Stille Tage in Paris. Monica Armstrong

Stille Tage in Paris - Monica Armstrong


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Kopfhörer höre ich alte französische Chansons.

      Um 3 Uhr morgens bin ich endlich zu Hause. Soll ich schon zu Bett gehen?

      Nein, ich besuche noch einmal das Archiv und öffne den geheimnisvollen Ordner mit dem Drehbuch aus dem Jahr 1967, einem Film aus einem „Kino der Nacht“, einem Film, der fast nur im Dunkeln spielt; ich suche mir eine Frauenrolle und das passende Kleid aus dem Requisitenlager.

      Ich probiere das Abendkleid, ein Kleid, das wie für mich geschnitten ist. Es ist klar, dass Selfies von mir gemacht werden müssen, Selfies, die online gestellt werden und über den Atlantik gehen, hinüber in die USA; sie zeigen eine Frau, die ein Franzose für einen französischen Gangsterfilm eingekleidet hat, der wie ein amerikanischer Film funktioniert, von einem französischen Regisseur, der wie ein Amerikaner in Paris gelebt hat.

      Eine der ersten Reaktionen bekomme ich von meinem Vater. „Was stehst du in der Requisitenkammer herum, Babe? Such dir einen jungen Fotografen, und lass ein Shooting von dir machen!“

      Mom schließt sich der Meinung ihres Mannes an. Natürlich gibt es auch jede Menge Neiderinnen und Neider, aber die bleiben in der Minderheit.

      Ich werde als eine Femme fatale identifiziert, als eine Frau in Paris in einem Film, der ausschließlich in der Nacht spielen wird.

      Um halb 5 Uhr früh gehe ich schlafen.

      3. Lundi, der Anruf

      Montag, 7 Uhr 30. Der Anruf aus der Redaktion der Cahiers du Cinéma reißt mich aus dem Schlaf.

      „Bonjour et salut, du bist sicher die Biene, die Duane vertritt, während er den Superkapitalisten in London auf den Wecker geht“, sagt eine etwas gereizte männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Der Mann spricht Englisch mit SEHR starkem französischem Akzent.

      „Oui, Janet, ich vertrete Duane für West-Film“, antworte ich ganz durch den Wind.

      „Alles klar. Duane hat uns vorbereitet, dass du die Enkelin des großen Le Fou bist und dass du einiges draufhast, was die Filmgeschichte und den Journalismus betrifft. Kurz, du bist eine echte Cinéphile, und dir würde es nichts ausmachen, ein paar Pressevorführungen abzuklappern und die Kritiken online zu stellen“, sagt der Typ am anderen Ende der Leitung.

      „Ja, klar. Kein Problem. Aber wie komme ich in die Vorstellungen rein?“, frage ich.

      „Komm einfach bei den Cahiers du Cinéma vorbei und hol dir deinen Presseausweis ab, aber beeil dich, die erste Vorführung beginnt um 10, und gezeigt wird ein Marvel-Schinken, was Lockeres zum Aufwärmen für la fille américaine. Kurz, ein echter Dreck, bei dem du dich ärgerst bis zur Weißglut, dass du dir um 10 Uhr vormittags so einen Mist ansehen musst. Danach läuft La odisea de los giles aus Argentinien und zum Drüberstreuen Last Christmas, irgendeine Schnulze aus deiner Heimat, den Vereinigten Staaten. Der Verleih hat auch ein paar Stars nach Paris gebracht, die kannst du gleich interviewen, aber geh mit ihnen nicht zu hart ins Gericht, sonst schmeißen sie dich gleich wieder raus.“

      Der Redakteur der Cahiers du Cinéma, von dem ich nicht einmal seinen Namen weiß, beendet das Gespräch.

      Mère baise, ich muss sofort aus dem Bett.

      Oh my God, hoffentlich schlafe ich bei dem Mammutprogramm nicht sofort ein, es wäre kein Wunder nach so einer Nacht.

      Ich dusche, verzichte auf das Frühstück und eile in die Redaktion der Cahiers du Cinéma.

      Ein junger Typ, Marke französischer Wichtigtuer und Cinéphiler der harten Sorte, öffnet die Tür.

      „Bist du hier der Chef?“, frage ich.

      „Nein.“

      „Wer ist hier der Chef?“, frage ich.

