TSUMO - weinen ohne Tränen. Dantse Dantse

TSUMO - weinen ohne Tränen - Dantse Dantse


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schlafen könnte. Er hatte sich so sehr mit den Klischees über schwarze Männer und die schwarze Potenz beschäftigt. Er meinte, überall in den Sexfilmen und in den Büchern über Afrikaner sei immer die Rede von den supertoll bestückten Afrikanern, die ausdauern und wild seien. Und am meisten Angst machte ihm der Slogan „once black never turn back“. Das heißt, wenn eine weiße Frau einmal mit einem Schwarzen geschlafen hat, dann hat sie keine Lust mehr mit einem weißen Mann zu schlafen. Das war seine Angst.

      Ich hatte immer versucht ihn zu beruhigen und betont, dass er der Einzige war, der mich interessierte und den ich auch liebte, und dass ich nicht auf Männerjagd nach Afrika ginge, sondern wegen eines Jobs. Ich hatte ihm auch versichert, dass ich ihn in den 4 Jahren, die wir zusammen waren, noch nie betrogen hatte, nicht einmal in Gedanken, und das stimmte auch.

      Aber ich hatte dennoch gespürt: je mehr Heiko über das Thema Sex mit Schwarzen geredet hatte, desto mehr hatte mich die Idee interessiert. Als ich mich dann intensiver mit diesen Klischees beschäftigte und heimlich schwarze Männerkörper anschaute, um zu wissen, ob das, was Heiko erzählte, auch so war, hatte ich irgendwie gespürt, wie ich mich angezogen fühlte. Es war komisch, aber ich hatte dieses Gefühl dann erfolgreich unterdrückt und mich auf andere Dinge konzentriert.

      An diesem Tag am Frankfurter Flughafen kam dieses Gefühl wieder hoch, als ich paar schwarze Männer sah, die, vermutete ich, auch nach Afrika fliegen wollten, denn sie standen in der gleichen Schlange beim Air France-Schalter wie ich.

      Heiko stand neben mir und ich spürte seine Anspannung. Er schien wirklich überfordert zu sein, als ein schwarzer Mann mich anlächelte und fragte, ob ich auch nach Afrika fliegen würde. Zwar fragte er nur so im Vorbeigehen, aber Heiko sah so fertig und traurig aus. Ich musste ihn ständig aufmuntern. Echt, an diesem Tag fand ich Heiko zum ersten Mal, seitdem wir uns kannten, kindlich. Anstatt dass er mich unterstützte und mir in dieser für mich nicht einfachen emotionalen Phase Kraft und Energie gab, war ich diejenige, die sich um ihn kümmern musste. Das gefiel mir nicht, denn ich verabschiedete mich deswegen auch nicht so richtig von allen anderen Leuten und hatte sogar dabei noch ein schlechtes Gewissen. Es wäre besser gewesen, er wäre gar nicht erst mit zum Flughafen gekommen.

      Deswegen war ich irgendwie froh, als wir den Aufruf „Alle Passagiere, gebucht auf Air France, Flug XYZ nach Paris, werden gebeten…“, hörten. Es war Zeit zu gehen.

      Ich verabschiedete mich weinend von allen Freunden, von meinen Eltern und Geschwistern, und Heiko lief dann allein mit mir bis zum Eingang der Zollkontrolle. Wir küssten uns und umarmten uns minutenlang, aber ich war selbst erstaunt, dass ich dabei nicht weinte. Ich hatte auch keine Lust mehr, das traurige Gesicht von Heiko zu sehen, und deswegen nahm ich gar nicht mehr war, ob er weinte oder nicht. Kurze Zeit später war ich durch die Kontrolle und mit einer Handbewegungen hinter dem Glas sagte ich ciao.

      Mein erstes Problem fing schon an der Zollkontrolle an. Es wurde alles durchsucht: Körper und Taschen wurden streng untersucht, um zu verhindern, dass man verbotene Dinge mitnahm. Ich hatte zwar kein Messer, keine Chemikalien oder irgendetwas in der Richtung, aber die Kontrolleure lehnten auch ab, dass ich meine Lieblings-Fleischpastete mitnahm. Ich verstand nicht, warum, aber lange Diskussionen brachten nichts. Alles wurde in die Mülltonne geworfen. Diese Tonne war voll mit den leckersten Lebensmitteln aller Art, die nach unserem Abflug einfach so entsorgt werden würden. Das regte mich total auf, dass man so wertvolle Nahrungsmittel verschwendete, denn der Zollbeamte sagte mir, es wären im Monat tonnenweise Lebensmittel, die verschrottet würden. Warum sie dann nicht einfach spenden? Ich fand es richtig pervers. Der Ärger ging aber schnell vorbei, als ich am Air France Gate ankam. Ich war sehr aufgeregt, aber nicht mehr so angespannt.

