Fall eines Engels. Simone Lilly

Fall eines Engels - Simone Lilly


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genauer hin, konnte man noch kleine Splitter von ihm abbersten sehen. "Hör' dich einmal selbst reden! Natürlich bist du mein Sohn, natürlich liebe ich dich ebenso wie ich Adral Liebe und doch hast du die unwürdige Angewohnheit der Engel übernommen! Sie sehen immer sich selbst, kein Anderer ist Ihnen wichtig, keinen anderen wollen sie verstehen. Nur ihresgleichen, und am liebsten doch nur noch sie selbst. Nun sei nicht beleidigt wie ein kleines Kind! Brauchst du uns?- Wohl kaum. Du bist beliebt, du hast eine Partnerin. Selbstverständlich haben auch wir deine Mutter und ich unsere Position in dieser Gesellschaft aber uns macht es nichts aus sie aufzugeben. Wir geben Sie gerne auf für etwas Großes. Denn das können wir erreichen. "

      " Wo ist Adral überhaupt?"

      "Er ist schon fort!"

      "Ohne sich von mir zu verabschieden?"

      " Mit einem Abschied ist es nicht getan", sagte seine Mutter weniger aufgebracht: lediglich mit glitzernden Tränen in den Augen ging sie zu ihm hinüber, blickte ihm noch einmal tief ins Gesicht als wolle sie sein Aussehen tief in sich einsaugen, damit sie es an einem Ort tief in ihrem Körper verschließen konnte und niemals vergessen würde. Dann verließen sie das Haus. Verständnislos was gerade geschehen war, wollte Raphal ihnen folgen, hielt es dann aber für besser, genau dies nicht zu tun.

      Lange Zeit saß er einfach nur da. Es war schon früher Morgen, doch es kümmerte ihn nicht. Raphal konnte sich einfach nicht rühren. Ihm fehlte jegliche Kraft.

       Fakt war, dass seine Eltern ihn verlassen hatten, Tatsache war auch, dass Adral gegangen war, ohne auch nur ein Wort des Abschieds an ihn zu richten. Das traf ihn am Meisten.

      Sanft berührte eine Hand seine Schulter: "Was ist passiert?" .Es war Merlina. Sie war aufgewacht, ohne Raphal, schnell hatte sie die bedrückte Stimmung ihm Haus erkannt, war nach unten gegangen, hatte weder im Zimmer seiner Eltern, noch im Wohnzimmer oder bei Adral jemanden finden können, nur in der Küche, da war er.

      "Setz sich.", müde rückte er den Stuhl wenige Zentimeter vom Tisch fort.

      Sofort folgte sie seinem Befehl. " Es ist etwas passiert? Sei in deiner Antwort ehrlich."

      "Natürlich ist es das! ", kehlig lachte er auf und trommelte mit seinen Fingerspitzen auf der Tischplatte herum. "Sie sind fort, alle. Du bist schnell eingeschlafen, ich konnte es nicht. Als ich mich zu dir legen wollte, habe ich gesehen, wie sich unterhalb des Fensters alles bewegt hat. Durch die finstere Nacht. Unsere Nachbarn selbst aus den Häusern hinter uns. Wie Schatten haben sie sich über den Grund bewegt. Wächter, mehr als sonst haben versucht sie aufzuhalten und das Warum ihres Handelns zu erfahren. Man hat alles versucht. Fast schon auf Knien sind sie vor ihnen herumgerutscht um etwas aus ihm heraus zu bekommen."

      "Denkst du sie planen etwas?", erschrocken zog sie ihre Hand von ihm, er griff danach, doch erzeugte das genau die falsche Wirkung sie wurde nur noch nervöser.

      "Selbstverständlich planen sie etwas. Warum sonst sollten sie heimlich fliehen? Jahrelange Unterdrückung lassen Böse Gedanken in ihren Köpfen reifen. Sie müssen sich sammeln, um dann zuschlagen zu können!"

      Dicke Tränen stachen ihr aus den Augen, als sie ihn in Rage immer wieder musterte. "Ausgerechnet jetzt? Wieso denkst du, sie wollen es ausgerechnet jetzt?"

      "Es ist nicht ausgerechnet jetzt! Schon immer. Immer habe ich es in Adrals Augen gesehen, diesen tiefgründigen Hass! Praktisch schon nach seiner Geburt. Er steckt in ihnen."

      Sachte streichelte sie ihm über die Haare. "Ach, das bildest du dir bestimmt nur ein, du sagst es dir, weil du einen Grund dafür haben möchtest, weshalb sie dich verlassen haben."

      "Bitte.", fordernd zog er seine Hände von ihr zurück und verschränkte sei vor der Brust. "Geh und überprüfe es selbst. Geh raus auf die Straße und suche einen Teufel. Wenn du ihn gefunden hast, sag mir Bescheid. Ich für meinen Teil werde jetzt gehen."

      "Wohin?", ihr Blick haftete an ihm, selbst dann noch als er längst aufgestanden und fast verschwunden war. "Nach oben, ich versuche zu schlafen, wenn ich müde bin kann ich nicht klar denken. Und was du tun kannst habe ich dir gerade gesagt. Geh und suche nach ihnen."