      „Louis.“

      „Und wo ist Louis?“, frage ich.

      „In seinem Büro, wo sonst?“, sagt der Cinéphile und mustert mich, wie wenn ich Fleckvieh wäre.

      „Das hättest du auch gleich sagen können“, sage ich.

      „Stimmt, hätte ich können, aber ich habe es nicht gesagt“, sagt der Idiot.

      „Idiot. Sag mir endlich, wo das Büro des Chefs ist, bevor ich hier noch mehr Zeit verplempere“, sage ich.

      „Für eine Amerikanerin sprichst du sehr gut Französisch“, sagt der Cinéphile anerkennend und mustert mich noch immer wie das Fleckvieh.

      „Sag einmal, willst du mich schlachten?“, frage ich.

      „Eher flachlegen, dann habe ich keine Probleme mit den Flics“, sagt der Cinéphile.

      „Also so eine Unverschämtheit ist mir auch noch nicht untergekommen, und das in Paris“, mache ich mich wichtig.

      „Das Büro ist geradeaus“, sagt der Cinéphile und schickt mich mit einem Klaps auf den Po weiter.

      „Das ist ja unerhört. Ich werde mich beschweren“, protestiere ich.

      „Mach das beim Chef. Von Louis bekommst du den Presseausweis“, sagt der Cinéphile.

      „Wie ist dein Name?“, frage ich.

      „Eric. Wieso?“

      „Damit ich mich über dich beim Chef beschweren kann“, sage ich.

      „Dʼaccord, meinen Namen wirst du dir merken müssen“, sagt der Cinéphile.

      „Wieso? Eric, der größte Flegel von ganz Frankreich?“, frage ich.

      „Nein, der wichtigste Jungfilmer von ganz Frankreich. Salut!“, sagt Eric und haut mir noch einen Klaps auf den Po, aber einen festen.

      „Aua! Idiot!“ Ich eile zum Büro des Chefs hinüber, klopfe kurz an und trete ein.

      Mein Herz stockt, der Mann von gestern, mit dem ich im Kino war, mit dem ich in den Ateliers Sex hatte, und zwar sehr guten, gibt mir den Presseausweis und tut so, als hätte er mich noch nie gesehen. Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich verhalten soll. Soll ich diesem Filou, der am Wochenende nichts Besseres zu tun hat, als jungen Amerikanerinnen in Paris nachzustellen, die natürlich vom Tuten und Blasen, von den Sitten und Umgangsformen in so einer verbotenen Stadt wie Paris keine Ahnung haben, eine runterhauen, aber eine feste, weil dieser Verräter die übelsten Tricks aus der Mottenkiste des alten André Bazin ausgräbt, um mich in die Falle zu locken?

      Verdient hätte er sogar zwei Ohrfeigen, aber dann wäre ich meinen Job sicher sofort wieder los, noch bevor ich überhaupt eine Minute Film gesehen hätte.

      Monsieur Louis sieht mich an. Was soll ich tun? Soll ich einfach auf alles pfeifen und ihm in der Redaktion der Cahiers du Cinéma eine kleben, dass es sich gewaschen hat?

      Natürlich verweigere ich meine Reflexe. Ich stecke einfach den Presseausweis ein.

      „Husch, husch. Bist du noch nicht weg? Die fangen auch ohne dich an“, sagt der Idiot, der sich „Louis“ nennt und der angeblich Chefredakteur der wichtigsten Filmzeitschrift Frankreichs ist und der sich erlaubt, mich mit einem kräftigen Klaps auf den Po in die Gänge zu bringen.

      Oh my God, ja gibt es denn so etwas? Haben diese verrückten Franzosen noch nie etwas von der #MeToo-Bewegung gehört?

      Offensichtlich nicht, denn im Foyer bekomme ich von Eric gleich noch einen hinten drauf, weil ich noch nicht weg bin.

      „Na wartet, ihr französischen Imbéciles, wenn mir noch einer auf den Po haut, der fängt eine!“, schreie ich und knalle die Redaktionstür zu, dass es im ganzen Haus zu hören ist.

      Ohne weitere Komplikationen mit Personen männlichen Geschlechts erreiche ich das UGC Gobelins.

      Dort trauen die Presseleute von Marvel ihren Augen nicht, wen die Cahiers du Cinéma zur Pressevorführung geschickt haben, oder besser, sie können es nicht


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