Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band. Walter Brendel
als Endergebnis in den Worten „Es hieße dem Heiligen Geiste widerstehen und sich der Hilfe Gottes unwürdig machen, wollte man noch länger zögern.“ Die Waffenrüstung wird vom Dauphin in Tours beordert. Sie wird in den Grafenstand erhoben. Ihr Gefolge wird erweitert. Johann von Aulon wird ihr Waffenmeister. Sie wird dem Heere als Führerin zugeführt. Aber die Hauptleute spotten über sie und murren über des Dauphins Anordnungen. Da tritt La Hire, einer der tapfersten Ritter, vor und schwört, ihr mit seiner Kompagnie zu dienen, möge sie diese führen, wohin immer sie wolle. Das Beispiel wirkte; der Widerstand war gebrochen. Nun bereitete Jeanne die Soldaten zum Kampf vor - anders, als andere Heerführer es bisher getan. Am 27. April 1429 brach die Truppe von Blois nach Orleans auf. Voran schritt die Geistlichkeit, Hymnen singend, unter der Fahne des Gekreuzigten. Am Mittag des 28. April kamen die Mauern von Orleans in Sicht.
Am 6. Mai zieht sie an der Spitze von 4000 Mann aus der Stadt. Es gilt, die schreckenerregende Festung „des Augustins“ einzunehmen. Kampfessturm, Kampfesnot. Schon hat die Jungfrau die Fahne auf den Wall gepflanzt, da geht ein Erschrecken durch die Reihen - man flieht vor der Überzahl der Gegner -, nur noch 5 oder 6 Krieger sind bei der Jungfrau und diese ziehen sie mit Gewalt zurück. Nicht lange hält sie es, da geht sie mit La Hire und anderen Hauptleuten zum Gegenstoß vor. Erstaunen und lähmender Schrecken und sinnlose Flucht auf der Seite des Feindes. Jeanne pflanzt zum zweiten Male ihr Banner auf; ihre Verwundung achtet sie nicht. Die Bastille ist gewonnen. - Kriegsrat wird am Abend gehalten. Der Lebensmittel sind genug, Verstärkung hat der Dauphin versprochen. Am Morgen des 7. Mai hört Jeanne die heilige Messe, zieht die Waffenrüstung an und verlässt nüchtern das Haus. Auf Befehl des obersten Rates aber hat man das Tor de Bourgogne verriegelt, Raoul von Gaucourt ist der gestrenge Hüter. Die „Jungfrau“ lässt das Tor öffnen, sammelt die Hauptleute außerhalb Orleans, von selbst folgen die anderen. Der Kampf beginnt. Jeanne nimmt eine Leiter und versucht, damit den Wall zu erklettern - ein Pfeil trifft sie. Sie sinkt zurück und das Blut entfließt ihrer Wunde. Sie selbst zieht den Pfeil heraus, - dann beichtet sie unter Tränen. Den Augenblick benutzen die Generale zu kurzem Kriegsrat. Einstimmig ist der Beschluss: „Zurück!“ Jeanne bittet um Verzögerung! Aber der Bâtard von Orleans lässt schon zum Abmarsch blasen. Da fährt Jeanne zusammen, sie springt auf, nicht achtend ihrer Wunde, und mit aller Bestimmtheit, der niemand wagt entgegenzutreten, erklärt sie: „Im Namen Gottes, bald werdet Ihr in das Fort des Tourelles einziehen. Wenn Ihr meine Standarte gegen die Bastille wehen seht, ergreift die Waffen, sie ist Euer! Nun aber ruht Euch noch aus, trinkt und esst, um neue Kraft zu schöpfen.