Hans der Pole. Gräfin Bethusy-Huc
klar, dass Ihre Wünsche sich in bescheidenen Grenzen zu halten haben, da lässt sich über die Sache reden. Sie sind doch wohl gekommen, um meinen Rat einzuholen, nicht wahr?“
Herr von Wolffen bestätigte das.
Der Generaldirektor fuhr fort:
„Die Zeiten, wo der „Dumme“ in der Familie Landwirt wurde, sind natürlich vorüber – heutzutage gehört zum Landwirt nicht bloß ein guter Kopf mit etwas kaufmännischer Schulung, sondern auch Energie, Tatkraft und dergleichen. Ich kenn Sie nicht, Herr von Walsberg, weiß also nicht, ob Sie sich zum Landwirt eignen. Aber wenn Sie wollen, behalte ich Sie hier auf meinem Hofe, wo eben eine Elevenstelle beim Inspektor Marker frei geworden ist. In einem Halben Jahre will ich Ihnen dann sagen, ob Sie nach meinem Dafürhalten das Zeug dazu haben, ein tüchtiger Landwirt zu werden. Ist Ihnen das recht?“
Die ganze Art des Mannes flößte Hans Vertrauen ein.
„Ja, Herr Generaldirektor“, antworte er schnell.
„Wollen sie sich dann mit Marker ins Einvernehmen setzen und wollen sie zu Tisch meine Gäste sein? Wir essen in einer Stunde.“
Herr von Wolffen und sein Mündel nahmen die Einladung an; dann begaben sie sich in den Wirtschaftshof, während der Generaldirektor dem Herrenhause zuschritt.
Auf der Veranda an der Rückfront des Hauses wurde der Tisch gedeckt.
„Legen sie zwei Kuverts mehr auf“, rief der Generaldirektor im Vorbeigehen dem Diener zu.
„Befehlen, Herr Direktor!“ klang es zurück.
„Wer kommt denn, Papa?“ fragte Adelka, die soeben eine Schale mit Feldblumen auf den Tisch gestellt hatte.
„Zwei Herren, die Du doch nicht kennst, Kleine.“ Damit schritt er vorüber seinem Zimmer zu, wo ein Stoß Korrespondenzen der Durchsicht wartete.
Es kam so oft vor, dass der Generaldirektor noch im letzten Augenblick Gäste einlud, dass der Mittagstisch immer darauf eingerichtet war und das einfache, aber stets ausreichende Menu nie geändert wurde.
Mit dem Schlage der anberaumten Zeit trat der Generaldirektor auf die Veranda, wo seine Frau und Fräulein Rosen, die Erzieherin Adelkas, ihn erwarteten.
„Die Herren noch nicht da“, fragte er mit einem leichten Tone von Ungeduld in der Stimme, „und Adelka auch nicht?“
Da kam diese mit erhitztem Gesicht die Stufen der Veranda heran gesprungen und berichtet atemlos:
„Die Herren sind schon im Hause, ich habe sie hereingehen sehen, und, Papa, den einen kenne ich aber doch, das ist ja der arme Leutnant, dem sie sein Gut weggenommen haben.“
In diesem Augenblick wurde die Tür des Gartensaals geöffnet, und der Generaldirektor stellte seine Gäste vor. Hans kam neben Adelka zu sitzen.
„Nun, welchen Eindruck haben Sie bei dem Inspektor Marker empfangen, Baron Walsberg?“ fragte der Generaldirektor.
Auf Hansen Stirn stand wieder die tiefe Falte, denn der Inspektor und seine Frau hatten ihm wenig gefallen.
„Ich denke, meine Beziehungen zu Herrn Marker werden mehr sachlicher als persönlicher Art sein“, sagte er.
Der Generaldirektor lachte, Herr von Wolffen lobte das Zimmer, das Hans angewiesen worden war, und Adelka machte wieder sehr erstaunte Augen.
„Na, ich merke schon, mein guter Marker hat nicht gerade seinen beau jour (schönen Tag) gehabt“, bemerkte der Generaldirektor, „aber lassen Sie sich dadurch nicht abschrecken. Er ist sehr tüchtig, und man kann sehr viel bei ihm lernen. Seine Frau ist mir allerdings auch fatal, weil sie immer mehr vorstellen will, als sie ist. Aber mit der werden sie ja nicht viel zu tun haben.“ Er wandte sich an Herrn von Wolffen inbetreff einer wirtschaftlichen Angelegenheit, und Frau Blei sagte:
„Wie ich höre, kommen Sie zu uns, Herr Baron, das heißt, zum Inspektor Marker. Da möchte ich wiederholen, was mein Mann sagte: lassen Sie sich nicht durch den ersten Anschein abschrecken.“
Erst gegen das Ende der Tafel kam Hans dazu, auch an Adelka das Wort zu richten. Er fragte, ob sie noch lange bei Ardens geblieben sei, denn er erinnerte sich recht gut sie dort gesehen zu haben.
