Vulkanjäger. Катя Брандис
Stolz quoll in mir hoch.
Ich hatte Aolani nicht ganz die Wahrheit gesagt. Ja, die Fontäne war auch schön. Ich hatte nicht geahnt, dass Vulkane so schön sein konnten ...
Mein Vater schob sich wieder auf seinen Sitz. „Hört mal zu, ihr beiden“, sagte er. „Ich würde gerne noch ein Stück weiter rangehen, aber vielleicht ist es besser, ihr seid dabei nicht an Bord. Mein Vorschlag: Wir setzen euch ein Stück entfernt ab, fliegen weiter und holen euch in einer halben Stunde oder so wieder ab. Okay?“
Aolani sah nicht sehr begeistert aus, doch mein Vater gab ihr einen Kuss, und schließlich nickte sie. Ich wollte fragen, was genau er mit „noch ein Stück weiter heran“ meinte, doch André hatte es eilig, ich sah, dass er ganz kribbelig war und endlich loswollte. Also sagte ich einfach: „Okay.“
Mein Vater redete kurz mit Gary, dem Piloten, dann drückte er mir ein Funkgerät in die Hand. Es hatte schon bessere Tage gesehen, an den Ecken war die Farbe abgewetzt und das blanke Metall schimmerte durch. „Hier, damit könnt ihr uns hören und wenn nötig rufen. Wir bleiben in Verbindung.“ Ich stopfte das Ding in die Tasche meiner Jeans.
Gary wollte auf dem mit Felsen übersäten Boden nicht landen, daher ließ er den Hubschrauber einen halben Meter über dem Boden schweben. Staub wirbelte auf und kratzte mir in den Augen. Aolani und ich kletterten auf die Kufe und hüpften von dort hinunter. Ich war mit einer schönen Frau aus einem Hubschrauber abgesprungen! Wenn ich das Noah und Finn erzählte!
Als der Hubschrauber mit ohrenbetäubendem Knattern wieder abgedüst war, blickte die schöne Frau an sich hinunter und sagte: „Fuck!“
„Was ist denn?“, fragte ich verwirrt.
„Ich hab den Rucksack mit meinen Sneakers an Bord vergessen“, stöhnte Aolani und strich sich ein paar in die Stirn gewirbelte Haarsträhnen hinters Ohr. „Mit Sandalen auf diesem Boden, das gibt zerschrammte Füße.“
„Wir könnten den Piloten rufen und sagen, dass er den Rucksack bei uns abwerfen soll.“
„Spinnst du? Da ist meine Kamera drin!“
Dann halt nicht. Ich blickte mich um. Wir waren völlig allein in einer schwarzen Wüste. Kein Baum, kein Grashalm, kein Tier, war in der Nähe, nicht mal eine Ameise sah ich auf dem rauen Boden. Auch Schatten gab es hier nicht. Mir war heiß und ich hätte gerne etwas getrunken, aber auch meine Wasserflasche war im Hubschrauber. Wir hatten nicht mal eine Bananenschale.
Schweigend beobachteten wir die Lavafontäne, die ich von hier aus mit der ausgestreckten Hand verdecken konnte, und sahen zu, wie der Hubschrauber sich ihr näherte. Aus dem Funkgerät drang der Soundtrack dazu.
„Jetzt umkreisen, bitte.“ Das war mein Vater.
„Roger.“ Die knappe Stimme von Gary.
„Mehr nach rechts. Und jetzt näher ran.“
„Ehrlich gesagt sind wir schon ganz schön nah. Die Turbulenzen sind übel …“
„Verdammt, gehen Sie näher! Sie versauen mir sonst die Aufnahme!“
Der Pilot murmelte etwas Unfreundliches, aber er tat wie geheißen.
Aolani seufzte tief. „Typisch André. Macht er das mit dir auch? Dich zu Sachen überreden, die dir gar nicht so recht sind?“
„Bisher ging´s noch“, meinte ich, und plötzlich mussten wir beide grinsen. „Meinst du diesen Auftritt am Krater?“
Sie verzog das Gesicht. „Na ja, dafür musste er mich nur ein bisschen überzeugen. Ich opfere Pele ja normalerweise auch, weißt du. Nur nicht in so einem Outfit.“
„Du hast es jedenfalls toll gemacht“, sagte ich verlegen, und Aolani strahlte. Ihre Zähne waren unglaublich weiß. „Danke. Ich bin schon in einem anderen seiner Dokumentarfilme. Aber nur zwei Sekunden lang, als Mädchen an der Hotelrezeption. Dort hab ich gearbeitet, als wir uns kennengelernt haben.“
Wir beobachteten wieder den Hubschrauber.
