Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 2. Tobias Fischer
hakte ein.
»Sie dürfen, Mr. Darrow. Zumindest heute Abend.«
»Mylady wissen nicht, wie glücklich sie mich damit macht.«
Als sie an Tom und Veyron vorüber stolzierten, zwinkerte Danny ihnen zu, was Tom überhaupt nicht verstehen konnte. Wieso ging Danny dieser falschen Schlange nur dermaßen auf den Leim?
»Ich kapier’s nicht«, raunte er, worauf ihm Veyron nur mitfühlend auf die Schulter klopfte.
»Alle Menschen haben ihre Schwächen, mein lieber Tom. Erinnere dich daran, was ich dir zum Thema Liebe sagte. Miss Hunter ist zweifellos Dannys große Schwäche. Vielleicht ist es aber ganz nützlich, das wird sich noch zeigen.«
Den großen Speisesaal hatte man, anders als die meisten Räume an Bord, mit teurem Eichenparkett ausgelegt. Die Wände waren holzvertäfelt, mit Bullaugen auf beiden Seiten, die leicht gewölbte Decke und die Stützsäulen mit Stuck verziert und alles mit Lampen erhellt. Die Stewards und Stewardessen servierten die Speisen auf feinstem Porzellan. In einer Nische spielte ein kleines Orchester, bestehend aus Menschen und Zwergen. Tom glaubte, Mozarts Eine kleine Nachtmusik zu erkennen. Nach und nach trafen die ganzen Gäste ein und nahmen an den Tischen Platz. Die Damen allesamt in aufwendigen Roben, oft mit riesigen Perückentürmen gekrönt, die Herren in Gehröcken aus Samt. Die Zwerge dagegen uniform in Frack, nur ihre weiblichen Begleiterinnen trugen opulente Kleider und jede Menge glitzernden und funkelnden Schmuck um Hals und Armgelenke. Tom fiel auf, das die Zwerginnen keine Perücken brauchten, um ihr zottiges Haar zu wahren Türmen aufzustecken. Einige von ihnen hatten sogar Perlen und andere Juwelen in die Backenbärte geflochten – die einzige Gesichtsbehaarung, die eine Zwergin besaß.
An Floyds Tisch saßen neben dem König noch neun andere Personen, darunter Schatzkanzler Farin, Danny und Hunter. Floyd winkte Tom und Veyron. Er befahl den Stewards, sofort zwei weitere Stühle herbeizuschaffen. Der König trug jetzt einen weiten, weißen Anzug, der ihn ein wenig wie einen arabischen Wüstenfürsten aussehen ließ. Mit einem ganz gravierenden Unterschied: Sein weißer Kaftan wechselte jede Minute die Farbe, wie auch die Gläser seiner obligatorischen Sonnenbrille. Hinzu kam noch eine goldene Schärpe, mit einer absurd hohen Anzahl funkelnder Orden und Medaillen.
»Kommt, setzt euch, setzt euch«, rief er ihnen zu. Tom und Veyron taten wie ihnen geheißen, anschließend stellte ihnen Floyd die anderen Tischnachbarn vor.
»Das hier ist Ankin, mein Technologieminister und Vater von Toink«, sagte er und deutete auf den graubärtigen Zwerg zu seiner Rechten. Ankin sprang auf den Stuhl und verbeugte sich kurz, ehe er sich wieder setzte. Floyd fuhr fort. »Und hier haben wir Walt Douglas und seine bezaubernde Frau, Isabella. Der gute Walt besitzt den größten Lebensmittelhandel auf Talassair.«
Ein pausbäckiger Mann um die Sechzig, nickte ihnen zu. Seine Frau, die etwa im gleichen Alter zu sein schien, wedelte nur mit ihrem Fächer und würdigte die Fernweltler keines Blickes. Tom fand, dass Isabella Douglas einen sehr verbissenen und unleidigen Eindruck machte. Offenbar fühlte sie sich in dieser Gesellschaft nicht besonders wohl.
»Colonel Belfik, mein Militärberater«, stellte Floyd den nächsten Zwerg vor.
Graubärtig und mit zahlreichen Orden dekoriert, erhob er sich und verbeugte sich zackig. Floyd deutete auf den direkten Nachbarn seines Militärberaters.
