Serva II. Arik Steen
Hauptmann der pravinischen Garnison hatte bereits am frühen Morgen geahnt, dass heute sein Tod bevorstand. Und nun war es soweit. Er würde einen qualvollen Tod sterben. Die Nehataner würden keine Gnade kennen. Alles deutete darauf hin. Einige Soldaten hatten immer noch die Hoffnung gehabt zu überleben und als Sklaven nach Nehats verschleppt zu werden. Aber die nehatanische Armee sortierte hierfür lediglich Bauern und Handwerker aus, die in den kommenden Tagen die Reise in die Hauptstadt Xipe Totec antreten sollten. Als Geschenk an den König Atlacoya. Die Soldaten sollten sterben. Es gab einige Krieger der Pravin, die dem Feldmarschall angeboten hatten auf seiner Seite zu kämpfen, aber dieser blieb hart. Es war durchaus im Gespräch gewesen eine Söldnertruppe aus fremden Soldaten zu bilden. Diese Idee war jedoch längst verworfen. Zu groß war die Angst, dass sich die jeweiligen Soldaten am Ende doch gegen ihren wirklichen Feind stellten. Die Chance war sogar recht groß. Die Pravin hatten sich als sehr nationalstolz gezeigt. Mit welcher Inbrunst sie ihre Stadt verteidigt hatten, war ein deutliches Zeichen.
Die achtzehn überlebenden Soldaten wurden aus der Stadt in Richtung Anhöhe geführt und schließlich von dort hinunter in ein Nebental geführt. Von dort aus hatten sich die Pravin für den Angriff in die Flanke genähert. Im Schutze des dortigen Bambushains.
Der Hauptmann wusste nicht in welcher Form sie sterben würden, er wusste nur, dass sie sterben würden. Er hoffte natürlich auf einen möglichst schmerzlosen und schnellen Tod. Aber diesen Gefallen würde ihm der Feldmarschall der nehatanischen Armee nicht machen. Im Gegenteil.
Nackt wurden die Soldaten ausgezogen. Eingekreist von den deutlich dunkelhäutigeren nehatanischen Kriegern. Dem Spott und dem Hohn ausgesetzt, standen sie da. Der Hauptmann der Pravin schaute irritiert auf die Stelle vor ihm. Man hatte einige Bambuspflanzen gekappt und nur einen etwa zehn Zentimeter großen Stumpf übriggelassen. Die Reste der Bambuspflanzen lagen säuberlich an der Seite. Die schnellwachsenden Pflanzen waren ein wichtiger Baustoff für die Pravin.
«Der Hauptmann als Erstes!», befahl Mixtli.
Die Männer gehorchten. Sie packten den Hauptmann und führten ihn zu einem der Stümpfe im Boden.
Chantico schaute sich das Schauspiel von Weitem an. Er wollte nicht direkt dabei sein. Seine Wunde, die er im Kampf davongetragen hatte, war nicht allzu groß. Aber sie erinnerte ihn daran, dass er verwundbar war. Und er hatte definitiv keine Lust in diesem sinnlosen Krieg zu sterben. Allmählich wurde ihm der Feldmarschall auch zu mächtig. Er wusste, dass er als Feldherr mehr Entscheidungen treffen musste. Es war wichtig, dass er die Führung übernahm. In möglichst vielen Punkten. Und er nahm sich vor das in Zukunft auch zu tun. Allerdings wollte er sich wenigstens bei den Hinrichtungen, die er ebenfalls als unsinnig ansah, raushalten. Jeder nehatanische Soldat erwartete nun die Tötung der Überlebenden. Weil Mixtli ständig davon gesprochen hatte. Chantico wollte sich wenigstens dabei die Hände nicht schmutzig machen.
Der Hauptmann der pravinischen Garnison von Laros hatte keine Ahnung, was man mit ihm und seinen Männern vorhatte. Man fesselte ihm die Hände hinter dem Rücken und schließlich auch die Beine zusammen. Und dann tat man etwas, das er sich in seinen schlimmsten Alpträumen niemals hätte vorstellen können. Zwei Männer packten ihn an den Schultern, hoben ihn hoch und setzten ihn dann mit dem Hintern auf den Bambusstumpf. Schmerzhaft bohrte sich der Bambus in seinen Anus. Der Hauptmann schrie auf. Zappelte wie wild. Aber er hatte keine Chance. Immer tiefer trieben sie den gut zehn Zentimeter langen und in etwa zwei bis drei Zentimeter breiten Bambusrest in seinen Darm.
Einer der Nehataner trieb hinter dem Delinquenten einen langen Holzpfahl in den Boden. Anschließend fesselte man den Oberkörper des Hauptmannes an diesem fest, so dass er keine Möglichkeit hatte auch nur annähernd wegzukommen.
Tränen stiegen dem Führer der besiegten Garnison in die Augen. Der Schmerz war unerträglich. Es gab keine größere Erniedrigung, keine größere Demütigung. Und keinen größeren Schmerz. Sein Schließmuskel versuchte den Fremdkörper abzustoßen. Aber es gelang ihm nicht.
