Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band. Walter Brendel
Sünden zu befreien. Luther, Beichtvater vieler Wittenberger, bemerkte dies mit Bitterkeit; die 95 Thesen, die er als Reaktion darauf in Wittenberg anschlug, lösten die Reformation aus. Kurz vor Tetzels Tod schickte Luther ihm einen Trostbrief.
Der Fall Elsa Buddenboems
Am 23.07.1627 ordnete der Rat der Stadt Münster die Inhaftierung Elsa Buddenboems , 28-jährige unverheiratete und uneheliche Tochter Gretas zur Steinhorst an. Aufgrund der Denunziation von verschiedenen Geistlichen und der verwandtschaftlichen Beziehung zu einer verurteilten Hexe wird Elsa B. verhaftet und am gleichen Tag verhört. Das eigentliche Verdachtsmoment gegen Elsa B. ergibt sich aus einem Vorfall, der sich im Hause ihrer Vermieterin, der Witwe Clara Conerding zutrug. Die Vermieterin beschäftigte eine Magd, die vom „bösen Feind“ besessen ist. Elsa B. schenkte dieser Magd einen Kupferschilling. Während ein Kapuzinermönch an der Magd den Exorzismus vollzog, soll der Teufel aus der Magd gesprochen haben. Er habe gesagt, das Geld tauge nichts und bezichtigte Elsa B. zudem als Hexe. Der Mönch, der das besagte Kupferstück in Händen hielt, erkrankte kurz darauf und verdächtigte Elsa B. öffentlich. Eine andere Magd aus der Nachbarschaft hält sich für besessen und macht Elsa B. dafür verantwortlich. Des weiteren soll Elsa B. für die Besessenheit einer Frau verantwortlich sein, der sie eine Wegge geschenkt hat. Außerdem sei sie verantwortlich am Tode der Hühner des Heinrich Reer. In einem weiteren gütlichen Verhör wird Elsa B. nach ihren familiären Vorbelastungen und dem eigenen schlechten Ruf befragt. Ihr wird von den Richtherren unterstellt, den Kupferschilling mit einer teuflischen Substanz bestrichen zu haben. Dies wird von Elsa B. bestritten. Elsa B. hatte vor und während der Ermittlungen darum gebeten, die Wasserprobe an ihr vorzunehmen. Diese Bitte wird als weiteres belastendes Indiz gewertet, da die Richtherren in einem früheren Prozess dieses Gottesurteil als Teufelsbetrug deklariert hatten. Ebenso sind sie der Meinung, „Unschuldige hätten es nicht nötig, sich durch solche Mittel ehrlich zu machen“. Gegen den Vorwurf, durch eine heiße Wegge (=Brötchen) Besessenheit verursacht zu haben, wehrt sich Elsa B. vehement. Das Mädchen, das die Wegge verzehrte, sei noch 14 Tage gesund auf der Straße und in der Kirche gesehen worden. Am Tage des Verhörs werden Zeugen zu dem Fall gehört, die Witwe Clara Conerding sowie das Ehepaar Nickhorn.
Zeugenaussagen: WITWE CLARA C.: Der Teufel, der aus ihrer Magd sprach, soll Elsa B. auch für die Besessenheit ihrer Tochter verantwortlich gemacht haben. Ein weiteres Mädchen erkrankte, nachdem sie das Geldstück angefasst hatte, gesundete aber nach der Waschung mit Weihwasser. EHEPAAR NICKHORN: Sie berichten von absonderlichen Krankheiten, von denen sie befallen wurden, als Elsa B. bei ihnen wohnte. Als Weiteres sei zu berichten von einem Geistlichen, der zu jener Zeit bei ihnen wohnte, dem Wundersames widerfuhr. Morgens entdeckte er in seinem Nachttopf Wasser, obwohl er diesen abends vorher entleert hatte.
Der Rat hält diese ausgeschmückten Aussagen für beweiskräftige Indizien und verhängt die Folter an Elsa B. Elsa B., die an Depressionen leidet und Suizid gefährdet ist, hält ihre Lage für aussichtslos. Als ihr am 2.August zu Beginn der Folter die Augen verbunden werden, erklärt sie sich bereit zu gestehen. Sie gesteht, dass sie die Tochter ihrer Vermieterin mit einem Apfel vergiftete, der mit ‘schwarzem Zeug’ vom Teufel versetzt war. Dieses schwarze Zeug befand sich auch auf der Münze und in der Wegge. Nach dem Verlesen des Geständnisses fordern die Ratsherren Elsa B. dazu auf, Mitbeteiligte am Hexentanz zu denunzieren. Sie denunzierte daraufhin eine Mutter mit ihrer Tochter und zwei weitere Frauen. Am 6.August trägt man Elsa B. das „Extrahierte Bekenntnis“ vor, das in 11 Punkten alles umfasst, was sie am 2. August gestanden hatte. Sie bestätigt alles. Daraufhin wird sie zum Tode durch das Feuer verurteilt. Gnadenhalber ließ man sie vorher strangulieren.
