Magic Stoner. Frank Pfeifer

Magic Stoner - Frank Pfeifer


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unangebracht. Ich telepathierte die Promillewarnzentrale an.

       »Hör mal, ist ok, ich trink nicht mehr so viel, aber lass die Witze mit den Bildern. Die Realität macht mich auch so schon fertig.«

       Ich vernahm keines der Zeichen, die verrieten, dass ich gehört worden wäre. Frohgemut öffnete ich den Kühlschrank wieder. Ich hatte die Tür gerade einen kleinen Spalt geöffnet, als ich schon die Stimme des Joghurts hörte.

       »Komm, friss mich.«

       Ich riss die Tür ganz auf. Der Joghurt schwebt dick und fett und rosa in einer Lichtwolke und hatte eine unheimliche Sogwirkung. Meine Hände wanderten fast von alleine nach vorne. Aber noch bevor ich den vielleicht verheerenden Griff getan hatte, wurde die Kühlschranktür zugeschlagen. Nana stand neben mir.

       »Was schreist du denn so?«

       »Hab ich geschrien?«, fragte ich verdutzt. Das hatte ich nicht gemerkt.

       »Ziemlich laut sogar.«

       »Was denn?«

       »Hat sich wie ein Rap angehört. FUCK-FUCK-FUCKING-BIER-INTERNATIONAL.«

       »Der Geist der Panik hatte mich in seinen Klauen. Jetzt sehe ich schon sprechende Joghurts, die mir erzählen, ich wäre der Knecht des Lichts.«

       »Und? Bist du es?«

       »Ich glaube, ich verändere meine Wahrnehmung. Manchmal wird mir das echt ein bisschen zu viel, Nana. Warum machen wir uns eigentlich den ganzen Stress?«

       »Was willst du sonst tun?«

       »Einfach am Strand liegen und faulenzen.«

       »Und warten, bis die Scheiße vom Himmel regnet?«

       »Nein, nur Sonne!«

       »Dann mach mal den Kühlschrank auf.«

       Ich sah den Metallkoloss an. Dann Nana. Dann wieder den Kühlschrank. Mit einem Yaqui-Kampfschrei öffnete ich die Tür. Drinnen wartete das FUCKING-BIER-INTERNATIONAL. Bitter und Kühl. Ein FUCKING-BIER- INTERNATIONAL heilt alle Wunden. Ich ging zurück ins Zimmer, ließ mich in einen Sessel gleiten und schaltete irgendein Streamingportal an. Und mich ab.

      6

      Der Kaffee in dem Autobahnrestaurant machte mich wieder etwas wacher. Das viele kühle FUCKING-BIER-INTERNATIONAL hatte mich ganz schön dösig gemacht. Jetzt waren es vielleicht noch fünfzig, sechzig Kilometer bis Bordeaux, nach und nach näherten wir uns Lissabon. In ein paar Stunden könnten wir bereits in Portugal sein, immer noch genug Zeit für den INTERNATIONALEN POLIZISTEN, in Berlin mit ihren Algorithmen unsere Spur zu enträtseln. Aber vielleicht hatten wir auch Glück.

      Inzwischen begann das Tageslicht davonzuschwimmen. Vor den Scheiben des Autobahnrestaurants breitete sich langsam Dunkelheit aus. Wir hatten heute ein paar hundert Kilometer geschafft und ich fühlte mich angenehm müde.

      Wir tranken den letzten Kaffee und verließen den leuchtenden Glaskubus. Diese Nacht würden wir hier schlafen. Ich hatte Lust in die Sterne zu gucken und einen Joint zu rauchen. Hinter der Tanke blühte eine Sommerwiese, wir legten uns hinein und sahen in die Sterne. Wir kifften, schauten dem Wind zu, der die Oberfläche des Grasteppichs zeichnete, Fledermäuse torkelten vorbei, in der Ferne quakten Autos.

      In dieser Nacht träumte ich von dem Wolf. Erst sah ich nur sein Gesicht, die Oberlippe nach oben gezogen, die Zähne gefletscht. Seine Nase zuckte als stände sie unter Strom. Seine Blutaugen. Dann wurde er plötzlich klein wie eine Ameise. Kilometerweit weg kläffte und knurrte er und es klang wie das Zirpen einer Grille. Ich lief am Strand entlang, Palmen, und das leise Geräusch der Brandung. Der Wolf lief beständig hinter mir. Ich ging mit nackten Füßen im Sand, ab und zu schaute ich zurück, aber der Wolf behielt seine Distanz. Die Sterne hatten die Milchstraße gefangen, irgendwann hörte ich das Flattern einer Fledermaus. Der Wind spielte leise in den Palmenblättern. Je öfter ich mich umsah, desto größer erschien nun der Wolf. Zuerst glaubte ich an einen Irrtum, an das Spiel meiner Visionen. Nach einiger Zeit aber spürte ich ein heißes Brennen in meiner Speiseröhre. Der Wolf behielt seine Distanz, aber sein Körper explodierte.