“ Man gehorcht. Sie selbst steigt zu Pferde, übergibt ihre Fahne d'Aulon. Orleans Bewohner haben eine Brücke geschlagen. Nikolaus von Giresme eilt darüber hinweg, legt eine Sturmleiter an die Feste Tourelles an; - Jeanne dringt von der anderen Seite ein, - pflanzt hoch auf die Zinne ihre siegreiche Standarte. Noch verweilt sie zur Vorsicht ein paar Stunden in der obersten Feste. - Te Deum laudamus! - läutendie Kirchenglocken von nah und fern. Nun zieht sie in Orleans ein, wie sie vorhergesagt, über die Brücke der Loire. Die Engländer halten am 8. Mai schweren Kriegsrat. Verloren ist ihnen die Bastille Saint Loup rechts der Loire, verloren die festen Stützpunkte des Augustins, les Tourelles. Wohl verblieben ihnen im Westen noch Forts, stark befestigt und verteidigt durch treffiche Artillerie. Die Führer streuten ein Wort in die Reihe der Soldaten, ein Wort, das ihnen die Furcht nehmen sollte: Hexe nannten sie die Jungfrau. Die Universität in Paris sollte der gemeinen Verleumdung den nötigen Nachdruck geben. Kriegsrat wurde gehalten. Talbot verordnete: die Truppen verlassen die Bastille, stellen sich in Schlachtreihe auf. Unterdessen weilt der Dauphin Karl inmitten seiner Familie auf dem königlichen Schloss in Chinon. Er sendet Siegesbotschaft hinaus. In einem Brief an die Bewohner von Narbonne zeigt sich seine Dankgesinnung Jeanne gegenüber: „Ihr könnt nicht genug die hohen Taten und wunderbaren Handlungen der Jungfrau, die persönlich zur Ausführung der großen Dinge gearbeitet hat, ehren.“ Zwei angesehene Würdenträger der Kirche sprechen offiziell ihr Urteil über Jeanne als die Gottgesandte aus: es sind der Johann Gerson und der Erzbischof von Embrun, Jakob Gélu.
Am 11. Juni erreicht Jeanne, gefolgt vom Herzog von Alençon, Dunois, La Hire, Gaucourt und anderer Führer, Orleans. Im Sturm wird die Stadt genommen. Graf Suffolk ergibt sich als Gefangener. Mit mildreicher Sorge lässt Jeanne ihn und seine Begleitschaft in Sicherheit bringen. 6-700 tote englische Krieger decken das Schlachtfeld. Währenddessen aber genießt der Dauphin auf dem Schloss Sully in vollen Zügen die Gastfreundschaft des eigennützigen Ministers Trémoïlle. Fortwährend sucht dieser Karl vom übernatürlichen Einfluss Jeannes fernzuhalten. Noch kann er nicht den Kriegsruhm des jungen Kindes schmälern. Aber Verwirrung bringen, das kann er schon. Von ihm aufgehetzt, verbietet der Dauphin dem Herzog, den Connetable Richemont als Streiter in die Reihen aufzunehmen. Was nun tun? Draußen stand das englische Heer, ausgerüstet durch Bedford, befehligt von Falstoff. Talbot, in grimmigem Hass, drängt zum Kampf. Die Garnison des Schlosses Beaugency ergibt sich von selbst, - in Eile räumen die Feinde Meung. Verfolgung der Feinde ist diesmal Jeannes Losungswort. Am ersten Juli lagerte man vor den Mauern von Auxerre. Leicht hätte man die Festung einnehmen können. Trémoïlles Rat war ausschlaggebend für den Dauphin. Sie solle ruhig ihre Tore geschlossen halten, wohl aber Lebensmittel für das Heer liefern. Saint Florentin-Brienon, Saint Phal ergeben sich dem angestammten Herrscherhause. Ein schwieriger Fall war Troyes. Wegen des Vertrages mit Burgund verweigerte man den königlichen Truppen den Einlass. Die aber schmachteten schon fünf Tage, da der Proviant ausgegangen war. Am anderen Morgen öffnen sich die Tore der Stadt, im selben Augenblicke, als Jeanne das Zeichen zum Kampfe gibt. Heraus treten der Bischof und angesehene Bürger und bitten um schonungsvolle Übergabe. Welch