Der Plethora-Effekt. Jon Pan

Der Plethora-Effekt - Jon Pan


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Feld mit verdorrtem Gras. Und mittendrin flimmerte ein großes Ding, das in eine neblige Substanz eingehüllt war.

      Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Die Männer stießen mich von sich. Ich stürzte nach vorne in den Nebel hinein, der sich wie feingemahlene Kreide auf meiner Haut anfühlte und mir auch gleich in Mund und Nase eindrang. Eine weiße Fläche kam mir entgegen, ich schlug mit dem Kopf auf und verlor die Besinnung.

       Kapitel 2 - Unterwegs

      Ich kam zu mir, obwohl ich das Gefühl hatte, schon eine ganze Weile in einem Dämmerungszustand einiges wahrgenommen zu haben. Mit dem Gesicht nach unten lag ich auf einer harten Fläche, die stark vibrierte. Ein tiefes, eintöniges Geräusch dröhnte in meinem Kopf. Ich nahm die Hände, die sich halb auf meinem Rücken befanden, hoch und presste mir die Ohren zu. Das schwingende Geräusch ließ sich dadurch etwas abdämpfen, aber es drang nach wie vor in meinen Körper ein. In meinem Mund und meiner Nase hing diese kreideartige Substanz, die ich schon beim Eintauchen in den Nebel auf dem Feld wahrgenommen hatte. Eigentlich hätte ich mich fragen müssen, wo ich war, doch das tat ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich tastete mich mit verminderter Wahrnehmung schrittweise in diese mir unbekannte Atmosphäre hinein, krampfhaft bemüht, mich zu orientieren, wobei ich bewegungslos in derselben Stellung, Gesicht nach unten, liegen blieb. Selbst die Augen öffnete ich nicht. Geräusche, Geschmack, Vibrationen und eine ganze Anzahl undefinierbarer Dinge, die in meinem Rücken lauerten, ergaben für mich zwar eine Art Bild, das mir aber nicht klarmachen konnte, was um mich herum geschah. Ich kämpfte mit mir selbst, rang mir Vorstellungen ab, mühsam atmend, beide Ohren zugepresst, die Augen geschlossen, bis ich begriff, dass ich mich damit wehrlos auslieferte.

      Aber wem lieferte ich mich aus? Ich musste damit beginnen, die Realität der Situation – und somit auch die Realität der Bedrohung, der ich sicher ausgesetzt war – zu erfassen.

      Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, öffnete die Augen. Eine starke, grellweiße Helligkeit blendete mich, und mein Blick kehrte in die rötlich-dumpfe Abschirmung meiner Lider zurück, nicht ohne dort einem stetig wiederkehrenden Blitzen ausgesetzt zu sein. Woher kam diese Helligkeit? Ein solches Licht kannte ich nicht. Ich öffnete die Augen nochmals. Diesmal schafften sie es, der Lichtwand standzuhalten. Außer diesem intensiven Weiß konnte ich jedoch nichts sehen, weil es sonst offenbar nichts gab – ich starrte gewissermaßen in ein weißes Nichts hinein.

      Ich musste einen Weg finden, mich aus meiner Wehrlosigkeit zu befreien. Ohne Orientierung war das schwer. Sollte ich mich bewegen? Und wenn jemand über mir stand, der mich für tot hielt? Vielleicht lebte ich nur noch, weil sie mich für tot hielten. Sie? Natürlich, die Männer, die mich eingefangen hatten! Sie beobachteten mich bestimmt in diesem Augenblick. Und Martina? Ich spürte den Zwang, nach ihr zu rufen. Ihr Name quälte mich, saß eingezwängt fest, wollte mir laut entschlüpfen. Aber ich nahm mich zusammen, hielt ihn zurück.

      Unmöglich! Ich konnte nicht ewig so liegen bleiben und in dieses grelle Weiß blicken. Dazu folterte mich das brummige Dröhnen. Stellenweise glaubte ich, das Geräusch habe seinen Ursprung in meinem Schädel. Doch das war nicht so, der ganze Boden unter mir vibrierte ja mit.

      Plötzlich war da eine eigenartige Stimme. Ihr Klang schien vorwiegend mit der Nase erzeugt zu sein und aus dieser richtiggehend herausgepresst zu werden. Das erstaunte mich jedoch nicht so sehr wie die Worte, die, soweit ich das verstand, ausschließlich aus Vokalen wie A, E und O zusammengesetzt waren. Die einzelnen Sätze – wenn es überhaupt Sätze waren – wurden sie sehr schnell gesprochen. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte.

      Die Männer, drei oder vier, soweit ich das erahnen konnte, schienen dicht bei mir zu stehen. Wieder sprach einer. Ein anderer antwortete. Die Stimmen unterschieden sich voneinander, nicht stark, doch ich konnte sie auseinanderhalten.

      Vorsichtig nahm ich die Hände von meinen Ohren weg, drehte mich langsam. Meine Augen hatten sich an das grelle Weiß gewöhnt, ich konnte mich nun, ohne weiterhin so stark geblendet zu werden, umschauen. Das weiße Nichts hatte an Weite verloren. Ich nahm eine Art Steinwand wahr, die eine fremdartige Leuchtkraft zu besitzen schien. Die Art dieses Steins, der stellenweise sehr porös schien, und das mehlige Gefühl in meinem Mund, in meiner Nase und inzwischen auch in meinem Rachen, passten irgendwie zusammen. Soviel begriff ich. Und die Männer? Ich hatte mich bereits bewegt. Sie reagierten nicht darauf. Also bewegte ich mich weiter, bis ich fast auf dem Rücken lag.