      Dann saß ich im Taxi. Die Tür ging auf. Ich sah nichts, hörte ein Knurren, drehte mich um, auf dem Rücksitz räkelte sich ein riesiges rosa Plüschkaninchen mit Polizeischärpe. In seinen Pfoten lag ein Maschinengewehr. Und das Formular. Bevor es schießen konnte, wachte ich auf.

      Ich lag im Gras. Nana war ebenfalls eingeschlafen. Über mir die Sterne. Stille. Kein Autogeräusch, keine Stimmen, nichts. Nur der Wind. Ich wusste nicht, ob ich so richtig wach war. Was war Realität? Was war Traum? Was war Wirklichkeit? Wann beginnt der Wahnsinn? Ich brachte das alles nicht mehr zusammen. Dann flog durch die sternenklare Nacht ein rosarotes Plüschkaninchen auf einer Flugabwehrrakete. Ich war also noch nicht wach. Ich schloss die Augen und wartete. Öffnete sie wieder. Nichts. Kein rosarotes Plüschkaninchen. Nur Nana neben mir.

      Der Traum hatte mich wachgerüttelt. Ich konnte nicht mehr einschlafen, setzte mich auf und lauschte in die Nacht. Stimmen kamen mit dem Wind. Ich hörte einen Hund in der Ferne bellen.

      *

       Irgendwie hatte ich es geschafft, Manfred zu motivieren. Langsam fing der Auftrag an, ihm zu gefallen. Seine Arbeitswut nach Dienstschluss hatte prompt die Aufmerksamkeit seines Chefs hervorgerufen. Aber Manfred fand das eher erfreulich, seine Worte am Telefon klangen glücklich.

       »Glaub mir, Wolf, es ist unbeschreiblich, mit welch liebevollen Blicken ich in letzter Zeit hier gesegnet bin.«

       Das Unternehmen als Ersatzfamilie. Manfred, das Kind, bekommt alles, was er braucht. Was außerhalb ist, die Welt, ist erstmal uninteressant. Realität? Oder Wahnsinn?

       »Vor einigen Tagen setzte sich sogar mein Chef während der Mittagspause an meinen Tisch und fragte nach meinen Plänen. Ich habe ja nun endlich eine sinnige Kombination unserer beiden Ansprüche gefunden.«

       Das machte mich neugierig.

       »Sag nicht, du kannst durch das Eindringen in Wissensdatenbanken in deinem Gebiet der Nutzerprofilerstellung Erfolge erzielen? Konstruktion durch Destruktion? Was hat dein geniales Hirn da ausgeheckt?«

       »Nun ja, die Idee ist eigentlich sehr simpel. Wir nutzen nicht nur unsere eigene Datenbank, sondern auch die Datenbanken anderer Firmen. Dadurch werden unsere Kunden immer transparenter und die Werbung, die wir ihnen anbieten, wird immer passender. Privater könnten man sagen. Der gläserne Kunde. Am Ende wissen wir mehr über den Kunden als er selbst. Und um die Datenbanken der anderen Firmen nutzen zu können, benötigt es natürlich eine gewisse Raffinesse. Denn wie du dir vielleicht vorstellen kannst, wollen diese andere Firmen ihr Wissen nicht so ohne weiteres mit uns teilen. Die Idee ist also, alle relevanten Datenbanken zu verknüpfen, ohne dass die Betreiber, also unsere Konkurrenten, das überhaupt bemerken.

       Für dich könnte ich dann dasselbe Prinzip für deine Vorstellungen modulieren. Ich bin vollkommen begeistert von dieser Idee, und überall wird mir aufgrund meiner innovativen Fantasie rege Anerkennung zuteil. Aber ich bin noch im Stadium des wilden Experimentierens, obwohl die Grundlinien deutlich vor meinem inneren Auge liegen. Immense Schwierigkeiten erwarte ich noch bei dem Überwinden spezieller Firewalls. Selbst die Verwaltung der EU, die einige Server bei uns gemietet hat, scheint angesichts der derzeitigen Krise ein Interesse an Möglichkeiten von Strategien des Datenabgleichs zu haben. Die Firma hat schon Erkundigungen bei dem Schwesterunternehmen CANIS angestellt, das, wie du weißt, Hardware für diese Technologie herstellt. CANIS ist zurzeit natürlich völlig überlastet, Rüstungsaufträge ohne Ende. Aber der Kontakt ist schon hergestellt, und es wird über die Entwicklung


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