Elementa. Daniela Kappel

Elementa - Daniela Kappel


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vergraben. Auch er sah Daria eindringlich an. „Kannst du es spüren?“, fragte er leise.

      Daria nickte stockend.

      Ben öffnete eben den Mund, vermutlich, um noch eine Trillion mehr Fragen zu stellen, da ging erneut die Tür auf und die Zwillinge stürmten ins Zimmer.

      Lea ließ einen Wutschrei los und knallte die Tür so fest zu, dass Liam einen Satz nach vorne machte.

      „Hey, was ist denn los?“, wollte Ben wissen.

      Lea biss hart die Zähne zusammen, sodass ihre Kieferknochen spitz aus ihrem grimmigen Gesicht hervorragten.

      „Es ist wegen unserer Mutter“, antwortete Leo an ihrer statt. Er legte seiner Schwester eine Hand auf die Schulter, doch sie war zu aufgebracht, um diese Geste der Beschwichtigung annehmen zu können.

      Stattdessen schüttelte sie ihn ab und tigerte in dem kleinen Raum auf und ab. Mit gepresster Stimme begann sie zu erzählen: „Sie hat uns all die Jahre belogen. Unser Vater ist gar nicht bei einem Autounfall gestorben, sondern wurde offenbar von Anhängern einer radikalen Gruppe getötet. Er, Izzys Vater und die Eltern von Ben waren für irgendeine Garde unterwegs und wurden angegriffen. Unser und Izzys Vater haben es nicht heil herausgeschafft. Ich habe ja keine Ahnung, was Izzys Mutter ihr über den Tod ihres Vaters erzählt hat, aber so wie es aussieht, sind unsere Eltern alle elende Lügner.“ Lea schnaubte ein paar Mal, verzweifelt bemüht, ihre Wut und Kränkung in den Griff zu bekommen.

      Ihr Bruder wirkte ebenso erschüttert. Von seiner üblichen Lässigkeit war nichts zu spüren, während er mit rauer Stimme weitererzählte: „Mitten in der Nacht hat bei uns das Telefon geklingelt. Mama ist völlig ausgerastet. Wie eine Furie hat sie in das Telefon gebrüllt.“ Er schüttelte seinen Kopf.

      Lea ergriff wieder das Wort: „Sie hat uns von diesem Geheimbund, der Garde, erzählt, und dass unser Vater dumm und von ihren Idealen geblendet gewesen sei. Sie wollte mit uns irgendwohin abhauen. Doch dann sind zwei Typen der Garde bei uns aufgetaucht und haben uns aufgefordert, mit ihnen mitzukommen. Sie haben hitzig miteinander diskutiert. Ehrlich gesagt habe ich das Wenigste davon verstanden, aber schließlich hat sie widerwillig eingelenkt und wir wurden hergebracht.“ Leas Stimme war immer leiser geworden. Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie machte einen unbeholfenen Schritt auf ihren Bruder zu, der sie fest in die Arme nahm.

      Erst jetzt fiel Darias Blick auf die Tür hinter den beiden. Izzy stand dort mit bleichem Gesicht. Ihre Finger krallte sie links und rechts in den Türrahmen. Als sich ihre Blicke trafen, schluckte Izzy schwer und kam mit schnellen Schritten auf Daria zu. Ohne zu zögern, umarmte sie Daria fest und schluchzte kaum hörbar in ihre Halsbeuge.

      „Mach das nie, nie, nie wieder, hörst du! Ich weiß nicht, wie oft ich dir das noch sagen soll! Keine Alleingänge mehr!“, meinte Izzy mit bebender Stimme. Sie drückte Daria auf Armeslänge von sich und musterte sie aufmerksam.

      „Wie geht es dir?“, wollte sie dann wissen. Eine tiefe Furche bildete sich zwischen ihren Augenbrauen und unterstrich die Besorgnis in ihrer Stimme.

      „Ich weiß es nicht“, erwiderte Daria ehrlich.

      Izzy drückte sie noch einmal fest an sich, ehe sie von ihr abließ. „Einer dieser Garde-Typen hat uns hergebracht. Er hat kaum etwas durchsickern lassen, nur in wenigen Worten von Marias Angriff berichtet, sonst nichts. Ich verstehe nicht mal ansatzweise, was hier abgeht. Wo sind Vinc und Raffael?“, fragte Izzy schließlich und sank neben Ben auf die schmale Pritsche.

      Daria zuckte hilflos mit den Schultern. „Sophia meinte, dass Vincent erst mal versorgt und dann von der Garde befragt wird, ebenso wie Raffael“, antwortete Daria und fügte im Gedanken: und meine Mutter hinzu. Sie sah dabei in die angespannten Gesichter ihrer Freunde.

