Schattendrache. Azura Schattensang
dass du erst wenige Stunden wieder im Schloss bist, bist du ziemlich gut informiert“, sagte Constantin.
Er hatte ebenfalls bemerkt, dass Raik ihnen etwas verschwieg, doch er fragte nicht weiter nach.
Raik grinste breit. „Ich habe gute Ohren. Wann wirst du aufbrechen?“
„Deswegen bin ich hier. Morgen früh, beim ersten Licht des Tages, werde ich los reiten. Ich wollte Aurelia darüber informieren.“ Er schob die Hände in die Taschen seiner Hose und trat unbehaglich von einem Bein auf das andere. „Außerdem treibt mich noch immer das ungelöste Rätsel um die maskierte Gestalt im Schloss um“, fügte er an. Seiner und Kyles Blick trafen sich.
„Da bist du nicht der Einzige“, brummte Kyle. „Wir haben das gesamte Schloss durchkämmt und jede Person mehr als einmal überprüft. Ohne wirkliche Spur sind wir zum Warten verdammt.“ Er drehte den Kopf und schaute zur Tür.
„Ist Aurelia drinnen?“, fragte Constantin, der Kyles Blick gefolgt war.
„Ja, zusammen mit Lillith. Die beiden dürfen aber im Moment nicht gestört werden“, seufzte Kyle.
Constantin sah ihn fragend an.
„Die Damen sind gerade dabei das Brautkleid auszusuchen“, erklärte Raik.
„Oh...“, machte Constantin. „Soll ich Sharon noch eben vorbeischicken?“
Kyle hob abwehrend die Hände. „Lieber nicht. Die beiden scheinen zwar momentan ganz gut miteinander auszukommen, aber wir wollen es lieber nicht übertreiben.“
Alle drei lachten herzhaft.
„Aurelia weiß über deine Abreise Bescheid. Wir kümmern uns um die maskierte Gestalt,“ sagte Raik. Constantin sah ihn verwirrt an.
Lachend tippte sich Raik gegen die Stirn. „Lillith kann meine Gedanken hören. Sie hat es eben an Aurelia weitergegeben.“
„Ach“, sagte Constantin und rieb sich über den Hinterkopf. „Habe ich glatt vergessen. Werdet ihr also weiterhin die Augen offen halten?“
„Darauf kannst du dich verlassen“, grollte Kyle und verschränkte die Arme. „Hoffentlich kannst du einige Informationen sammeln, die uns weiter bringen. Dieses blinde Umherwandern macht mich wahnsinnig.“
„Mich auch“, gestand Constantin und lehnte sich an die gegenüberliegende Wand. „Wie lange werden die beiden wohl noch brauchen?“
„Das kann noch eine ganze Weile dauern“, stöhnte Raik und lehnte sich im Sofa zurück.
„Weißt du später nicht eh, wie das Kleid aussieht?“, wunderte sich Constantin.
„Nein. Wir können schon einige Dinge vor unserem Partner verborgen halten. Es ist nur sehr anstrengend, weil man sich stets darauf konzentrieren muss nicht aus Versehen daran zu denken.“ Raik zwinkerte verschmitzt.
„Aha,“ machte Constantin und grinste breit. „Wollt ihr eigentlich die ganze Zeit hier draußen warten?“
„Hm.“ Raik legte die Stirn in Falten, während er nachdachte. „Jetzt wo du es sagst - ich hätte schon Lust auf eine kleine Mahlzeit.“ Er sprang auf und streckte sich, ehe er an Constantin herantrat. Die beiden sahen zu Kyle, welcher immer noch auf dem Sofa saß.
„Komm schon, Kyle. Lillith ist bei ihr. Einen besseren Wachhund wirst du nicht finden. Du musst dich auch mal etwas ausruhen.“ Raik fasste ihn an der Schulter und zerrte ihn auf die Füße.
Widerstrebend gab Kyle seinem Drängen nach. Mit einem letzten Blick auf die Tür, ließ er sich von den beiden in die Küche hinunter leiten. Dort angelangt, schwatzten sie der Köchin einen Laib Brot, ein Stück Käse und etwas kalten Braten ab. Zusammen mit einem Krug gewürzten Tees suchten sie sich mit ihrer Beute einen ruhigen Fleck in einer der vielen Nischen und machten es sich bequem. Kyle schnitt etwas Brot und Käse auf und reichte es herum.
