Magisches Kompendium - Die Meditation. Frater LYSIR
nicht mehr Spielball der ungeweihten und höchst ablenkenden profanen Welt sein muss. Leider wurde durch religiöse Eiferer auch immer ein Passus in meditative Arbeiten eingefügt, welcher sich auf religiöse, psychologische und ethische Credos beziehen, die jedoch teilweise zu Dogmen mutierten. Gegen religiöse, psychologische und ethische Credos ist definitiv nichts einzuwenden, wenn sie die Freiheit des Individuums nicht begrenzen, doch wenn es darum geht, dass dogmatische Ideen einer Religion via Meditation regelrecht indoktriniert werden, ist dies eine kontraproduktive Eigenschaft. In diesem Fall muss die meditative Praxis reflektiert werden, denn es ist ohne Weiteres möglich, dass ein Dogma via Meditation als ein Lebenscredo bzw. als Maxime übernommen wird.
In diesem Sinne gilt wieder, dass man auch Dogmen verwenden kann, um darauf aufzubauen – ein festes Fundament ist essenziell für einen selbst erschaffenen Bau – doch man muss stets darauf achten, dass man nicht beginnt, unter einem Dogma zu leben. Die Meditation ist viel, viel mehr als nur ein „Akzeptieren“ eines Dogmas. Es ist vielmehr der Schlüssel zur Auflösung des Gleichen, denn wenn ich in der Meditation geistig und energetisch ein religiöses System reflektiere, kann ich (mit der Zeit) hinter das System schauen und „zwischen den Zeilen“ der jeweiligen „heiligen Schriften“ lesen. Dies gilt im Übrigen für jeden Text. Durch Achtsamkeit kann ich nicht nur ein Gebet in seiner Tiefe analysieren, sondern auch jede andere Form einer verbalen Kommunikation. Man kann es sich so vorstellen, dass sich die Fähigkeit entwickelt, ein Gespräch zu bereisen, um zu reflektieren, was die Quintessenz des Gespräches ist.
Ähnlich verhält es sich, wenn es um das Thema „Gebet“ geht. Hier muss man jedoch eine deutlich „Ost-West-Grenze“ ziehen, denn in den östlichen Religionen wird eine Meditation im Grunde mit einem Gebet gleichgesetzt. So wie es in klassischen Gebeten (die letztlich eine Art der magischen bzw. energetischen Anrufung darstellen) die ekstatische Phase geben kann, so existiert in der Meditation eine „Kraft“, aus der die Begriffe „Chan“ (chinesisch), bzw. „Zen“ (japanisch), bzw. Dhyana (Sanskrit) flossen. Hierbei ist der Begriff Dhyana der „Ursprung“, da sich die Begriffe „Chan“ (hierbei handelt es sich um Meditationsschule bzw. Meditationsart, die sich aus dem Mahayana, was soviel wie „Großer Weg“ bedeutet geformt hat) und „Zen“ (eine Meditationsart und eine philosophische Maxime, die auch wieder aus dem Mahayana stammt, aber auch starke Einflüsse durch den Daoismus/Taoismus erfährt) aus Dhyana ergaben. Dhyana (wortwörtlich als Brennen, Glühen, Leuchten übersetzt) stellt hierbei einen höheren Bewusstseinszustand da, welchen man via Meditation erreichen kann, um in einer „Selbstbeobachtung“ zu sein, in welcher es keine Ablenkungen, kein Ego, kein Raum und keine Zeit gibt.
In der westlichen Mystik wäre hier die „Gedankenstille“ das Pendant. Wenn man also in den östlichen Religionen und Maximen den Begriff „Meditation“ verwendet, geht es primär um den Zustand einer kosmischen Verbundenheit, die es ermöglicht, da es kein Innen und kein Außen gibt, sondern nur noch das Sein, das Alles ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff „Meditation“ auch eng mit dem Begriff „Yoga“ verbunden bzw. miteinander verwoben ist. Bei Yoga geht es aber nicht um eine sportliche Aktivität, um die Tiefenmuskulatur adipöser Europäer zu trainieren. Yoga muss schließlich „wortwörtlich“ verstanden werden, d.h., als „Vereinigung“ und „Integration“ – in Bezug auf die eigenen kosmischen, göttlichen und energetischen Anteile – und gleichzeitig auch als „Anschirren“ und „Anspannen“, was bedeutet, dass man seinen Körper als Vehikel bzw. als Werkzeug sieht, wodurch der Geist und die energetischen Anteile gezielt arbeiten können. Dies alles umfasst natürlich auch wieder die Selbsterkenntnis, was jedoch in vielen Yoga-Lehrgängen von den Teilnehmern als irrelevant abgetan wird. Um diese Selbsterkenntnis zu erreichen, bekommt der Mensch die Werkzeuge „Asana“ (Körperstellung) und „Pranayama“ (Atemtechnik), wodurch die Energien gezielt in der Physis des Menschen wirken können. Zusätzlich können auch besondere Klangformen (wie Sutren, Mantren oder Chants) verwendet werden, damit nicht nur ein physisches Ziel via Yoga erreicht werden kann, sondern auch ein psychisches. Hier ist der Ausspruch „Ein gesunder Geist, lebt in einem gesunden Körper“ zu reflektieren, der jedoch auch in umgekehrter Reihenfolge gilt. Zum Glück ist diese Maxime teilweise auch in den westlichen Ländern angekommen, auch wenn Übergewicht ein sehr „gewichtiges Thema“ bleiben wird. Doch primär werden Yoga und auch die Meditation in der Praxis dazu verwendet, dass sich der Mensch eine Hilfe bzw. eine Unterstützung erschafft, um sein allgemeines Wohlergehen und seine Gesundheit zu erhalten. Es ist daher nicht verwunderlich, und in meinen Augen auch sehr positiv zu bewerten, dass die meditative Praxis mittlerweile auch in die Breiten der Psychotherapie Einzug gefunden hat.