      Der Flug nach Paris war sehr angenehm und ging relativ schnell. Ich versuchte in diesen 70 Minuten Flugzeit meine Gedanken zu sortieren und zu ordnen. Alles lief in meinem Kopf ab wie ein Film. Ich sah meine Vergangenheit und mein Leben an mir vorbeiziehen. Nach und nach tauchte alles auf: meine Wohnung, meine Familie, Heiko, der Sex mit Heiko, meine Gefühle für ihn, Emma, was sie hatte, was ich nicht hatte. Was würden die beiden wohl anstellen, nun da ich weg war? Erstaunlicherweise war es mir in diesem Moment sowas von egal, dass ich ihnen wirklich wünschte ihre Affäre oder ihre Beziehung fortzuführen.

      Ich wurde aus meinen Träumen geweckt, als ich die Stimme des Kapitäns hörte, die eine baldige Landung auf dem Flughafen Paris Charles de Gaulle ankündigte.

      Im Airport Charles de Gaulles in Paris

       Grafik 49 Grafik 6

      Die Temperatur war an diesem Oktobertag mit 8° nicht besonders warm, aber für die Jahreszeit noch relativ mild. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich in wenigen Stunden in einem Land sein würde, wo die Temperatur vielleicht die 30° Marke übersteigen würde.

      Alle Passagiere verließen das Flugzeug und mussten noch ca. 15 Minuten zu Fuß gehen, um das richtige Gate für die Flüge nach Afrika zu erreichen. Dort angekommen war ich total überrascht, so viele schwarze Menschen zu sehen. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine so große Ansammlung von Afrikanern an einem Ort gesehen. Zwar hatte ich ab und zu schon mal mit schwarzen Menschen zu tun gehabt, aber alles war sehr flüchtig und oberflächlich gewesen, so dass ich mir nie richtig Gedanken über diese Rasse gemacht hatte. Nicht, dass sie mir egal gewesen wären oder ich uninteressiert war. Es hatte einfach keine Gelegenheit gegeben, dass ich mich mit ihnen direkt und privat auseinandersetzen hätte müssen oder können. Es waren auch nicht so viele, als dass man sie an allen Ecken Darmstadts sah, wie es zum Beispiel bei den Türken der Fall war.

      Und nun auf einmal befand ich mich unter hunderten von schwarzen Menschen und irgendwie fühlte ich mich eingeschüchtert.

      Was mir sofort auffiel war etwas, das ich wirklich bis dahin in meinem Leben in dieser Form und in dieser Dimension noch nie bewusst wahrgenommen hatte: wie extrem laut sie waren.

      Auf den ersten Eindruck waren diese Szenen für mich als Europäerin irritierend. Ein normaler Europäer würde das, was ich sah, einen „heftigen Streit“ nennen, und man würde sofort die Polizei rufen. Es wurde auf eine Art geredet, die mir vollkommen neu war. Erst durch das ständige Lachen der Beteiligten wurde mir klar, dass sie sich nicht stritten, sondern sich ganz normal unterhielten. Die kulturellen Unterschiede fingen schon in diesem Moment an.

      Ich verbrachte meine Zeit nur noch damit, aufmerksam zu sein und beobachte alles mit Neugier. Irgendwie war ich fasziniert von dieser lockeren Art des Miteinanderumgehens, so voller Emotionen. Diese Afrikaner lachten ständig miteinander, schlugen sich dabei in die Hände oder auf den Körper der anderen. Auf einmal merkte ich, dass wir Europäer viel zu kopflastig sind und unsere Gefühle zu sehr kontrollieren. Ich kenne keinen Europäer, der so lachen und mir dabei einen kleinen Klapps geben würde oder meine Händen nehmen und schütteln würde, einfach weil er fröhlich und glücklich über das ist, worüber wir gerade reden.

      Ich war nun sehr aufmerksam, beobachtete und registrierte alles ganz genau, was um mich ablief. Ich war immer noch in Europa, aber ich befand mich schon in einer anderen Welt.

      Dann war es Zeit für mich, die Zollkontrolle zu passieren, um zum richtigen Wartesaal zu gelangen. Vor diesem Kontrollpunkt war ein schwarzer Mitarbeiter von Air France, der die Größe der Handgepäckstücke noch einmal prüfte, bevor man sich in einen Labyrinth-ähnlichen Korridor begab, der zur Passkontrolle führte. Es war nicht ganz so wie in Frankfurt, dort hatte niemand vor der Zollkontrolle gestanden, der kontrollierte, ob das Handgepäck in Ordnung war oder nicht.

      Der Korridor war noch geschlossen, weil es ein Problem gab. Es dauerte ein bisschen, bis ich verstand, worum es ging. Der schwarze Mitarbeiter der Air France hatte die Gepäckstücke fast aller Passagiere abgelehnt, weil sie seiner Meinung entweder zu groß oder zu schwer waren. Es schien mir ein bisschen willkürlich und eher Machtdemonstration, Schikane und Abzocke zu sein, als wirklich die Überprüfung der Taschen aus Sicherheitsgründen und wegen möglicher Überladung des Flugzeuges. Wenn eine Tasche abgelehnt


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