Belon-Austern. Jean-Pierre Kermanchec
er den Namen von André Salaun, einem bekannten Austernzüchter aus Riec-sur-Belon, auch dieser Mann war ihm namentlich bekannt. Der Name Raymond Brelivet sagte ihm genauso wenig, wie auch die restlichen Namen, Damien Sizun, Maurice Guilvit, Gilles Coray. Bei der letzten Karte stutzte Ewen Kerber und sah Dustin an.
„Du kennst doch auch diesen Herrn?“ Ewen zeigte Dustin die Visitenkarte.
„Yves le Meur, ich habe erwartet, dass du über diesen Namen stolperst. Welcher Polizist in Quimper kennt den nicht? Der ist ständig auf der Liste, wenn es um Razzien in der Szene geht. Der mischt doch überall mit. Prostitution, Drogenhandel, Hehlerei, und ich weiß nicht, was sonst noch alles an kriminellen Aktionen auf seine Kappe geht. Wenn die Frau sich mit dem angelegt hat, dann gute Nacht, Marie.“
„Das ist auf jeden Fall ein erster Anhaltspunkt. Vielleicht hat die Frau versucht Le Meur zu erpressen, oder sie hat Geld von ihm gestohlen. Da hätte sie sich den falschen herausgesucht. Mit Le Meur ist nicht zu spaßen.“ Henri steckte die Visitenkarten in sein Jackett.
„Danke, Dustin, wir werden die Leute alle befragen müssen. Vielleicht gibt es ja eine Verbindung von ihr zu Le Meur die mit der Tat in Zusammenhang steht. Zwischen der Toten und den restlichen Männern kann es aber auch Beziehungen gegeben haben, die über eine reine Bekanntschaft hinausgegangen sind.
Die Frau könnte natürlich auch Geschäftsbeziehungen zu diesen Männern unterhalten haben, ihr Bankkonto deutet daraufhin, dass sie größere Einnahmen verbucht hat. Vielleicht habe ich ja mit meiner ersten Vermutung falsch gelegen, dass es sich um eine Erpresserin oder Betrügerin handelt.“
Dustin verabschiedete sich von Ewen Kerber und verließ das Büro. Auch Ewen verließ sein Zimmer und machte sich auf den Weg zu Carla.
Als er nach Hause kam empfing ihn Carla wie er es bereits seit über zwei Jahren liebte. Ewen bekam einen Kuss, und sobald er sein Jackett abgelegt hatte, reichte Carla ihm seinen Aperitif. Diese Geste war beinahe ein Ritual geworden, und er wäre bestimmt enttäuscht, wenn sich daran etwas ändern würde.
Auf der Terrasse standen bereits einige amuses- gueules, die Carla vorbereitet hatte.
Sie setzten sich, und Carla prostete Ewen zu. Der Rosé war herrlich temperiert und schmeckte ausgezeichnet. Sie tranken einen Château des Demoiselles, aus der Provence. Sie hatten sich im letzten Jahr zwei Kartons davon gekauft. Eine Empfehlung ihres Weinhändlers.
Carla und er liebten im Sommer einen Rosé zum Aperitif. Zum Essen kam dann ein Rotwein auf den Tisch, und manchmal genossen sie anschließend auch noch ein Gläschen vor dem Fernseher oder beim Lesen.
„Was gibt es heute zu essen?“, fragte Ewen seine Frau.
„Ich habe uns aus den Halles frische Crevettes mitgebracht und wunderschöne Filetsteaks. Als Vorspeise gibt es einen Salat mit Crevettes, und danach darfst du uns die Steaks grillen, während ich die Frites zubereite und die Kräuterbutter anrichte. Entspricht das deinen Vorstellungen?“
„Absolut, mein Schatz, du weißt, dass mir alles schmeckt was du uns zauberst.“
„Soll ich uns noch eine Flasche Rotwein holen?“
„Der steht schon im Wohnzimmer und soll seine Temperatur erreichen. Du könntest ihn aber schon öffnen. Dann bekommt er noch Luft, bevor wir ihn trinken.“
„Mache ich gerne.“
Während sie noch ihren Aperitif genossen, erzählte Ewen seiner Frau von dem aktuellen Fall.
Danach ging Carla in die Küche, und Ewen holte den Rotwein aus dem Wohnzimmer. Sie würden das Abendessen ebenfalls auf der Terrasse einnehmen können. Es war ein angenehmer, lauer Abend, ein Vorteil der westlichen Bretagne, die Temperaturen waren gemäßigt und nie extrem. Selbst im Winter blieb das Thermometer für gewöhnlich über null Grad. Selten gab es einmal minimalen Frost, von minus drei oder vier Grad. Im Sommer dagegen war es eine Ausnahme, wenn die Temperaturen über dreißig Grad stiegen.