Wenn man nun wieder etwas in die spirituellen Traditionen schaut, kann man im Allgemeinen sagen, dass in allen magischen Systemen und Richtungen, in denen mit einer Meditation gearbeitet wird, diese als Werkzeug verwendet wird, um mit sich oder mit anderen Ebenen in Kontakt zu treten. D. h., auf der einen Seite wird die Meditation dazu verwendet, mehr über sich zu erfahren, auf der anderen Seite wird die Meditation dazu verwendet, mehr über das gesamte Umfeld (damit ist nicht nur diese Dimension gemeint, sondern alle Dimensionen, die man via meditativer Arbeit erreichen kann) zu erfahren. Hier kommt es – wie immer – auf eine individuelle Meditationstechnik an. Dieses Mal bekommt die „individuelle Meditationstechnik“ jedoch einen besonderen Stellenwert, denn es gibt letztlich so unsagbar viele Meditationstechniken, dass es nicht ganz einfach ist, diese zu überschauen. Man kann natürlich bei den Unterscheidungen „grobe“ und „feine“ Einteilungen treffen, sodass man erst einmal eine oberflächliche Einteilung besitzt. Man kann hier die Unterteilung zwischen religiöser und magischer Praxis treffen. Natürlich gibt es auch hier viele Überschneidungen, da man nicht immer eine „Schwarz-Weiß-Grenze“ ziehen kann, doch ist es einfacher, eine nachvollziehbare Unterteilung zu schaffen, wenn man religiöse Technik von der magischen Technik der Meditation unterscheidet. Zwar kann man sagen, dass all diese Meditationen Werkzeuge sind, Werkzeuge, die die Menschen dazu verwenden, dass sich das Alltagsbewusstsein transzendiert, doch spielt hier der gezielte Wille das Quäntchen an der Waage. Viele Religionen basieren darauf, dass man die „göttlichen Effekte“ nicht hinterfragt, sondern einfach als „gegeben“ akzeptiert – frei nach dem Motto „Du hast göttliche Gnade erfahren. Sei froh und frage nicht nach dem Warum.“ Aus magischer Sicht wird so etwas jedoch primär nicht akzeptiert. Hier wird weiter „geforscht“ bzw. es werden die verschiedensten Sphären nach Antworten durchsucht, da es um ein „gleichberechtigtes Verhalten“ geht und nicht um einen Kadavergehorsam.
In der Magie werden die Götter, die Engel, die Dämonen, die Geister – also alle kosmischen Energien – als gleichwertig betrachtet bzw. sie werden geschwisterlich gesehen, sodass es kein „in den Staub werfen“ gibt, wenn man mit einer Energie kommuniziert, die man einer Götter- oder einer Engelssphäre zuordnen kann. In der Magie wird ein aktives „Mitgestalten der Existenz“ forciert. Die Magie wird als ein „gegenwärtiges Erleben“ gesehen, eine Art energetische Erinnerung an eine „Zeit“, als es noch keine Zeit gab – also an einen Zustand, den man als reine Energie beschreiben könnte. In der Magie werden hier spezielle Visionen intensiviert, welche man in Bezug auf die Zukunft deuten kann. Es geht also um ein aktives Mitgestalten seines (möglichen) Lebensplans, was u. a. auch dazu führen kann, dass man Ängste, Lähmungen und andere Unzulänglichkeiten energetisch ablegt. Dadurch, dass man sein Leben aktiv gestalten kann – primär in Bezug und im Einklang mit der Lebensaufgabe, sekundär auch in Bezug auf die Existenzaufgabe – erhält man eine Greifbarkeit, sodass die Ratio und das Bewusstsein ein vollkommenes Gewahrsein erfahren können, welches auf der einen Seite eine tiefe Entspannung bewirken kann, auf der anderen Seite aber eine kosmische Erkenntnis birgt. Man tauscht das Prinzip des Zufalls gegen das Prinzip des ZU-Falls, d. h., man akzeptiert und versteht philosophische Sinnsprüche wie „Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit“ oder „Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will“. Man versteht, dass man sein Leben und somit sein „Schicksal“ selbst gestalten kann, wodurch man den Status „Spielball der Umgebung“ verliert und sein eigener Herr wird.
Aus diesem Zusammenhang heraus wächst jedoch die Erkenntnis, dass man letztlich alles als eine Art der Meditation verstehen kann. Daher will ich im Folgenden eine kleine Aufstellung, mit einer jeweiligen Kurzerklärung anbieten, was man alles unter dem Begriff