      Daria wurde nach und nach bewusst, dass nun alles, was sie so lange verborgen gehalten hatte, ans Licht kommen würde. Sie konnte und musste endlich all die Geheimnisse mit ihren Freunden teilen. Auch wenn sie selbst nicht wirklich viel über die Auserwählten und noch weniger über die Garde wusste, war sie es Izzy und den anderen schuldig, endlich die Karten auf den Tisch zu legen.

      „Ich weiß, wer mich während der Entführung verletzt hat“, stieß Daria hervor. Ihre Freunde starrten sie aus großen Augen an.

      „Ich wusste es schon damals, aber ich konnte es niemandem sagen.“ Erfüllt von dem schlechten Gewissen, das sie seit dem Wiedersehen mit ihrer Mutter an jenem schicksalhaften Tag stets begleitet hatte, blickte sie einem nach dem anderen ins Gesicht. Ihr schlugen Unglaube und Überraschung entgegen.

      Unsicher setzte sie an: „Als ich noch klein war, wurden meine Eltern und ich von einer Gruppe von Radikalen angegriffen.“ Bewusst benutzte Daria Leas Worte, um an den wenigen Informationen, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte, anzuknüpfen. „Es war dieselbe Gruppierung, die mich letztes Jahr entführt hat, und auch Maria und Raffael gehörten zu ihnen. Sie nennen sich die Auserwählten. Es war Marias Mutter, die in dieser Nacht umgekommen ist. Deshalb wollte sie sich an mir rächen.“ Beim Gedanken an all die Tode, die sie auf die eine oder andere Weise verschuldet hatte, drehte sich Daria der Magen um. Alle atmeten hörbar ein und Izzy wurde kreidebleich.

      „Okay, das erklärt, was Maria getan hat, aber was wollten diese Leute denn von dir?“, murmelte Ben perplex.

      Daria schluckte schwer, bevor sie antwortete: „Sie wollten verhindern, dass sich die Prophezeiung erfüllt.“

      Es folgte einheitliches Schweigen. Ihre Freunde schienen diese Information nur langsam verarbeiten zu können. Nachdenklich sahen sich die Zwillinge an. Ben wirkte verkniffen und Liam blass wie immer.

      Es war Izzy, die als Nächstes sprach: „Du meinst die Prophezeiung aus den alten Legenden? Die, wo es um die Wiedergeburt des Elementaren geht?“

      Daria biss die Zähne aufeinander und nickte.

      Bens Lippen formten nun ein perfektes O und Leas und Leos Augenbrauen schossen synchron in die Höhe.

      Daria wurde heiß und ihre Hände hatten zu zittern begonnen. Was würden ihre Freunde tun, wenn sie jetzt die Wahrheit erfuhren? Mit leiser Stimme erzählte sie weiter: „Meine Eltern haben versucht, mit mir zu fliehen, doch dabei wurde meine Mutter …“ Daria hielt inne und räusperte sich. „Sie wurde von meinem Vater und mir getrennt. Wir sind gerade so davongekommen. Ich dachte, …“ Erneut stockte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war fast zu viel es auszusprechen.

      „Jahrelang dachte ich, sie wäre umgekommen. Doch dann ist sie in dieser Nacht aufgetaucht und …“ Daria konnte nicht weitersprechen.

      „Deine eigene Mutter hat dir das angetan? Dich angegriffen und verletzt?“ Ben klang so ungläubig und vorwurfsvoll, dass Daria sofort den Drang verspürte, ihre Mutter und das, was sie getan hatte, zu verteidigen.

      „Die Auserwählten hatten sie all die Jahre über in ihrer Gewalt. Sie musste es tun, um mich vor ihnen zu schützen!“, erklärte sie eindringlich.

      Izzy hob die Hand. „Warte“, sagte sie etwas zu laut. Daria konnte in Izzys Zügen sehen, wie sie darüber nachdachte, eins und eins zusammenzählte. Ihre Augen wurden eng und sie sah nacheinander zu Ben und den anderen.

      „Diese ganzen Geschichten, die wir als Kinder erzählt bekommen haben. Alles, was uns in der Schule als Legenden und Spekulationen verkauft wurde. Es ist wahr, oder? Und du. Du bist …“ Izzy verstummte und stand auf. Sie näherte sich Daria langsam und sah sie mit einem Ausdruck an, als würde sie ihre Freundin zum ersten Mal richtig erkennen können.

      Darias Mund war staubtrocken, doch sie zwang sich es auszusprechen. „Ich bin eine Anomalie. Ich beherrsche zwei der Elemente, genau wie Vincent“, hauchte Daria.

      Izzy stand nun dicht vor ihr. Ihr Blick unergründlich. Über Izzys Schulter hinweg konnte Daria Ben erkennen, der sich ebenfalls erhob und auf sie zukam. Als er sprach, hielt Daria den Atem an.

      „Aber wenn du und Vincent Teil dieser Prophezeiung seid und sie sich nun erfüllt, dann heißt das …“

      Unwillkürlich


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