„Nein“, antworte sie mit rotglühendem Gesicht, „ich bin niemals lange irgendwo.“
„Wenn man nur ein einziges Kind hat, trennt man sich ungern von ihm“, bemerkte ihre Mutter, zu Hans gewandt.
„Ihr Fräulein Tochter wird also ganz im Hause erzogen?“ fragte er.
„Ja, mein Mann wünscht es so. Sie wird mit Markers beiden Töchtern zusammen unterrichtet.“
„Ich will kein Pensionsdämchen aus meinem Mädel machen“, mischte sich der Generaldirektor ein, „außerdem finde ich es grausem, ein Landkind der höheren Bildung wegen in die Stadt einzusperren, und an Fräulein Rosen haben wir eine so vorzügliche Kraft – nein Sie brauchen nicht rot zu werden, liebes Fräulein“, wandte er sich an die Erzieherin, „ich mache keine Komplimente.“
Frau Blei lachte.
„Nein, den Vorwurf hat Dir gewiss noch niemand gemacht.“
Der Kaffee wurde unter den Linden vor der Veranda genommen. Alles atmete ein fröhliches Behagen, und wenn Hans damit den kurzen Aufenthalt im Markerschen Hause verglich, war ihm zumute, als sei er aus einem engen Keller in den warmen Sonnenschein hinausgetreten, und er konnte sich nicht einmal Rechenschaft darüber geben, ob dieser Sonnenschein mehr durch die Persönlichkeit des Generaldirektors oder durch das gütige Lächeln seine Frau ausgestrahlt wurde. Adelka erschien ihm noch zu jung, um sie mit in Betracht zu ziehen, aber ihr liebliches Kindergesicht störte das heitere Bild dieses Familienkreises jedenfalls nicht.
IX.
Hans war seit ein paar Wochen in das Giebelzimmer des Markerschen Hauses eingezogen. Von früh um vier Uhr ab war er zu Fuß oder zu Pferd unterwegs, um die verschiedenen Arbeiten kennen zu lernen. Die viele Bewegung in der frischen Luft behagte ihm, aber es wurde ihm schwer, sein Gedanken und seine Aufmerksamkeit längere Zeit auf eine Sache wie die Arbeit eines Heuwenders oder das Behacken von Rübenfurchen zu konzentrieren. Auf den Waldwiesen, war die Heuernte in vollem Gange. Hans stand am Waldrande und unwillkürlich schweiften seine Gedanken über die Wiesen hinweg fernen Tagen zu, wo er seine Waldgänge im Waroziner Revier gemacht hatte. Hoch über der Wiese schwebte ein Weih, nach Raub ausspähend. Hans sah ihm nach. Jetzt wäre er in Schutzhöhe gewesen, nun hob er sich wieder höher.
„Was ist denn das hier für eine Lodderwirtschaft!“ schrie Herrn Markers Stimme ärgerlich in Hansens Träumerei hinein.
Er hielt auf seinem Braunen mitten auf der Wiese, wo die Leute in einem Knäuel zusammengedränt standen. Hans ging eilig dort hin.
„Herr von Walsberg“, schrie ihn Marker an, „wo stecken Sie denn, wie können Sie dulden, dass die Leute hier faulenzen und Reden über den kaputten Heuwender halten, von dem sie doch nichts verstehen. Er muss sofort in die Schmiede, die Mädel gehen hinüber auf die Marienwiese und helfen beim Aufladen, der andere Heuwender muss hier die Arbeit allen fertig machen. Wozu Sie aber hier stehen, wenn Sie solche einfache Dispositionen nicht selbst treffen können, das weiß ich nicht.“
Hans schwieg, aber er wandte sich kurz um und ging nach Hause. Er war empört darüber, dass Herr Marker ihn vor den Leuten schalt wie einen Schulbuben, es widerstrebte ihm, sich mit ihm in eine Auseinandersetzung einzulassen; aber er ging geradeswegs zum Generaldirektor, um sich zu beschweren. Er war doch immerhin Offizier gewesen und durfte sich eine derartige Behandlung nicht gefallen lassen.
Der Generaldirektor empfing ihn in seinem Arbeitszimmer und hörte seinen Bericht an. Dann fragte er: „Ja, mein lieber Walsberg, was machten Sie denn eigentlich auf der Wiese?“
„Ich beaufsichtigte die Leute“, antwortete Hans, und in demselben Augenblicke fühlte er, was ihm in seinem Ärger ganz entgangen