ORGANE. Hannes Wildecker

ORGANE - Hannes Wildecker


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in Ihren Wagen. Es hat einen Toten gegeben. Offensichtlich…ach, was sage ich…mit Sicherheit war es Mord.“

      „Mord? Woher wissen Sie das so genau?“

      „Fahren Sie zum Tatort. Sie werden schon sehen. Ach, übrigens: Wie steht es mit Ihrer Kletterkunst? Besitzen Sie Bergsteigerausrüstung?“

      Ich sah im Geiste das breite Lächeln im Gesicht Wittensteins, verkniff mir jedoch eine Bemerkung, die auf meinen Lippen nach einem Ausweg suchte.

      „Der Tote liegt auf einer Felsansammlung im Waldgebiet zwischen Hentern und Schillingen“, meldete sich Wittenstein wieder. „Die Kollegen vom Dauerdienst und von der Polizeiinspektion Saarburg sind bereits vor Ort und sichern den Tatort. Rufen Sie folgende Handynummer an! Der Kollege wird Sie zum Tatort dirigieren.“

      Ich notierte die Nummer mit der rechten Hand, mit der ich auch Terry festhielt, auf meinem Notizblock und der Hund gab diesen Notizen durch sein Drängen, zum nächsten Markierungspunkt zu gelangen, eine eigene Note.

      „Wie es mit meiner Kletterkunst steht?“, hörte ich mich zu mir selbst reden und sah an meiner Kleidung herab. „So weit kommt es noch, dass ich einen Felsen hinaufkraxele.“

      „Wann bist du wieder zu Hause?“ rief mir Lisa nach, als ich das Haus verließ und ich zuckte im Weitergehen ratlos mit den Schultern. Sie würde mir das Essen warmhalten, mein Lieblingsgericht: Rouladen mit Rotkraut und Kartoffelpüree.

      2. Kapitel

      Der alte Opel Astra fauchte und spuckte, als ich ihm auf dem mit Schotter übersäten Waldweg hinter Hentern den steilen Hang hinauf die Sporen gab. Ich nahm meist meinen Privatwagen zum Tatort mit, wenn ich beispielsweise am Wochenende Bereitschaft hatte und zuhause in Forstenau darauf hoffte, dass es ein ruhiges Wochenende werden würde.

      Ich hing an meinem Gefährt, das mir nun schon 17 Jahre lang treue Dienste erwiesen hatte und mir wie ein Freund geworden war. Und genauso behandelte ich das Fahrzeug auch. Bei Extremsituationen wie dieser heute redete ich meinem Gefährt zu wie ein Reiter seinem Pferd, wenn es vor einem Oxer stand und den Dienst zu verweigern beabsichtigte.

      „Auf, alter Junge, wir schaffen das schon!“, rief ich und klammerte meine Hände mit aller Kraft um das Lenkrad, als sollte sich meine Kraft auf die des arg strapazierten Motors übertragen.

      „Es geht doch!“, rief ich erleichtert, als ich das Plateau erreicht hatte, hielt den Wagen an, kurbelte das Fenster der Fahrerseite herunter und sog die frische Waldluft, die den Innenraum des Autos zu überfluten gedachte, mit tiefen Atemzügen ein.

      Ich war immer wieder von Neuem von der Natur des Hunsrücks begeistert, von seiner Frische, der Vielfalt der Pflanzen, den herrlichen Farben und der Ruhe, die ich in meiner Freizeit nicht selten mitten in den Bäumen des Waldes suchte. Diese Leidenschaft teilte auch meine Lebensgefährtin Lisa mit mir, die sich von mir gerne mal hierher mal dorthin in die Regionen des Hunsrücks entführen ließ.

      Ich nestelte mein Handy hervor, das ich wieder einmal in meiner Hosentasche verstaut hatte, wozu ich erst einmal den Sicherheitsgurt lösen und mich zur Seite wälzen musste, um überhaupt in die Tasche zu gelangen und wählte die von Wittenstein angegebene Nummer. Es dauerte eine Weile, dann meldete sich Helmut Leuck von der Polizeiinspektion Saarburg. Er gab mir eine kurze Wegbeschreibung und zehn Minuten später traf ich am Tatort ein.

      Tatort war eigentlich zu viel gesagt, denn der lag nach Aussagen der Holzfäller rund zwanzig Meter über dem Standort der Anwesenden.

      Ich schaute mich suchend um und sah Leuck, der sich aus einer Gruppe Männer löste, auf mich zukommen.