Ewen holte die Flasche und sah, dass es sich um einen Château Touzinat Grand Cru, einen Wein aus dem Saint Emilion handelte. Es war einer der besseren Weine aus ihrem Weinkeller.
Er überlegte, ob er irgendeinen Geburtstag oder den Hochzeitstag vergessen hatte. Es fiel ihm aber nichts ein.
„Haben wir etwas zu feiern, mein Schatz?“, fragte er Carla.
„Ja, das haben wir!“, sagte sie und kam aus der Küche. Heute vor drei Jahren haben wir uns auf dem Place Saint-Corentin im Café Finistère kennengelernt. Du erinnerst dich bestimmt nicht an den Tag, aber ich werde ihn nie vergessen.“ Carla gab Ewen einen Kuss und ging zurück in die Küche.
Ewen hatte den Tag wirklich vergessen. Aber an den Verlauf konnte er sich noch genau erinnern.
Es wurde ein sehr schöner Abend. Das Essen schmeckte ausgezeichnet, und ihm gelangen die beiden Filets. Das Fleisch blieb saftig und hatte die richtige, rosige Farbe beim Anschneiden. Danach schwelgten sie in Erinnerungen über die Zeit der letzten drei Jahre.
Guy de Moros konnte am nächsten Morgen nicht erwarten, dass seine Frau das Haus verließ. Er wollte sofort Claudine Lebrun anrufen und sich mit ihr treffen. Ausgerechnet am heutigen Morgen hatte Marie-Julie es überhaupt nicht eilig.
„Musst du nicht so langsam in die Boutique?“, fragte er seine Frau, die keinerlei Anstalten machte, vom Frühstückstisch aufzustehen und nach Quimper zu fahren.
„Nein, ich habe heute Zeit. Meine Mitarbeiterinnen wissen Bescheid, dass ich etwas später komme. Ich will mit dir noch ein wenig plaudern und dann bei den Pépinières Le Loupp in Benodet vorbeifahren. Ich brauche einige Pflanzen für den Garten.“
„Hast du nicht langsam genug Pflanzen im Garten?“
Guy sah auf seine Uhr und wusste nicht so recht, wie er es jetzt anstellen konnte das Haus zu verlassen, ohne bei Marie-Julie Verdacht zu wecken. Dann kam ihm die Idee mit seinem Freund, Alain Dourdy. Er wollte Claudine ja vor seinem Hotel abholen.
„Marie-Julie, Liebling, ich habe mich mit Alain heute verabredet, wir wollen zusammen den Tag verbringen. Ich muss in einigen Minuten aufbrechen.“
„Kein Problem, dann fahre ich etwas früher in die Pépinières. Sehen wir uns gegen acht Uhr heute Abend?“
„Da bin ich auf jeden Fall zurück. Ich wünsche dir einen schönen Tag, mein Schatz.“
Guy gab Marie-Julie einen Kuss und verließ das Haus. Die kurze Strecke bis zum Hotel war schnell zurückgelegt. Er stellte seinen Wagen vor dem Hotel ab, da er Claudine nicht, wie vorgestern, auf der Treppe stehen sah. Guy stieg aus und betrat das Hotel. Auch in der Hotellobby war Claudine nicht zu sehen. Guy ging zur Rezeption.
„Bonjour Monsieur de Moros, Sie wollen bestimmt zu Monsieur Dourdy?“
„Bonjour Marcel, ich will mich mit einer Madame Lebrun treffen, ich habe versprochen, ihr ein wenig die Gegend zu zeigen. Die Frau hat bei euch ein Zimmer.“
„Das ist gut, dass Sie nicht zu unserem Chef wollen. Der ist heute Morgen weggefahren, um einige Einkäufe zu erledigen. Wie sagen Sie heißt die Dame?“
„Claudine Lebrun aus Rennes“, antwortete Guy und sah gespannt auf Marcel.
Der Mann gab den Namen in den Computer ein und sah sich die Gästeliste an, dann gab er erneut etwas in den Computer ein und schüttelte leicht den Kopf.
„Tut mir leid, Monsieur de Moros, aber wir haben keine Madame Lebrun als Gast im Haus. Auch habe ich keine Frau mit dem Vornamen Claudine gefunden. Sind Sie sicher, dass die Dame bei uns abgestiegen ist?“
„Ich habe sie doch Vorgestern vor dem Hotel abgeholt, und sie hat mir gesagt, dass sie bei Ihnen einen kurzen Urlaub verbringt.“
„Monsieur de Moros, vielleicht hat die Frau bei uns an der Bar einen Café getrunken, aber ein Zimmer hat sie hier definitiv nicht.“
„Danke Marcel, dann werde ich mich wohl wieder auf den Heimweg machen.“ Guy