Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 2. Tobias Fischer

Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 2 - Tobias Fischer


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sehr aufschlussreich sein wird. Jetzt entschuldige mich, ich muss etwas in Erfahrung bringen.«

      Sagte es und sprang mit einem Satz auf die Füße. Mit fast schon absurd wirkender Fröhlichkeit verließ Veyron ihre Suite und schlenderte den Korridor in Richtung Treppenhaus runter. Tom schaute ihm eine Weile hinterher, dann stand er auf, schloss die Tür und schlug sich die Hände vors Gesicht.

      Das gefiel ihm gar nicht. Er ahnte, das Veyron überhaupt keinen Plan hatte, sondern nur versuchte, seine eigene Schwäche durch zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein zu überspielen. Den Anblick seines verängstigten Paten in den Korridoren der Ramer-Stifung, würde er nicht vergessen. Die Sache mit dem Schattenkönig hatte Veyron vollkommen aus der Spur geworfen, das war die Wahrheit. Tom wusste es. Nur das Warum wollte sich ihm nicht erschließen und Veyron machte daraus obendrein auch noch ein Geheimnis. Vollkommen überflüssiger Weise, wie Tom fand. Es musste mit Veyrons damaliger Niederlage zusammenhängen. Sie schien ihn traumatisiert zu haben. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber auf wen sollte sich Tom dann verlassen, wenn nicht auf Veyrons Vestand? Was sollten sie alle nur tun, wenn Veyron Swift nicht mehr in der Lage war, vernünftig zu denken, sondern von seinen Ängsten getrieben wurde? Wie sollte Veyron das nur überstehen? Zum ersten Mal in seinem Leben machte sich Tom ernsthafte Sorgen um Veyron Swift.

      Es war bereits weit nach Mittag, als Hunter in die Suite zurückkehrte, die man ihr zugewiesen hatte. Erste Klasse, alles vom feinsten. Offenbar reisten alle Gäste Erster Klasse, und soweit sie das in Erfahrung bringen konnte, alle auf dem B- und C-Deck. Das ganze A-Deck war nämlich allein für Floyd reserviert. Für sie grenzte es an schieren Wahnsinn, einen dermaßen ausgeflippten Tunichtgut als Staatsoberhaupt zu tolerieren. Immerhin schienen die Zwerge rund um Schatzkanzler Farin, ihren menschlichen König ganz gut im Griff zu haben.

      Ihre Mission war dagegen eine vollkommene Katastrophe. Nicht nur, dass sie dem Horn des Triton noch keinen Schritt nähergekommen waren, nein, ihr blieben obendrein auch noch sämtliche Möglichkeiten auszusteigen verwehrt. Eine Rückkehr in die Menschenwelt war unmöglich, sie saß auf einem antiken Ozeandamper fest – aber was für einen! Danny hat schon recht: Das war ihr Traum, seit sie als junges Mädchen Titanic im Kino gesehen hatte.

      Doch selbst wenn sie auf Talassair geblieben wäre, sie bräuchte einen Erlaubnisstein, um durch die magischen Durchgänge zu marschieren. Es würde ihr nicht einmal helfen, den von Tom zu stehlen. Jeder Erlaubnisstein war auf die jeweilige Person, die ihn zur Verwahrung bekommen hatte, gemünzt. So hatte es Farin erklärt. Hinzu kam noch, dass ihr niemand traute. Swift nicht (dessen geistige Fähigkeiten ihr Angst machten) und sein kleiner Fratz erst recht nicht. Es war ein Fehler gewesen, sich als Ernie Frauds facebook-Freundin zu outen, das gereichte ihr jetzt zum Nachteil. Aber eigentlich hatte sie auch angenommen, durch die Aktion in der False Lane, Swift und seinen vorlauten Rotzlöffel in der Hand zu haben. Jetzt stand es andersherum. Schatzkanzler Farin wusste sogar von Anfang an, dass sie zum MI-6 gehörte. Seine misstrauischen Blicke verfolgten sie, hinter ihrem Rücken tuschelte die Besatzung. Farin schien jeden eingeweiht zu haben. Sie war allein auf sich gestellt und vollkommen hilflos.

      Aber das war sie ja gewohnt. Ihr ganzes Leben war sie allein gewesen. Mit ihren Eltern hatte sie gebrochen, zu ihren Geschwistern seit langem keinen richtigen Kontakt mehr. Freunde hatte sie nur wenige und dann nur, um mit ihnen Spaß zu haben. Die ernsten Dinge des Lebens behielt sie lieber für sich. Ihre Lover hatten sich auch sämtlich als wenig vertrauenswürdig erwiesen. Alles notorische Fremdgeher oder Idioten, die stets nur das Eine wollten. Sie war es gewohnt, Schwierigkeiten oder Probleme mit sich selbst auszumachen. Das war auch der beste Weg, denn sie wollte auf keinen Fall durch ein „Hilfe“ oder „Bitte“ in die Abhängigkeit anderer geraten. Zu oft schon hatte man sie enttäuscht und ihr Herz verletzt. Das würde sie nicht wieder zulassen.