      „Der Tote liegt da oben“, sagte er und zeigte mit dem Finger nach oben, zur Spitze des riesigen Felsens. „Die Leute hier nennen ihn ‚Fleschfelsen’, weiß der Geier warum. Da drüben stehen die Holzfäller, die ihn gefunden haben.“ Leuck drehte seinen Kopf mit dem dichten grauen Haar zu der Gruppe von Männern, die zum Teil noch in ihren Schutzanzügen steckte.

      „Was heißt: gefunden? Dort oben kann man doch nicht so einfach jemanden finden. Wer hatte denn dort oben etwas verloren?“

      Leuck runzelte die wettergebräunte Stirn, an deren Anzahl der Falten man wohl erkennen konnte, dass die Pensionierung dieses Beamten nicht mehr fern war.

      „Einer von ihnen ist da hochgeklettert. Ein Baum hatte sich in dem Felsen verkeilt und als dort oben ein Seil an der Baumspitze anband, um den Baum zu Fall zu bringen, entdeckte er den Toten.“

      „Ist die Feuerwehr verständigt?“

      „Nein, wozu?“

      „Die Dienststelle soll die Feuerwehr zur Bergung des Toten herbestellen“, sagte ich, ohne mich auf weitere Erklärungen einzulassen. „Ach ja, und dann noch das Übliche: Notarztwagen, Arzt, Leichenbestatter und so weiter. Ist der Tote identifiziert?“

      „Ja wie denn. Es war doch noch niemand dort oben.“

      „Also her mit der Feuerwehr! Sie soll das Leiterfahrzeug mitbringen, in Saarburg ist doch eines stationiert, soviel ich weiß. Wenn das nicht verfügbar ist, verständigen Sie bitte die Berufsfeuerwehr in Trier!“

      Leuck strebte von dannen und ich begab mich zu der Gruppe, in der auch die Holzfäller standen.

      „Wer von Ihnen hat den Toten, wenn es denn einen gibt, gefunden?“, fragte ich in die Runde.

      „Das war er hier, Theodor Heinen“, meldete sich ein älterer Waldarbeiter und schob den Genannten etwas nach vorne, in meine Richtung. „Er hat…“

      „Lassen Sie ihn doch selbst reden“, fuhr ich dem Mann ins Wort. Und zu dem jungen Arbeiter gewandt: „Erzählen Sie mal. Was haben Sie gesehen?“

      „Ja, das war so: Wir haben einen Baum gefällt…eine Buche … ein richtig dickes Ding. Doch der Baum fiel nicht so, wie er sollte und hat sich in dem Felsen verkeilt.“

      „Der Baum ist fast wertlos geworden dadurch, jedenfalls ist er kein Möbelholz mehr“, warf der ältere, der Heinen nach vorne geschoben hatte, ein.

      „Also weiter!“ Ich sah Heinen auffordernd an.

      „Ich bin dann hochgeklettert, um ein Seil an die Baumspitze zu binden. Damit wollten wir den Stamm in den Hang legen.“

      „Und dann haben sie einen…Toten gesehen?“

      Heinen sah zu dem Felsen hinüber und nickte.

      „Der Mann da oben liegt so da, als habe man ihn aufgebahrt. Er ist unbekleidet, nackt.“

      „Keine Kleidungsstücke da oben?“

      „Nur so etwas wie eine schwarze Decke. Liegt allerdings neben dem Mann.“

      „Haben Sie etwas Besonderes feststellen können? Verletzungen oder so?“

      „Ob ich etwas Besonderes festgestellt habe? Und ob ich das habe! Der Mann hat kein Herz mehr im Leib!“

      „Was heißt das: Kein Herz mehr im Leib?“

      „Ich war ja nicht so lange da oben, aber das habe ich genau gesehen. Sein Brustkasten ist offen, da ist nichts drin!“

      Ich schaute den Mann an, der vor Aufregung und offensichtlich darüber, dass er im Mittelpunkt stand, zitterte, und machte mir meine Gedanken. Wahrscheinlich hatten Raubvögel den Toten, der, auf welche Art auch immer, dort oben hingelangt war angefressen. Aber warum lag der Mann dann da oben?

      Ein grauer Pkw näherte sich und als er anhielt, stiegen Heinz Peters und drei weitere Kollegen von der Kriminaltechnik aus.

      Peters war so etwas wie ein Urgestein der Spurensicherung beim Polizeipräsidium Trier. Kollegen kamen, Kollegen gingen, doch Peters war immer da und im Geiste rechnete ich schon nach, ob man seine Pensionierung etwa vergessen hatte. Peters war noch einer aus altem Schrot und Korn. Auf ihn hatte ich mich immer verlassen können, an zahlreichen Tatorten hatten wir gemeinsam ermittelt und die fachlichen


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