»Und das da ist Halti, einer der reichsten Zwerge von ganz Talassair.«
Ein schwarzbärtiger Zwerg mittleren Alters, nickte ihnen streng zu. »Aus meinen Stahlwerken kommen zwanzig Prozent der Hülle der Olympic«, ließ er die Neuankömmlinge gleich wissen. »Nicht alles, was aus Fernwelt hierher geschafft wird, kommt vollständig an. Bei so großen Objekten wie der Olympic ist es unabdingbar, dass ganze Sektionen neu gebaut werden müssen. Damit verdiene ich mein Geld. Ich bin so reich wie unser König.«
»Ach was! Nicht mal ein Zehntel so reich«, versuchte Floyd das Ganze zu relativieren. Er klang dabei erkennbar eingeschnappt. Die übrigen Tischnachbarn schien das jedenfalls zu amüsieren. Sie lachten alle, die Zwerge besonders laut. Tom fiel dabei eine junge Dame auf, die anders, als die meisten anderen Menschenfrauen Talassairs, auf eine Perücke und diese wuchtigen Abendkleider verzichtete. Sie trug eine elegante Robe in Smaragdgrün. In Toms Augen war sie eine wahre Schönheit, gertenschlank, langes, blondes Haar und ein feines Gesicht mit himmelblauen Augen, die einen sofort in ihren Bann zogen. Sie schien nur allerhöchstens fünf Jahre älter zu sein als Tom. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt, je länger er sie anstarrte.
»Ach, und dies ist Miss Julie Morton«, stellte Floyd die Dame mit reichlich Verspätung vor. »Wie unhöflich von mir. Farin, du musst mich das nächste Mal sofort auf so einen Fehler aufmerksam machen. Das ist unverzeihlich.«
Julie Morton lachte darüber nur, griff über den Tisch und nahm Floyds Hände in die ihren. Ihre filigranen Finger streichelten über seinen Handrücken und der König schenkte ihr sofort seine ganze Aufmerksamkeit.
»Das ist nicht so schlimm, Floyd. Hier am Tisch sind wohl die meisten Leute von höherem Rang als ich«, sagte sie lachend. Den Zwergen war anzusehen, wie stolz und wichtig sie sich auf einmal vorkamen.
»Sie tragen gar nicht die übliche Tracht von Talassair, Miss Morton«, bemerkte Hunter im neugierigen Tonfall.
Die junge Frau wandte sich ihr zu und nickte. »Das stimmt. Ich bin noch nicht so lange auf Talassair. Der König hat mich erstes letztes Jahr dorthin eingeladen.«
»Aus welchen Land Elderwelts kommen Sie denn?«
Julie Morton lachte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Aus gar keinem! Ich komme aus Housten, Texas«, erklärte sie, was den anderen vier Fernweltlern die Sprache verschlug.
»Sie kommen auch aus Fernwelt? Das ist ja stark!«, platzte es aus Tom heraus. Julie lachte und er spürte, wie ihm der Kopf knallrot anlief. Es war jedoch Floyd, der für sie antwortete.
»Julie arbeitete als Model, eine wirklich begabte, junge Frau. Natürlich ist sie mir sofort aufgefallen, als ich ihre Fotos in diesem Magazin gesehen habe, AMD, A Man’s Dominion oder so.«
»A Man’s Domain«, verbesserte Technologieminister Ankin sofort.
»Ja, genau das. Mir war sofort klar, dass ich Julie unbedingt treffen musste. Aber ich wollte dafür nicht nach Langweilwelt zurückkehren. Darum habe ich meine Leute beauftragt, sie hierher zu bringen«, fuhr Floyd begeistert fort.
Neben ihm seufzte Farin laut. »Das hat uns einige Scherereien beschert. Aber letztlich verlief alles reibungslos«, brummte er. Julie lächelte ihm dankbar zu.
»Und ich bin Euch dafür immer noch so unglaublich dankbar, Schatzkanzler. Ich habe so viele Wunder gesehen, wie kaum ein Mensch zuvor. Und auch Euch danke ich, Technologieminister. Ohne Eure Vermittlung, wäre ich wohl niemals nach Talassair gekommen. Immerhin kann ich hier meinen Traum frei ausleben«, sagte sie. Die beiden Zwerge lächelten etwas verschämt und verbeugten sich dann einer nach dem anderen.
»Was für einen Traum«, fragte Hunter misstrauisch.
Julies Augen leuchteten vor Begeisterung, als sie es erklärte. »Ich fotografiere, was mir vor die Linse kommt. Zwerge, Menschen, Tiere, Häuser, Paläste. Auf Talassair gibt es zehntausende von Motiven. Essen, Trinken, Unterkünfte, alles ist mir freigestellt. Es gibt nichts, um das ich mich kümmern müsste. Floyd ist ein so großzügiger und netter Mannm er ermöglicht mir alles. Schade, dass es nicht mehr davon auf der Welt gibt.«
»Ich lasse gerade eine Galerie bauen, wo Julie all ihre Kunstwerke ausstellen kann«, fügte Floyd noch an, durch dieses überschwängliche Lob zu noch größerer Selbstverliebtheit animiert. »Ich habe beschlossen, Julie an die schönsten Ecken Elderwelts mitzunehmen. Unser Tom hier war sogar schon in Fabrillian. Vielleicht mag er Julie mehr darüber erzählen?«
Tom war sich sicher, dass sein Kopf inzwischen so rot sein musste wie eine Laterne.
»Ich … ich … naja … ich … also … ich«, stammelte er. Auf einmal spürte er Julies Hand auf der seinen. Sein Puls raste.