Der Hauptmann wusste, dass dies einer der grausamsten Tode sein würde, den er und seine Männer sterben würden. Er wusste, wie schnell der Bambus wuchs. Wie Spargelspitzen brachen jüngere Pflanzen durch das Erdreich und erreichten im Laufe ihres Lebens eine Wuchsgeschwindigkeit von rund einem Fuß pro Tag. Und wegen dem schnellen Wuchs waren sie als Rohstoff so beliebt. In gut einem Tag würde dieser Bambus sich einen Fuß weit in seinen Körper bohren. Eine grausame Vorstellung. Wann er sterben würde, das war nicht klar. Ihm war in jedem Fall bewusst, dass er innerlich irgendwann verbluten würde. Hoffentlich früher als später.
Der nächste Soldat wurde auf gleiche Weise aufgespießt. Anders als der Hauptmann heulte und jammerte er wie ein Kind. Im Angesicht der Folter allerdings durchaus verständlich. Der Hauptmann machte ihm keine Vorwürfe. Auch er litt unter unsagbaren Schmerzen. Und Tränen rannen seine Wangen herab. Aber einen Laut gab er nicht von sich. Er wollte dem Feind diese Genugtuung nicht geben. Tief in sich spürte er jedoch das Verlangen so laut wie möglichst zu schreien.
Nacheinander wurden so alle noch lebenden pravinischen Soldaten einer höllischen Qual ausgesetzt. Die Schreie hallten laut und erreichten auch die Stadt Laros, die hinter dem Hügel lag. Die dortigen überlebenden Einwohner erschauerten. Viele beteten zu den Göttern.
10
Stadt Hingston,
Küste nahe des Wachturms
Christoph von Charleston nickte stumm. Er blickte den Abhang hinunter und beobachtete, wie seine Männer den Leichnam bargen. Sie würden ihn nicht hier hochbringen, sondern am Strand entlang und dann direkt zur Stadt tragen. Hier war der Abhang einfach zu steil.
Sein Bruder, Stephan von Charleston, der Offizier der Angriffskompanie schüttelte ungläubig den Kopf: «Ich kann es gar nicht glauben. Er pinkelt dort die Felsen hinunter und stürzt dann ab?»
«So wird es wohl gewesen sein!», murmelte Christoph: «Geh du und sag dem König Bescheid!»
«Werde ich!», meinte Lord Stephan und winkte dann zwei seiner Männer herbei: «Was tust du?»
«Ich werde mal mit der Prinzessin sprechen!», meinte der aktuelle Kommandeur: «Vielleicht hat sie was gesehen!» Er blickte hinauf zum Balkon des Turmes.
«Nun. Möglich wäre es von dort oben. Aber es wäre dann doch Zufall. Sie wird doch wohl nicht die ganze Zeit aus dem Fenster starren. Zudem hätte sie sicherlich um Hilfe gerufen!»
«Vermutlich!», murmelte Christoph und ging dann Richtung Turm.
Es gab eine Sache die Fragen aufwarf. Er ging direkt zu der Felsspalte unter dem Turm und kniete sich hin. Da war Blut. Frisches Blut. Wie kam das hierher? Wenn der Priester gut zehn Meter weiter Richtung Felsabgrund gegangen war und dort abstürzte, wo kam dann dieses Blut hier her? Die Möglichkeit, die ihm als Erstes in den Sinn kam, war durchaus schlüssig. Aber genauso auch erschreckend. Nämlich, dass der Priester vom Balkon gestürzt war. Und ihn anschließend jemand zehn Meter weiter geschleift hatte, um ihn dort noch tiefer hinunter zu stürzen.
Lord Christoph ging den Weg zwischen der möglichen Stelle unterhalb des Turmes und der Stelle, wo der Priester angeblich abgestürzt war, ab. Ja, da war eindeutig eine Blutspur. Wer auch immer hier etwas vertuschen wollte, er hatte stümperhaft gearbeitet. Vielleicht unter Schock. Recht schnell kamen ihm die Magd und die Hofdame der Prinzessin in den Sinn. War es möglich, dass ...? Er verdrängte den Gedanken. Aber nur für einen Augenblick. Dann kam er wieder hoch. Den beiden würde er durchaus zutrauen, dass sie nicht an die Blutspur dachten. Weil sie hektisch und voller Adrenalin gehandelt hatten. Ohne nachzudenken. Aber dann kam doch auch die Frage auf, wieso der Priester vom Balkon gefallen war. War er tatsächlich gefallen? Wenn er gefallen wäre, würde er dann nicht viel dichter am Turm liegen? Christoph überlegte. Es war einige Fuß zwischen dem Turm und der Stelle, wo der Priester vermutlich aufgeprallt war. Er musste gestoßen worden sein.
Ein lautes Grollen ertönte. Lord Christoph von Charleston blickte zum Himmel. Ein Unwetter zog auf. Das war ungünstig. Und noch bevor er richtig darüber nachdenken konnte, fing es an zu regnen.
«Verflucht!», murmelte er