„So...“, sagte Raik zwischen zwei Bissen. „Bist du eigentlich schon nervös?“
Kyle verschluckte sich an seinem Brot und begann zu husten. Schnell griff er nach seinem Becher und spülte es mit dem Tee herunter.
„Wie kommst du darauf?“, japste er.
„Na, eine Hochzeit ist schon eine ziemlich große Sache. Ich spreche da aus Erfahrung.“ Raik zwinkerte ihm zu.
Kyle räusperte sich und versuchte sich an einer unbefangenen Miene, scheiterte jedoch. „Um ehrlich zu sein... ja“, gestand er schließlich.
Raik lachte grölend und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Keine Sorge. Das Leben geht danach genauso weiter wie zuvor. Nur, dass sie dich noch mehr im Griff hat.“ Er zog die Platte mit dem Braten zu sich heran und schnappte sich ein dickes Stück. „Das Wichtigste ist, dass du ihr die Welt zu Füßen legst. Dann klappt das auch mit der Ehe.“ Er kicherte leise. „Glaube mir. Ich habe nämlich einen richtigen Drachen zur Frau.“
Constantin und Kyle sahen sich an, dann mussten sie lachen.
„Wie steht es eigentlich um dich und Sharon?“, wollte Kyle von Constantin wissen, um von sich selbst abzulenken.
„Wie soll es schon um uns stehen?“, wich Constantin aus.
„Sie begleitet dich zum Orden“, sagte Raik und zog eine Braue hoch. „Sie ist jung, hübsch und gebildet. Und offensichtlich an dir interessiert.“
Constantins Ohren begannen sich rot zu verfärben und er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Tee. „Ihr beiden interpretiert da irgendetwas hinein. Ich hege kein solches Interesse.“
Raik schlug ihm spielerisch gegen die Schulter. „Bist du krank, Junge?“
Constantin zuckte mit den Achseln. „Mit mir ist alles in Ordnung.“
„Ach, das wird schon“, sagte Kyle mit einem breiten Grinsen.
„Können wir vielleicht das Thema wechseln?“, bat Constantin und schnappte sich ebenfalls ein Stück vom Braten.
Kyle und Raik lachten und begannen sich wieder über die bevorstehende Hochzeit zu unterhalten. Als es schließlich dunkelte, verließen sie die Küche. Kyle und Raik begaben sich zurück zu Aurelia und Lillith, während Constantin einen anderen Weg einschlug und sich auf dem Weg zu seinem Zimmer machte. Er musste noch einige Taschen packen, ehe er das Schloss am nächsten Morgen verließ. Der Plausch mit Raik und Kyle hatte wesentlich länger gedauert, als er erwartet hatte und hatte seinen Zeitplan gehörig durcheinander gebracht. Doch er wollte sich nicht darüber beschweren. Ganz im Gegenteil: Er hatte es sichtlich genossen.
Er bog in den nächsten Gang ein, als er Schritte hinter sich hörte. Erstaunt blieb er stehen und drehte sich um. Fast erwartete er Sharon zu begegnen, doch der Gang war einsam und verlassen. Mit gerunzelter Stirn lief er den Gang bis zu dem Punkt zurück, wo dieser in einen anderen Gang mündete und sah sich um.
Es war niemand zu sehen.
Verwundert kratzte er sich am Kinn. Er war sich sicher gewesen, dass er Schritte gehört hatte. Mit einem unguten Gefühl im Bauch drehte er sich um und setzte seinen Weg fort. Ihm behagte es nicht, dass Schloss zu verlassen, während es noch so viele ungeklärte Fragen gab. Noch immer wusste niemand, wer sich hinter der maskierten Gestalt verbarg, die unter Roderichs Herrschaft für das verschwinden der jungen Frauen verantwortlich gewesen war. Doch seine Pflichten als Meister des Ordens riefen ihn und er musste ihnen nachkommen. Raiks Worte kamen ihm in den Sinn. Mit Lillith an ihrer Seite hatte Aurelia tatsächlich den besten Leibwächter, den man sich vorstellen konnte. Es erleichterte ihn ungemein, zu wissen, dass die beiden Drachen wieder im Schloss waren und ein wachsames Auge auf Aurelia hielten. Vielleicht würde auch Kyle nun etwas zur Ruhe kommen. Constantin erreichte sein Zimmer und trat ein. Nun musste er sich über andere Dinge den Kopf zerbrechen.
Aurelia stand in der Mitte