Brautwerbung. Solveig Kern
den Status, den man für eine künftige Königin erwarten möchte. Die Furukim schätzen die Almanen gering. Sie gelten als Wilde, die in Erdhöhlen hausen. Eine Almanin als Königin würden sie niemals akzeptieren. Die Zauberclans lehnen Sigrun ab, weil sie aus keinem der alten Geschlechter stammt. Habe ich etwas vergessen?“
„Ja, Ihr habt etwas vergessen“, erwiderte Suza mit strengem Blick. „Als Ihr in Knyssar mit dem Feuerkönig um die Herausgabe des Schlüssels verhandeltet, habt Ihr ihm Yerion als Königin vorgestellt. Er hat sie akzeptiert und Euch die Rettung des Tempels ermöglicht. Sie wird bei den Krönungsfeierlichkeiten an Eurer Seite stehen. Jede andere wäre ein Affront gegen die Götter!“
Mauro wurde blass. Daran hatte er nicht gedacht. Mit dem mächtigen Schutzpatron des Landes mochte er sich nicht anlegen. War dieser selbst es gewesen, der Sigruns Reise nach Mandrilar verhindert hatte? Wollte er Mauro davor bewahren, einen unverzeihlichen Fehler zu machen? Er fasste sich und sprach mit ernster Miene: „Prinzessin Yerion hat in Ostgilgart beim Schmieden des Ringes geholfen, sie sang das Lied der Königin für mich. Unzählige Male haben sie und die ihren mich auf meinem Weg unterstützt. Ohne den Schutz und die Hilfe aus Yian Mah wäre ich niemals so weit gekommen. Nichts Geringeres schulde ich Königin Merowe, als dass ich ihre Tochter zur Königin erhebe.“
„Ihr wollt Yerion zur Königin erheben?“ fragte Suza mit einem fast mitleidigen Lächeln. „Diese Macht habt ihr nicht. Ihr durftet sie vorschlagen, und das habt Ihr getan. Die letzte Entscheidung trifft die Große Mutter. Sie hat Yerion akzeptiert. Die junge Königin verbrachte mehrere Wochen im Tempel, ehe wir sie nach traditionellem Ritus inthronisiert haben.“
Mauro sah Suza verdutzt an. „Dafür brauchte es mich gar nicht?“
Suza musterte Mauro missbilligend: „Wie viele Männer hier habt Ihr vergessen, dass Frauen nicht von Natur aus zur Bedeutungslosigkeit verdammt sind. Die Königin ist die Stellvertreterin der Großen Mutter auf Erden, die Patronin aller Frauen. Sie zu berufen ist reine Frauensache. Die Riten, denen sie vorsteht, sind beinahe so alt wie die Menschheit. Sie stammen aus der Zeit der Herrschaft der Großen Mutter. In unseren Tempeln hüten wir auch dieses Wissen.“
„Ich höre zum ersten Male, dass Furukiya eine Göttin hat“, verteidigte sich Mauro. „Duldet der eifersüchtige Gott Furuk sie neben sich?“
„Furuk hat niemals gegen die Verehrung der Großen Mutter Einspruch erhoben. Jahrhundertelang haben sie im Tempel einträchtig nebeneinander gehaust. Sie galten gar als vertrautes Paar. Um ein Kind zu zeugen, braucht es Vater und Mutter. Wir Priesterinnen nehmen das Göttliche sowohl in männlicher als auch in weiblicher Erscheinungsform wahr. Es ist dual und doch zu einer Einheit verschmolzen, wie die zwei Hälften eines Kreises.“
„Wie kam es zur Unterdrückung des weiblichen Prinzips?“
„Mit dem Patriarchat setzte sich die Überzeugung durch, dass das männliche Prinzip dem weiblichen überlegen ist. Von dort war es nur ein kleiner Schritt, Furuk zum alleinigen Gott zu erheben. Doch erst König Curon untersagte die Riten zu Ehren der Großen Mutter. Er tat es aus Schmerz über den Tod seiner geliebten Schwester, die seine Königin war. Als müsste er die Große Mutter dafür strafen, dass sie ihm Alia nahm!“
„Ich verstehe. Als Königin Alias Stellvertreterin hättet Ihr König Curon Einhalt gebieten müssen, als er die althergebrachten Riten immer dreister entfremdete. Ihr habt es nicht gewagt…“
Suza sah Mauro prüfend an: „Werdet Ihr die Verehrung der Großen Mutter wieder zulassen?“
„Selbstverständlich“, erwiderte Mauro. „Auch ich habe eine mächtige Schutzgöttin: Morrigan.“
„Morrigan ist nur ein weiterer Name der Großen Mutter. Einer der zahllosen Arme, die sie den Menschen hilfreich entgegenstreckt. Wir werden die Schutzgöttin unseres Königs in unsere Gebete einschließen!“
„Welche Rolle wird Yerion bei der Krönung spielen?“ wollte Mauro wissen.
