsbehörde dazu verdammt werden. Aber nicht weil sie Toraks sind. Sondern weil sie Schulden haben. Und weil die meisten von uns bisher glaubten, dass man alles abarbeiten kann. Dann steht man halt ein paar Jahre im Steinbruch, geht auch vorbei. Oder? So sind wir doch?«

      Gsaxt musste seinem Bruder zustimmen. Ihr Fluch war das Ertragenkönnen. Wenn man es seit Urzeiten gewohnt war, den Kräften der Natur ausgeliefert zu sein, gewöhnt man sich eben daran, den Kopf einzuziehen und abzuwarten, bis der Sturm sich gelegt hat.

      »Aber das hier«, Gsark deutete auf die Tafel der Öffentlichen Bekanntmachungen, »das ist neu.«

      Es war kurz vor Dardeugende, letzter Arbeitstag der Woche, heute Abend würde der ›Knochenbruch‹ zum Bersten gefüllt sein mit durstigen Toraks. Gsaxt und Gsark waren zum östlichen Stadttor gegangen, um auf alle Änderungen der aktuellen Gesetzeslage vorbereitet zu sein. Auch hatten sie erwartet wie üblich die Liste der Hinrichtungen hier zu finden. Doch diese fehlte an diesem Tag. Aber dass an diesem Wochenende die Galgen der Schwarzen Burg wieder bestückt werden würde, stand außer Frage. Man konnte das Hämmern der Galgenschreiner in der ganzen Stadt hören.

      »Ab jetzt geht es ganz offiziell gegen uns Toraks, Gsaxt. Heute unsere Katzen, morgen sind wir es selbst.«

      »Da werden die Leute nicht mitmachen.«

      »Die Leute, die Leute. Welche Leute? Meinst du deine Menschenfreunde? Glaubst du wirklich, dass ein Mensch, wenn Flanakan erst einmal die Wachen auf uns hetzt, auch nur einen Finger krumm machen wird?«

      »So weit ist es ja noch nicht.«

      »Noch nicht, Gsaxt, noch nicht. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass das schneller geht, als wir uns das vorstellen können. Wieso hat unser Vater damals das Drucken der Flugblättern begonnen, was glaubst du? Er hat schon damals gewusst, dass die Leibeigenschaft nur der Anfang ist.«

      »Aber Papa hat immer gesagt, dass es Flanakan ist, dass der Herrscher unser Feind ist. Und mit dieser Meinung stand er ja nicht allein. Du weißt ja selbst, dass unsere Gruppe auch aus Menschen besteht.«

      »Ach, die können doch alle nicht bis zehn zählen. Ich sage dir, wenn es ernst wird, kann man nicht auf sie setzen.«

      »Wieso sollen wir nicht auf sie setzen können? Die Leibeigenschaft geht uns doch alle an.«

      »Genau, die Leibeigenschaft. Aber nicht, wenn es gegen uns Toraks geht. Dann sind wir auf uns allein gestellt. Toraks gegen Menschen.«

      Mit dem letzten Wort hatte Gsark seine rechte Faust in seine linke offene Handfläche geschlagen, als ob er mit dieser Geste gleich einen Menschen zermalmen könnte.

      »Darf ich mal.«

      Eine Wache drückte sich an den beiden Toraks vorbei. In der Hand eine Rolle mit einer weiteren Bekanntmachung. Mit ausdrucksloser Miene nagelte der Uniformierte diese ebenfalls an das Brett, direkt neben die Haustierverordnung. Offensichtlich war es eine Ergänzung, denn die Überschrift lautete schlicht Paragraph Zwei.

      »Auch das Halten von Hunden, Vögeln, Zierfischen – solange sie nicht dem baldigen Verzehr dienen – sind Toraks ab sofort verboten.«

      Gsaxt und Gsark schauten sich an.

      »Wenn das so weiter geht, werden sie den Bauern bald verbieten, Tok-Rinder zu halten.«

      Die Wache, die Gsarks Worte gehört hatte, drehte sich um. Ein Mensch.

      »Ihr seid doch die vom ›Knochenbruch‹, oder?«

      Gsaxt nickte.

      »An eurer Stelle würde ich besseres Schoff ausschenken, die halbe Stadt weiß ja schon, dass ihr da rumpanscht. Wenn ihr nicht aufpasst, dann entzieht euch die Oberste Verwaltungsbehörde noch die Schanklizenz.«

      Gsark trat ein Schritt auf die Wache zu, aber Gsaxt packte seinen Bruder beim Ärmel.

      »Danke, Herr Wache. Wir panschen nicht. Unser Schoff ist so gut wie in allen anderen Kneipen.«

      »Ich sage es ja auch nur. Passt auf.«

      Mit diesen Worten drehte sich der Mann um und verschwand im Tor des Wachturms.

      »So ein Idiot. Wer sagt, dass wir panschen? Ich dreh ihm den Hals um.«

      »Gsark, komm, der Mann wollte uns warnen. Wir müssen einfach auf der Hut sein.«

      »Auf der Hut sein? Wie sollen wir das machen? Sollen wir jetzt das Schoff wirklich panschen und es dadurch besser machen, damit dann die Menschen sagen, dass wir nicht panschen? Panschen, um nicht in den Verdacht zu geraten, zu panschen?«

      »Nein, ich weiß auch nicht. Am besten wir treffen uns mit der Zelle. Machen einen Plan.«

      »Mit der Zelle. Aus Menschen und Toraks?«

      »Und vergiß die Schreiende Makrele nicht.«

      »Und ein Ichto dazu. Das kann ja nichts werden.«

      In diesem Moment flog ein fauler Salatkopf durch die Luft und traf Gsark in den Nacken. Die Toraks drehten sich um, konnten aber nur noch die eindeutig menschlichen Fersen sehen, die hinter einer Hausecke verschwanden. Und dann die Rufe von Kindern. Schoffpanscher, Schoffpanscher, Schoffpanscher.

      Jetzt waren sie also schon zum Gespött der Straße geworden.

      *

      Zwanzig Hinrichtungen in Conchar, davon über die Hälfte Ichtos, Makral war mit seiner Arbeit ziemlich zufrieden. Zudem war es recht einfach, passende Hinrichtungsobjekte zu finden, schließlich gab es kaum einen


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