Es wäre schön, wenn man den Hexenwahn als eine der vielen abstoßenden, aber Gottseidank vergangenen Epochen der Menschheitsgeschichte abhaken könnte, aber da sollte man sich nicht zu sicher sein. Moderner Hexenwahn ist - zumindest im Abendland - von der religiösen in die politische Hemisphäre übergewechselt und hat sich im 20. Jahrhundert insbesondere in den Stalinschen Schauprozessen 1935-1939 manifestiert. An ihnen ließ sich der klassische Mechanismus Denunziation - Anklage - Folter - erzwungenes Geständnis - Selbstbezichtigung - Hinrichtung in furchtbarem Detail noch einmal beobachten (da die nationalsozialistische Judenverfolgung weder auf eine Prozessordnung noch auf Geständnisse Wert legte, unterscheidet sie sich in wesentlichen Aspekten vom Hexenwahn - nicht allerdings in der Sündenbockfunktion).
Meiner Auffassung nach sollte man mit den Begriffen „Hexenwahn“ und „Hexenjagd“ vorsichtiger umgehen. Die McCarthy-Befragungen der 50er Jahre in den USA - übrigens auch dort heftig umstritten - oder die alberne Berufsverbotdebatte im Deutschland der frühen 70er als „Hexenjagd“ zu bezeichnen, halte ich für verfehlt, genau wie die Bezeichnung „Holocaust“ für israelische Siedlungspolitik (eine doppelte Geschmacklosigkeit) oder das Etikett „Faschismus“ oder „Nazi“ für alles und jeden, das einem irgendwie Rechts vorkommt. Hexenwahn und Holocaust waren entsetzliche Dinge, die Menschen anderen Menschen angetan haben, grauenhafte Verbrechen und Schandflecke der Geschichte. Mit Begriffen dieser Art wirft man nicht herum wie mit Konfetti. Satan ist der Gegenspieler Gottes. Daher ist Satan das personifizierte Böse.
Viele Bibelgläubige halten Satan für ein reales Wesen, einen von Gott geschaffenen Geist. Satan und die Geister, die ihm folgten, rebellierten gegen Gott. Sie wurden von ihrem Schöpfer aus dem Himmel verbannt. Theologen fragen sich, warum der Allmächtige die „gefallenen Engel“ nicht einfach vernichtete, so wie er es angeblich mit seinen anderen Schöpfungen tat, als es ihnen nicht gelang, rechtschaffen zu sein (er rettete nur Noah und seine Familie). Es wurde Satan gestattet, sein eigenes Königreich in der Hölle zu errichten und Teufel in alle Welt zu schicken, um Bekehrungswillige zu suchen. Die Welt der Dämonen scheint nur aus einem einzigen Zweck errichtet worden zu sein: Um die Menschen in Versuchung zu bringen, sich von Gott abzuwenden. Warum Gott es Satan gestatten sollte, dies zu tun, wird im Buch Hiob erklärt. Als Hiob Gott fragt, warum er es zulässt, dass Satan ihn quält, bekommt er eine klare und endgültige Antwort: Wo warst du, als ich die Erde gründete? (Hiob,38,4). Die Geschichte Hiobs wird von Theologen verschieden interpretiert, aber meine Interpretation ist, dass niemand weiß, warum Gott Satan leben und uns quälen lässt. Gott ist Gott und kann tun, was immer Er will. Wer ist's, der den Ratschluss verdunkelt mit Worten ohne Verstand? (Hiob,38,2).?
Als geistiges Wesen ist Satan weder männlich noch weiblich; er wird jedoch meist, wie sein Schöpfer, als männliches Wesen bezeichnet. Viele glauben, dass Satan – oder der „Teufel“, wie er oft genannt wird – in Menschen „einfahren“ kann. Diese „Besessenheit“ ist die Übernahme des Körpers durch den Teufel. Die katholische Kirche führt auch heute noch Exorzismen bei jenen durch, die man für besessen hält. Von Jesus wird gesagt, er habe Dämonen gebannt, d.h. Exorzismen durchgeführt, und die Kirche behauptet von sich, von Jesus dieselbe Macht erhalten zu haben. In all den Jahrhunderten glaubten viele Fromme, Menschen mit bestimmten geistigen oder körperlichen Erkrankungen seien von Satan besessen.
Häufiger als direkte Besessenheit war jedoch immer die Beschuldigung, jemand habe Umgang mit dem Teufel. Satan werden viele Superkräfte zugeschrieben, unter ihnen auch die Fähigkeit, sich als Mensch oder Tier auszugeben. Dieser Umgang wurde als häufig rein körperlicher und meist sexueller Natur betrachtet. Für den größten Teil der Geschichte des Christentums gibt es Berichte von Satan, der Sex mit Menschen hat, entweder als Incubus (männlicher Teufel) oder als Succubus (weiblicher Teufel). Hexen und Zauberer galten bei vielen als die Frucht dieser Verbindungen. Sie wurden als besonders bösartig gesehen, da sie einige der teuflischen Kräfte erbten.
Carl Sagan zufolge sind Berichte von teuflischem Geschlechtsverkehr häufige kulturelle Erscheinungen:
Parallelen zu den Incubi sind etwa die arabischen djinni, die griechischen Satyre, die Bhut der Hindus, die samoanischen hotua poro, die keltischen dusii ... (Sagan, 124).
Als Kind jedoch, das von den Wegen Satans durch Dominikanerschwestern unterrichtet wurde, wurden mir Geschichten von Nonnen, die von als Priestern verkleideten Incubi vergewaltigt wurden, absolut nicht erzählt. Der Teufel war da, um uns zur Sünde zu verleiten, Punkt. Er war nicht da, um mit uns zu schlafen oder Reproduktionsexperimente durchzuführen, um eine Rasse von Hexen und Magiern auszubrüten. Natürlich