      So wie er es erwartet hatte war Merlina ihm nicht nachgegangen, hatte ihn einfach ziehen lassen. Ratlos musste sie noch stundenlang in der Küche gesessen sein und der tickenden Uhr zugehört haben.

      Raphal selbst wusste was er brauchte. Übermüdet hatte er sich in sein Bett fallen lassen und versucht die Augen zu schließen. Ruhe finden konnte er dennoch nicht.

      Leise begann er zu murmeln. "Immer habe ich das Klagen meines Bruders gehört.", ernst und mit dem Drang sich selbst zu ohrfeigen, vergrub er sein Gesicht in den hohen Kissen. Sie rochen herrlich nach Merlina. Jahrelang hatte er Adrals Probleme und Sorgen gesehen, gehört und hingenommen. Niemals hatte er sie allerdings beachtet. Warum nicht? War er so selbstsüchtig?

      Ob Adral der Anführer der ganzen Bewegung war, wusste Raphal nicht sicher, konnte es sich aber nur schwer vorstellen. Dazu fehlte ihm doch jeder Mut, mit der Menge mitlaufen konnte er dagegen gut und so war es vermutlich auch. So groß wie der Berg an aufgestautem Hass in seinem Herzen sein musste, so leicht war es anderen gefallen ihn zum Mitlaufen zu bewegen.

      Laut hallte seine Stimme durch den verlassenen Raum. Raphal wurde unruhig. Irgendetwas musste er doch tun, er war unglücklich und fühlte sich irgendwie verantwortlich für die Dinge, die geschehen waren oder im Begriff waren zu geschehen. Wo aber sollte er Hilfe finden? Bei Seinesgleichen, an einem geheimen Ort?

       Damals waren sie alle glücklich gewesen, dieses Glück wollte er wieder haben. Erschrocken hielt er in seiner Bewegung wieder aufzustehen, inne. Jetzt tat er es schon wieder. Selbst jetzt dachte er nur an sich, was er brauchte, was er wollte. Nicht an Adral, er wollte ihn wachrütteln. Nur deshalb war er ohne einen Gruß gegangen. Verwirrt fasste er sich an den Kopf. Oder ging es letzten Endes gar nicht um ihn? Am Ende war er nur so eingebildet, dass er nur annahm, die ganzen Wolken würden nur um seine Gestalt kreisen.

       Anstatt die Möglichkeit zu haben noch länger über sein Verhalten nachzudenken, klopfte es. "Kannst du öffnen?"; brüllte er zu Merlina hinunter und machte sich selbst auf den Weg hinunter. Lustlos landete er hinter seiner Freundin, "Es ist für dich.", sagte sie erstaunt und trat beiseite.

      "Ja bitte?", ohne die Person vor ihm richtig wahrnehmen zu können, wurde er unterbrochen.

      "Raphal?", eine dunkle Stimme drang zu ihm. Es waren zwei Engel. Halt, waren es überhaupt Engel? Sie hatten weder weiße noch schwarze Federn, ihr Haar funkelte silbern in der aufgehenden Sonne, ebenso silbern wie ihr Gefieder. Ihre Oberkörper waren nicht nackt wie die ihren, sorgfältig waren sie in eine bronzene Rüstung gehüllt. Instinktiv wusste er um wen es sich bei den Kreaturen handelte: es waren Gefolgsleute des Obersten.

      "Folge uns.", brach es aus ihnen heraus, noch bevor Raphal auch nur eine Frage stellen konnte. Ohne lange zu zögern schloss er die Tür- von Merlina verabschiedete er sich nicht, wusste selbst nicht wo sie war- und stieß wenig später zu ihnen in den Himmel.

       Genau gesehen oder erfahren wo der Oberste lebte, hatte noch nie auch nur ein Engel oder Teufel, jedenfalls hatte noch nie jemand drüber gesprochen. Es wurden immer die verschiedensten Sagen erzählt.

       Laut dieser Legende waren sie alle nur Spielfiguren des Obersten. Hoch über ihnen lebte er in seinem Palast und überwachte sie, steuerte ihr Wohlergehen, gesegnet mit Reichtum und Macht. Drei Oberste sollte es nach den Erzählungen geben. Jeder führte einen eigenen Stamm. Kontakt zu einem der übrigen zwei Völker hatte noch nie einer gehabt. Sogar die drei Obersten nicht, munkelte man.

      Eines glaubte man aus allererster Hand zu wissen. Ihre Namen. Der Erste hieß Gabriel, dann gab es noch einen Michael und ihr Oberster wurde Rafael genannt. Raphal war ihm im Namen somit beinahe gleich, was ihn schon als Kind immer imponiert hatte.

      " Du bist ein Narr!" hatte sein Großvater zu ihm gesagt, als er es ihm erzählt hatte. " dass du das glaubst. Du bist nichts Besonderes Raphal, denn der Oberste behandelt alle gleich."

      Ein schelmisches Grinsen huschte über sein Gesicht als sie immer mehr an Höhe gewannen.


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