„Früher war es das Privileg der Königin, den König zu krönen. Das ist längst in Vergessenheit geraten. Yerion wird die Große Mutter beschwören und durch sie dem Volke kundtun, dass der neue König den Göttern wohlgefällig ist. Das ist alles, was von ihrer Macht übrig blieb. Außerdem ist sie Eure Partnerin im Fruchtbarkeitsritual, das Ihr nach eigenem Bekunden in Anschluss an die Krönungszeremonie vollziehen wollt.“
Mauro nickte. Das hatte er in Knyssar versprochen.
Während Hohepriesterin Suza ihm schilderte, was sie sich für das Fruchtbarkeitsritual überlegt hatte, hing Mauro eigenen Gedanken nach. Nun wusste er, warum Furukiyas Königin des Zauberns kundig sein musste: zu ihren Aufgaben gehörten Rituale und magische Beschwörungen. Dafür war Sigrun nicht ausgebildet. Sie wäre ernsthaft in Gefahr gewesen, hätte er darauf bestanden, sie zur Königin zu machen. Wahrscheinlich hätte sie Mandrilar nicht lebend erreicht. Doch wie sollte es weiter gehen? Würde Yerion für den Rest seines Lebens die Frau an seiner Seite sein? Der Gedanke widerstrebte ihm. Die Tochter der Hexenkönigin hatte sich mehrfach dagegen verwahrt, den Alltag mit ihm zu teilen. Doch war da nicht ein Hintertürchen gewesen? Mauro ließ sich das Gespräch mit dem Feuerkönig durch den Kopf gehen. Plötzlich kam es ihm in den Sinn: >Du hast Sie nicht als Deine Gattin erwählt? Wie klug von Dir, rituelle Verpflichtungen von Deinem privaten Lager zu trennen< hatte der Feuerkönig gesagt.
„Yerion ist meine Königin, nicht automatisch meine Gattin?“ fragte er Suza. „Dann könnte ich es halten wie mein Vater, der auch keine Gattin an seiner Seite hatte.“
„Das steht Euch frei“, bestätigte Suza. „Die großen Riten sind in jedem Fall der Königin vorbehalten. Sie und ihre Nachkommen stehen in der Rangordnung ganz oben.“
Mauro erinnerte sich, dass die Elfenkönigin ihn in Sarn als „Herrn zweier Häuser“ willkommen geheißen hatte. Eines davon würde Yerions Haus sein. Wer war die Herrin des zweiten? Würde er eines Tages Sigrun vergessen und eine neue Liebe finden? Oder war ihm, wie seinem Vater Curon, das Schicksal quälender Einsamkeit bestimmt?
Friedensordnung
Mauro hatte sich vorgenommen, alle anstehenden Fragen der Friedensordnung noch während seines Aufenthaltes in Alicando zu klären. So führte er in der königlichen Burg eine Vielzahl von Gesprächen mit Fürsten und Togweds.
Mit seinen jungen Ithryn spielte er wieder häufig „Beste aller Optionen“, eine Prozedur, die sich bereits in Moringart bewährt hatte. Dabei kamen für eine bestimmte Situation alle möglichen Handlungsoptionen mit ihrem Für und Wider zur Sprache. Dieses Denkspiel war eine echte Herausforderung für die jungen Ithryn, denn es verlangte Sachkenntnis ebenso wie Kreativität und rasches Kombinieren.
Parallel dazu beschäftigten sich Arbeitskreise mit Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Steuerfragen.
Natürlich war auch die Frage der Lehen ausgiebig erörtert worden. In einem zähen Ringen hatte Mauro einen Ausgleich erzielt, dem alle Beteiligten zustimmen konnten. Die Xalmeidas erhielten wie gefordert die Nordburg. Alagos würde ein ansehnliches Lehen in den Kupferbergen erhalten. Die Grenzziehung gegenüber der Provinz Passar wollte Mauro erst vor Ort entscheiden. Den Handel mit Fürst Leor, der Amrun zurückgeben sollte, würde er im Moment noch nicht bekanntgeben. Dazu galt es, erst mit Fürst Torren eine Einigung zu erzielen. Der unvermeidbare Gang nach Tolego lag Mauro schwer im Magen.
Die neue Militärordnung sah vor, dass der Grenzschutz künftig Aufgabe der Regionalverteidigung sein würde, die den Fürsten unterstand. Uluk und Alagos waren als Oberbefehlshaber für die Koordination verantwortlich. Damit war Pados Truppe obsolet. Vor allem die Maiyar-Fürsten hatten deren Auflösung betrieben. Sie wollten wieder Herr im eigenen Hause sein.
Mauro sah die Nachteile einer dezentralisierten Lösung, doch Verhandlungen sind ein Geben und Nehmen. Letztendlich hatte Mauro im Austausch gegen andere Zugeständnisse dem Konzept der Fürsten zugestimmt.
Pado sollte als Mauros Statthalter an die Südküste des Binnenmeeres gehen. Außerdem hatte Mauro die Rückgabe