Der Fehler im System. Peter R. Krüger

Der Fehler im System - Peter R. Krüger


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      „Verdammt noch mal, ich brauche drei Hände!“, fluchte Fayola, als sie sich in der Wartungsröhre halb liegend verrenkte, um den defekten Beta 5 Stabilisator auszubauen. Das verschmorte Teil hatte sich bei dem Treffer durch die Hitzeentwicklung ausgedehnt und war nun nicht mehr ohne weiteres aus der Sicherheitsaufhängung herauszubugsieren. Ihr Kopf lag auf dem Energieregler, während sie kopfüber versuchte, mit beiden Händen den Beta 5 vollständig zu lösen. Ein Unterfangen, das im Normalzustand schon schwierig war. Aufgrund der Deformation des Stabilisators wurde es fast unmöglich.

      Sie war froh, dass Walt die JAGELLOVSK in einen nahen Asteroidengürtel gesteuert und dort in halbwegs sicherer Position geparkt hatte. Ein paar kleinere Felsbrocken flogen hier zwar umher und es bestand ein geringes Risiko, getroffen zu werden, doch Walt hatte Liane und auch Junior darauf getrimmt, die Augen offen zu halten. Trotz Murren der Besatzung wurden zudem noch alle Systeme auf Notbetrieb reduziert, sodass die JAGELLOVSK annähernd auf Standby heruntergefahren wurde. So hatte Fayola die Gelegenheit, am Antrieb zu arbeiten, ohne zu befürchten, dass ein anderes System bei einer unbedachten Bewegung oder dem unvermeidlichen Aufprall eines Gesteinsbrockens aus dem Asteroidengürtel zu einer Spontanentladung und damit einer Gefährdung des Antriebs oder gar ihres Lebens führen konnte.

      Angestrengt versuchte sie, den Stabilisator jetzt in einer anderen Richtung aus der Sicherheitsaufhängung heraus zu bewegen. Ihre Arme reichten gerade weit genug, um das Gerät aus seiner Verankerung zu heben und im Umkreis weniger Zentimeter zu bewegen. Doch was sie auch unternahm, es half alles nichts. Das Gerät ließ sich nicht entfernen.

      Genervt suchte sie nach ihrem Armsprechgerät und schaltete es ein. „Walt, ich komme hier nicht vorwärts. Ich brauche unbedingt Hilfe, sonst können wir unseren Antrieb vergessen.“

      Walts tiefe Stimme meldete sich. „Was ist los, Fayola? Wo liegt das Problem?“

      „Das Problem ist dieser verdammte Beta 5. Das Ding wurde derart aufgeblasen, als uns der Pirat getroffen hat, dass er jetzt nicht mehr aus der Sicherheitsaufhängung herauszubekommen ist.“

      „Das ist nicht gut. Wir sind hier zwar nicht auf dem Präsentierteller, aber mir wäre es lieber, wenn der Antrieb bald wieder funktionstüchtig ist.“

      „Dann schick mir doch mal Hilfe runter!“, polterte Fayola daraufhin. „Ich brauche hier jemanden, der mir einen Arm zum Halten leiht. Am besten, du schickst Junior zu mir. Der kann sich gleich in ...“

      „Das geht nicht!“, unterbrach Walt. „Junior muss mit Liane die Flugbahnen der Asteroiden kontrollieren.“

      Fayola verdrehte die Augen. „Dann eben irgendjemanden.“

      „Wie wäre es mit Doctor Smith?“

      „Auch gut“, antwortete Fayola inzwischen etwas genervt. Allmählich hatte sie das Gefühl, als würden ihr die Arme einschlafen.

      „Dagegen muss ich protestieren!“, tönte es dann jedoch aus dem Armsprechgerät. Das war die Stimme von Smith, bemerkte Fayola. „Ich bin Arzt und kein Mechaniker. Das kann ja wohl auch jemand anders machen.“

      Jetzt wurde Walt ungehalten. „James, wir brauchen da unten jemanden, der Fayola hilft. Du sollst ja nicht gleich den ganzen Antrieb alleine auseinanderschrauben. Also sieh zu, dass du dich in den Wartungsbereich begibst, damit wir hier schnell wieder Energie haben. Verstanden?“

      „Unter Protest“, antwortete Smith, was Fayola nur noch mehr nervte.

      „Hör zu, Doc! Entweder kommst du jetzt runter und gehst mir zur Hand oder du kannst dir nächstes Mal eine andere Krankenschwester suchen, wenn du mal wieder Hilfe brauchst. Ich bin nämlich auch kein Mechaniker und schon gar nicht deine Hilfskrankenschwester, sondern Bordingenieurin und mir fehlt ein verdammter dritter Arm!“

      Stille. Fayola registrierte zufrieden, dass James Smith offenbar seine Ablehnung noch mal überdachte. Und richtig. Nur einen Moment später bestätigte er.