      Nun konnte ich sie sehen. Sie standen tatsächlich nur wenige Schritte von mir entfernt nebeneinander. Drei waren es. Sie trugen schwarze Gewänder aus grobmaschigem Tuch, das mit einer feinen, weißen Schicht bestäubt war. Ihre Gesichter hatten eine leicht bronzefarbene Tönung, zum Teil mit dunkelbraunen Flecken. Ihre Augen konnte ich kaum erkennen, da sie sehr klein waren. Mir fielen ihre schmalen Lippen auf, die einen sehr breiten Mund zeichneten, und das bei allen drei. Überhaupt hatten sie eine starke Ähnlichkeit, wenn ich vereinzelt auch kleine Unterschiede, vor allem was die braunen Flecken betraf, wahrnahm. Der eine gab wieder diese von As, Es und Os geprägte Sprache von sich. Die anderen hörten ihm zu.

      Gab er irgendwelche Befehle, Befehle, die gar mich betrafen? Ich sah mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber dazu musste ich erst einmal wissen, wo ich mich befand. Sie hatten mich vom Feld her in diesen Nebel gestoßen. Mit dem Kopf war ich gegen etwas Hartes geprallt. Hatte ich eine Verletzung? Ich spürte keinen Schmerz. Wie lange war es her, seit sie mich festgenommen hatten? Hielt ich mich in einem Raum auf? Es sah ganz so aus. Sollte ich versuchen, mich zu erheben? Wie würden die Männer darauf reagieren? Sie blickten nie in meine Richtung, das fiel mir auf. Verfügten sie über die Sicherheit, mich in ihrer Hand zu haben?

      Warum zweifelte ich plötzlich daran? Es war mehr als bloß eine Idee. Die Frage tauchte klar und deutlich auf, schrie mich an: Waren diese Männer überhaupt Menschen? Sie sahen irgendwie wie Menschen aus, aber eben nur irgendwie.

      Zwei der Männer debattierten nun heftig miteinander. Der eine bewegte dazu seine Arme, die nackt seitlich unter dem schwarzen, grobmaschigen Gewand herausragten. Warum ließ man mich unbeachtet? Meine Angst wurde größer. Was genau war geschehen? Wie lange hatte ich das Bewusstsein verloren? Und wo war Martina? Die Männer hatten uns mitten im Liebesakt überrascht. Meine Hände fassten an meinen Oberkörper, der nackt war. Ansonsten trug ich nur eine Hose. Die Schuhe hatte ich also auch zurückgelassen. Und mein Wagen? Dieser weiße Raum hatte bestimmt einen Ausgang. Und von dort aus könnte ich vielleicht zu meinem Wagen fliehen.

      Ich rutschte auf den Knien näher zur Wand hinter mir hin, erhob mich dann. Ich stand nicht sehr sicher auf den Füßen, wagte es aber nicht, mich an der Wand abzustützen. Obwohl ich nichts von dieser Substanz, die sich wie feingemahlene Kreide anfühlte, auf meiner Haut entdecken konnte, kam es mir vor, als sei ich an meinem ganzen Körper damit in Berührung gekommen. Dass ich schwitzte, verstärkte diesen Eindruck noch. Das Vibrieren des Geräusches, das nun für meinen Eindruck etwas höher schwang, kribbelte durch meine Füße und pflanzte sich bis zu meinen Knien fort. Ich machte einen Schritt, wartete ab. Wohin sollte ich gehen? Ich sah nur Wände um mich. Doch konnte ich mich täuschen. Möglich, dass das Licht eine mögliche Lücke überstrahlte. Die Gewissheit, in den Raum hineingekommen zu sein, und die Anwesenheit von drei Männern, die aus diesem bestimmt auch wieder herauswollten, gaben mir eine schwache Hoffnung.

      Was mich mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass die Männer so taten, als sähen sie mich nicht. Das machte mich unsicher. Es kam mir vor, als hätten sie die Absicht, mit mir ein gemeines Spiel zu treiben. Und wieder die Frage: Waren diese Männer überhaupt Menschen? Wenn nicht, was waren sie dann? Natürlich kannte auch ich, wie die meisten Menschen, den Gedanken, dass es irgendwo andere intelligente Lebewesen geben könnte. Außerirdische, wie sie oft bezeichnet wurden. Doch hier nun tatsächlich mit sogenannten Außerirdischen konfrontiert zu sein, schien mir, trotz der Eigenartigkeit meiner Lage, einfach absurd. Trieb gar jemand einen Scherz mit mir? Martina war verheiratet. Vielleicht steckte ihr Mann dahinter?

      Nein, es war kein Scherz, das begriff ich beim Anblick der drei Männer. Es war echt, außer ich fiel auf ein schier unglaubliches inszeniertes Machwerk herein. Doch wer würde um meinetwillen schon so etwas veranstalten! Nicht einmal die tief in mir pochende Angst


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