„Und jetzt ein bisschen tiefer.“
„Shit, nein! Wenn Lavastücke uns treffen, dann sehen wir verdammt alt aus!“
„Ach, halb so wild, ich zahle die Reparatur.“
Meine Hände verkrampften sich wie von selbst. Was machten die da? Warum hörte mein Vater nicht auf, den Pilot zu drängen? Ich blickte zu Aolani hinüber und konnte sehen, dass ihr das Ganze ähnlich unheimlich war wie mir. Sie hatte die Arme um den Körper geschlungen, als sei ihr kalt, und ließ den Blick nicht von der kleinen, gelb-weiß gestrichenen Maschine, deren Rotor in der Sonne flirrte.
Beunruhigt beobachteten wir, wie der Hubschrauber in den Turbulenzen der heißen, nach oben strömenden Luft schwankte. Von hier aus wirkte es so, als sei die Maschine schon direkt über der Feuerfontäne.
„Es geht mir nicht um die verfickte Reparatur – holy shit, ich will am Leben bleiben!“
„Ach, kommen Sie, da geht noch was. Noch ein bisschen tiefer…“
„Können Sie vergessen!“
Mein Daumen schwebte über der Sendetaste. Ich wollte ihn anschreien, vorsichtig zu sein, mit dem Mist aufzuhören, aber ich wusste, dass es nichts bewirken würde. Er hatte jetzt nur seinen Film im Kopf, bessere und noch bessere Bilder. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass Vulkanologe ein verdammt gefährlicher Beruf war, aber so richtig klar wurde es mir jetzt erst.
„Gut, dass sich Gary weigert. Er wird bestimmt gleich umkehren“, sagte Aolani und zwang sich ein Lächeln ab, das mich wohl beruhigen sollte. Immer wieder blickte sie sich um. Was war los? Fühlte sie sich unwohl hier?
„Besser, wir gehen schon mal zu einer Stelle, wo der Heli landen kann“, sagte die junge Hawaiianerin schließlich.
„Gute Idee“, meinte ich grimmig und trat gegen einen der Lava-brocken, die in der Gegend herumlagen. „Welche Richtung?“
Aolani zuckte die Schultern und so setzte ich mich einfach in Bewegung. Eigenartig, diese Lava hier. Sie bestand aus einer dünnen schwarzen Kruste, und wenn ich darauf ging, klang es, als würden unter meinen Füßen Eierschalen zerbrechen ...
„Stop!“ Aolanis Stimme klang erschrocken und ich reagierte instinktiv mit einem Schritt zurück.
„Was ist?“
„Das ist Muschelschalen-Lava! Ich kann es gar nicht glauben, Gary hat uns mitten in einem Gebiet mit diesem verdammten Zeug abgesetzt! Dieser Idiot!“
„Was ist daran so schlimm?“, fragte ich besorgt und blickte mich um. Die schwarze Ebene verriet nichts.
„Man kann einbrechen“, sagte Aolani gepresst, während sie hin- und herging und den Boden erkundete. „In eine Lavaröhre.“
Mein Puls beschleunigte sich. Jetzt fiel mir das Gespräch mit Jason, dem Vulkanologen aus dem Observatorium, wieder ein. Auch er hatte irgendetwas von Lavaröhren gesagt. „Besser, wir geben André Bescheid.“ Ich zog das Funkgerät aus meiner Hosentasche und drückte den Sendeknopf. „André, hier ist Jan – hörst du mich?“, fragte ich auf Deutsch. „André, bitte kommen.“
Leises Knistern. Aber keine Antwort. Ich versuchte es noch einmal auf Englisch. „André and Gary, this is Jan, can you hear me?“
Nichts. Ein eisiger Gedanke fuhr in mein Herz, und ich hob den Kopf, suchte den Horizont nach dem Hubschrauber ab. Aber wir hätten doch den Krach gehört, jagte es durch meinen Kopf. Wir hätten es bestimmt gehört, wenn er ...
Uff. Da war er, noch immer umkreiste er die Lavafontäne, jetzt schwebte er auf der Stelle, ein winziges Insekt vor dem Hintergrund der orangeroten Masse. Aber immerhin, ein fliegendes Insekt.
Noch einmal versuchte ich, meinen Vater zu rufen. Wieder keine Antwort. Es musste am Gerät liegen. „Das Scheißding ist kaputt“, sagte ich zu Aolani. „Warum haben wir es vorhin nicht kurz getestet?“ Halb ärgerlich,