      „Na schön, ich komme. Aber ich hoffe für dich, dass meine Kleidung danach nicht völlig verschmiert und dreckig ist.“

      „Jetzt komm einfach runter! Am besten gehst du gleich in Abschnitt Delta und öffnest da die Serviceklappe 7C. Da passt nur dein Arm rein, aber den kann ich dann dirigieren, hast du verstanden?“

      „Ja, Fayola. Gib mir einen Augenblick, ich bin gleich da.“

      „Da das dann geklärt wäre“, schloss Walt die Diskussion ab, „machen wir uns hier in der Kommandozentrale wieder daran, einen Plan für die CHARGER zu entwickeln. Walt, Ende.“

      Na also, dachte sie, warum nicht gleich so? Brauchte der Kerl wirklich eine Extraeinladung? Sie schob sich ein Stück zurück in die Wartungsröhre und lehnte sich gegen die Wand, um sich einen Moment zu entspannen. Ihr Nacken meldete sich mit einem unangenehmen, drückenden Schmerz. Sie bewegte die Schultern und drückte den Rücken durch, so gut es ging, während sie mit dem Kopf kleine kreisende Bewegungen machte. Entspannung war hier schwierig zu erlangen. Aber diese kleinen Übungen sollten sicherstellen, dass sie die Arbeiten am Stabilisator gleich mit Smiths Hilfe schaffen sollte.

      Gerade, als sie den Beta 3 untersuchen wollte, hörte sie, wie sich die Serviceklappe öffnete, die sie Smith beschrieben hatte. Sie legte den Beta 3 wieder hin und kroch erneut in die richtige Position. Ihren Kopf auf den Energieregler gelegt, stellte sie fest, dass sich das Gerät unangenehm in ihren Hinterkopf drückte. Es wurde Zeit, die Reparatur zu beenden.

      „Hallo, James, bist du bereit?“, rief sie hoch und schlängelte dabei ihre Arme zum Beta 5 Stabilisator empor.

      „Ja, ich glaube schon. Aber sehen kann ich nichts.“

      „Das macht nichts. Ich dirigiere dich. Du musst nur das machen, was ich dir sage. Verstanden?“

      „Na schön“, seine Stimme klang alles andere als freudig. „Dann sage mir, was ich machen soll.“

      Mit einem leichten Druck hob sie den Beta 5 an. Das Geräusch, das der Stabilisator dabei machte, als er an der Sicherheitsaufhängung entlang schabte, versetzte ihr eine Gänsehaut.

      „Du muss jetzt deinen Arm ausstrecken und etwas nach unten greifen“, wies sie Doctor James Smith an. „Ja, so ist es richtig. Noch etwas nach rechts. Nein, andere Richtung.“ Sie vergaß, dass er eine andere Perspektive hatte. „Ja, so. Und jetzt greifst du nach dem Gerät direkt unter deiner Hand. Hast du es?“

      „Du meinst das Runde mit den Ausbuchtungen?“

      „Genau. Hast du es?“

      Er keuchte kurz. „Das Ding ist schwerer als gedacht. Aber ja. Was mache ich nun?“

      „Zieh es ein Stück hoch, bis du über die Sicherheitsaufhängung drüber bist. Ja, so ist es gut. Jetzt musst du aufpassen, dass du es vorsichtig herunterlässt. Wir wissen nicht, wie empfindlich es ist und wenn ...“

      „Achtung!“, das war Junior, „Felsbrocken im Anflug.“

      „Ausgerechnet jetzt“, schimpfte Fayola. „Halt das Teil gut fest!“

      „Aufschlag in drei, zwei, eins … festhalten!“

      Ein lautes Donnern hallte durch die JAGELLOVSK und zeitgleich erschütterte der Aufprall das gesamte Schiff. Durch die kinetische Energie löste sich eine der Halteklammern der Serviceluke und fiel hinab, als Smith laut aufschrie, dass er den Stabilisator nicht länger halten könne.

      „Halt ihn fest, Jim! Halt ihn!“ Sie sah, wie sein Arm durch die Erschütterung des Schiffs hin- und herschwankte und hörte den Doktor schnaufen und keuchen.

      „Lass ihn bloß nicht los oder wir gehen drauf!“ Sie wusste nicht, ob der Stabilisator tatsächlich explodieren würde, aber da das Gerät auf ihrem Hals landen würde, sollte er es jetzt loslassen, war sie sich sicher, dass zumindest sie sterben würde.

      „Ich kann es nicht mehr lange halten!“

      „Jim, nur noch einen Moment.“ Sie zog ihre Arme aus der Sicherungsaufhängung und schob sie anschließend


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