ein Umschwung! Was war die Ursache? Die Garnison von Troyes hatte das große Feldherrentalent Jeannes erkannt und mit Staunen die allgemeine begeisterte Bereitwilligkeit, ihrer Weisung zu folgen, wahrgenommen. Die englisch-burgundischen Truppen marschierten anderen Tags aus der Garnison. Die Bewohner von Troyes senden Kunde an die Reimser, fordern sie auf, ihren Beispiele zu folgen. Jeanne eilt mit dem Heere voran. Auf ihre Botschaft hin öffnen sich weitere Pforten von Schlössern und Städten dem Einzuge des angestammten Herrschers. Am 22. Mai erfährt Jeanne von den Vorbereitungen von Philipp dem Guten, des Herzogs von Burgund, zur Einnahme von Compiègne. Wilhelm von Flavy, der ehrgeizige und eifersüchtige Gouverneur der Festung rät Jeanne am 23. Mai zu einem Ausfall. Im selben Augenblick läuten die Glocken von Compiègne. Das war ein Zeichen für die Feinde. Heroisch verteidigen sich die Franzosen gegen Burgunder, gegen die Engländer, gegen die Truppen von Johann von Luxemburg. Flavy fürchtete eine Wundertat der Jungfrau. Er ließ die Zugbrücke hochziehen, die Tore schließen, die Artillerie von Compiègne gab keinen Schuss auf die heranstürmenden Feinde. Die Heldin verteidigte sich tapfer mit 5 oder 6 Mann gegen die Übermacht. Keine Hilfe naht. Ein Picarde aus der Kompagnie von Lionel von Wandonne ergreift sie. Mit ihr werden Peter, ihr Bruder, Johann von Aulon, ihr treuer Waffenmeister, Paquerel, ihr Beichtvater und Poton le Bourguignon gefangen genommen. Eine Inquisitionssitzung folgt der andern. Mutig und beherzt, trotz aller schmachvollen Behandlung während eines langen, bangen Jahres Haft, beantwortet Jeanne das immer wieder erneute Kreuzfeuer übelwollenden Verhörs. Die Grausamkeit ihrer Feinde kennt keine Grenzen. Selbst am Tage des Todes steigen die Peiniger in den Kerker; sie möchten so gerne durch verfängliche Fragen der ermatteten Jungfrau irgendeine unsichere Antwort ablauschen, die den Schein des Unrechts trüge und das falsche Todesurteil bemäntelte.
Am 30. Mai 1431 kniet sie denn, so die Überlieferung, und ruft mit lauter Stimme die Gottesmutter und die Heiligen des Paradieses an. Noch einmal bekennt sie feierlich ihren Glauben, erfleht vom Himmel Verzeihung für alle Fehler ihres Lebens, bittet den König um Verzeihung, sollte irgendetwas durch sie geschehen sein, was nicht recht, bittet um Verzeihung alle Umstehenden, selbst die Feinde. Dann bittet sie alle insgesamt um Gebet und die Priester insbesondere um eine Messe für ihre Seelenruhe. Nach einem Kreuz verlangt sie. Dann bekennt sie noch einmal laut und feierlich: „Ich erkläre noch einmal, meine Stimmen waren von Gott. Auf göttlichen Befehl tat ich alles Gute. Nein, nein, meine Stimmen haben mich nicht getäuscht, sie kamen in Wahrheit vom Himmel.“ Sie lässt den Dominikaner hinuntersteigen. „Haltet das Kreuz hoch empor vor meine Augen, bis zum letzten Augenblick.“ Rauch umhüllt sie. Furchtbar soll nun die Rache für die qualvollen Leiden der Jungfrau gewesen sein: Nikolaus Midi, den Prediger auf dem Alten Markt, trifft der Aussatz. La Trémoïlle wird vom Hofe verbannt; an seine Stelle tritt wieder der ein, den er in blindem Hasse verfolgt, Richemont, der Connetable. Der Bischof Cauchon wird