      Kein Wunder also, dass sie in einem Unternehmen arbeitete, dessen Grundprinzipien das Misstrauen und der Verrat waren, nicht wahr? Mann, was war sie stolz gewesen, als sie eine Einladung zum MI-6 erhalten hatte, so kurz nach ihrem Studium. Die Bezahlung war nicht schlecht und sie reiste um die ganze Welt. Russland, Afrika, Südamerika. Sie war überall gewesen, sprach fließend Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch und Deutsch. Nicht zu vergessen eine Ausbildung in Schusswaffen aller Art, Sprengstoffen, Nahkampf, alle gängigen Abhörtechniken, Schauspielunterricht und noch vieles mehr. Jetzt war sie sogar in Elderwelt, wo noch kein anderer Agent des MI-6 hingekommen war.

      Was half ihr das?

      Gar nichts.

      Sie war enttarnt. Eine Gefangene an Bord eines Schiffs voller Feinde.

      Außer Danny Darrow.

      Seine Zuneigung verwunderte sie. Selbst nach der ganzen Sache in der False Lane zeigte er sich freundlich, er neckte sie, ärgerte sie und schien ihr den Verrat und die ganze Täuschung überhaupt nicht übel zu nehmen. Das fand sie bemerkenswert, aber auch irgendwie störend.

      Es pochte an der Tür. Hunter stand auf, atmete tief durch und öffnete. Wenn man vom Teufel spricht, dachte sie. Da stand, er Danny Darrow, die Stirn in Falten gelegt und sie von unten heraus mit einem absoluten Unschuldsblick anhimmelnd. In der Hand hielt er ein phantastisches Kleid in Rot und Schwarz, aus dem edelsten Satin, den Hunter je gesehen hatte. Es musste ein Vermögen gekostet haben.

      »Zimmerservice«, sagte er frech. »Naja, der ist gerade verschwunden. Ich hab gesehen, wie sich der Steward damit abgeplackt hat und dachte mir, ich nehm ihm die Last ab. Die armen Kerle werden von Floyd ja genug herumgescheucht.«

      Er reichte ihr das Kleid. »Ein echter Traum, wenn du mich fragst.«

      Sie nahm es ihm ab und begutachtete es. Offenbar bemerkte Danny das begeisterte Leuchten in ihren Augen.

      »Schön, es gefällt dir. Ich bin auch sicher, du wirst eine phantastische Figur darin machen. Nur so als Tipp: Trag dein Haar dazu offen, dann wirst du wie eine wirkliche Prinzessin aussehen«, meinte er mit einem breitem Grinsen. Hunter warf ihm einen skeptischen Blick zu.

      »Klar, Sie können das sicher beurteilen, mit Ihren manigfaltigen Erfahrungen, was? Mit wie vielen Prinzessinnen sind Sie denn schon ausgegangen? Jede Nacht eine andere, nehme ich an!«, gab sie zurück.

      Danny wirkte für einen Moment verdutzt, dann kratzte er sich verlegen am Hinterkopf.

      »Naja, es waren wohl schon ein paar. Aber hey, das hielt alles nicht lange. Und keine von denen besaß je ein so phantastisches Kleid.«

      Er merkte wohl selbst, was für einen Unsinn er daherquatschte, als er die Augen zusammenkniff und abwehrend die Hände hob.

      »Ich weiß, ich bin blöd.«

      »Ja, und furchtbar oberflächlich. Wahrscheinlich hielten Ihre Beziehungen deshalb nie sehr lange. Außer flotten Sprüchen und ein paar schnellen Autos, haben Sie wohl nichts zu bieten, Mr. Darrow.«

      Danny lehnte sich gegen den Türrahmen und schaute ihr interessiert in die Augen. Sie fand es schwierig, diesem Blick lange standzuhalten. Ein wenig wurde ihr heiß.

      »Ja, darum bist du auch mit mir ausgegangen, was? Seltsam, ich dachte, du hättest ein wenig Spaß gehabt.«

      »Danny, lassen Sie mich das klarstellen: Ich war auf einer Mission und … es ist egal, was da war. Vielleicht war es ein ganz netter Abend, aber da ist sonst nichts. Absolut nichts.«

      Danny wölbte die Unterlippe in gespielter Nachdenklichkeit vor.

      »Aber du bist mit mir ausgegangen«, beharrte er.

      Hunter seufzte. »Danke fürs Vorbeibringen, Mr. Darrow. Wir sehen uns dann zum Dinner?«

      »Zu einhundert Prozent!«

      Sie schloss die Tür und lehnte sich dagegen. War denn das zu fassen? Dieser Kerl ließ einfach nicht locker! Seltsamerweise gefiel ihr das auch noch. Sie mochte es, ihn zu necken und fand seine Erwiderungen ebenso lustig. Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie an seine Unschuldsmiene dachte. Sie hob das Kleid und betrachtete es von Neuem. Vielleicht würde der kommende Abend ja doch ganz amüsant werden.

      Mit einundzwanzig Knoten Reisegeschwindigkeit


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