Serva II. Arik Steen

Serva II - Arik Steen


Скачать книгу
immer wieder zurück gespült.»

      «Dann vergraben wir ihn!»

      Tamira schüttelte den Kopf: «Dafür brauchen wir Tage!»

      «Bringt ihn in den Wald!», sagte die Prinzessin.

      «Nein, königliche Hoheit!», meinte die Magd: «Ich habe eine Idee ...»

      Katharina blieb zurück. Die Magd des Priesters ging mit Tamira die steilen Treppen des Turmes hinunter.

      «Der Priester möchte nicht gestört werden!», sagte die Magd zu den beiden Wachen.

      Sie nickten. Einer von ihnen grinste. Ihre Fantasie spielten ihnen Streiche. Aber das war gut.

      «Was grinst Ihr so?», fragte sie zornig.

      Der Soldat schüttelte schnell den Kopf: «Verzeih! So war das nicht gemeint!»

      «Wir werden einen Spaziergang machen!», erwiderte die Magd leise: «Und Ihr werdet ihn auch nicht stören!»

      «Nein, werden wir nicht!», versprach der Soldat.

      Die beiden jungen Frauen gingen auf die andere Seite des Turmes. Dort sahen sie ihn. Etwas weiter unten auf einer Felsspalte.

      «Wir müssen dort hinunter!», sagte die Magd.

      Tamira schluckte: «Vielleicht ist es besser, wenn ich die Wahrheit sage und ...»

      «... dich hängen lässt? Rede keinen Unsinn! Und jetzt komm mit runter!»

      Sie kletterten hinab ...

      «Bei den Göttern ...», rief Tamira aus und schaute auf den Priester, der einfach nur grauenhaft entstellt aussah. Seine Glieder waren teilweise gebrochen und standen völlig willkürlich von ihm ab. Er sah aus wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hatte.

      «Reiß dich zusammen!», sagte die Magd: «Und hilf mir!» Sie packte den Priester an den Füßen: «Wir müssen ihn hier hinunter Richtung Strand ziehen!»

      «Wenn uns jemand sieht, dann sind wir beide tot!», sagte Tamira und ging zu seinem Oberköper. Sie musste einen Würgereiz unterdrücken.

      «Denk nicht daran. Nicht jetzt!»

      Tamira starrte in das blutüberströmte Gesicht. Ihr Herz bekam fast einen Aussetzer, als der Priester plötzlich die Augen öffnete: «Heilige Monde der sieben Götter. Er lebt ...» Panik erfüllte die Hofdame der Prinzessin und sie machte einen Schritt zur Seite.

      «Helft mir ...», stöhnte der Priester. Seine Lippen bewegten sich dabei nur ganz wenig. Er hatte vermutlich höllische Schmerzen. Aber er lebte.

      «Verflucht!», sagte die Magd: «Wir müssen ihn erlösen!»

      «Ihn erlösen?», Tamira wurde fast schon ein wenig zu laut. Noch einmal wiederholte sie ihre Worte etwas leiser: «Ihn erlösen ... oh verdammt. Das meinst du doch nicht ernst!»

      «Natürlich meine ich das ernst!»

      «Du meinst ermorden!»

      «Du hast ihn schon ermordet!», sagte die Magd: «Du hast ihn vom Balkon gestürzt.»

      «Aber er lebt!»

      «Nennst du das Leben? Schau ihn dir an. Er ist so gut wie tot!»

      «Helft mir!», stöhnte der Priester. Man sah ihm an, dass er versuchte aufzustehen. Aber die vielen gebrochenen Knochen machten das unmöglich: «Was ... was ist geschehen?»

      «Ihr seid gefallen!», sagte die Magd.

      «Nein!», meinte er: «Ich wurde ... ich wurde gestoßen.» Er versuchte die Hand zu heben, aber es gelang ihm nicht.

      «Nein. Ihr seid gefallen!», wiederholte die Magd.

      «Ich bin gestoßen worden. Von ihr!», er meinte Tamira. Aber es gelang ihm nicht auf sie zu zeigen.

      «Wir müssen ihn töten!», sagte die Magd noch einmal laut und deutlich.

      «Bitte!», flehte er: «Das könnt ihr nicht tun!»

      «Wir müssen!», erwiderte seine Magd bestimmt.

      «Das ist Sünde. Ihr vergreift euch an einem Priester der Götter. Ihr werdet in der Ewigen Verdammnis für alle Ewigkeit verbannt!», sagte er.

      Die Magd nahm ihre Schürze ab, die ohnehin schon voller Blut war. Sie rollte sie zusammen und presste sie dann auf sein Gesicht.

      «Was tust du?», sagte Tamira schnell.

      «Ich beende es!»

      Der Körper des Priesters bewegte sich. Er kämpfte mit dem Tod. Er rang um sein Leben. Seine Lungen brauchten Sauerstoff, aber die Atemwege waren blockiert. Allzu viel Widerstand leistete der Körper nicht. Und dann war er plötzlich bewegungslos.

      «Ist er tot?», fragte Tamira unsicher.

      «Ich denke!», meinte die Magd und schlug dem Priester ins Gesicht.

      Dieser öffnete plötzlich wieder seine Augen. Ein tiefer Luftzug und seine Lungen füllten sich wieder mit Sauerstoff.

      «Verdammt!», die Magd zitterte und erneut presste sie ihre Schürze auf sein Gesicht. Dieses Mal war der Widerstand geringer. Sie drückte zu. Lange. Längst kam keine einzige Regung mehr. Aber sie wollte sichergehen. Sie wollte sicher sein, dass er tot ist.

      «Ist er nun wirklich tot?»

      Die Magd nickte: «Ich denke schon!»

      «Du denkst?»

      «Ja, er ist tot. Und nun lass ihn uns wegbringen!»

      «Bei den Göttern. Das ist alles so grausam!»

      «Hilfst du mir nun?»

      Tamira nickte: «Ja, sicher. Was soll ich tun?»

      «Wir ziehen ihn die Felsen hinunter.»

      «Er ist fett, und schwer!», meinte die Hofdame der Prinzessin.

      «Ja!», murmelte die Magd. Die Erinnerung, dass dieser Typ sie vergewaltigt hatte, kam wieder hoch: «Aber jetzt lass ihn uns hinunterziehen! Siehst du den Abhang dort?»

      «Ja!»

      «Dort werfen wir ihn hinunter!»

      «Und dann?»

      «Das wirst du dann schon sehen!»

      7

       Land der Pravin,

       vor den Toren von Laros

      Blut und Asche – Asche und Blut. Die Nehataner schrieben Geschichte. Es war vollkommen egal, welcher Feind besiegt worden war. In welcher Größe und Stärke er die Stadt verteidigt hatte. Es ging nur um den Sieg. Ob der schmutzig war, das war egal. Die Nehataner hatten gewonnen und das war das einzige was zählte. Mit dem Mut der Verzweiflung hatten sich die Pravin gegen die Angreifer gestellt. Eigentlich verdienten sie jeglichen militärischen Respekt. Sie hatten strategisch klug gehandelt und die richtigen militärischen Entscheidungen getroffen. Sie hatten mit dem Mut der Verzweiflung gekämpft und keine Gnade gekannt.

      Der Hauptmann der Garnison lebte noch. Aber er würde hingerichtet werden. Noch am heutigen Tag. Er, der wohl als militärischer Führer mehr taktisches Gefühl und Verständnis bewiesen hatte, als die ganzen führenden Köpfe der Nehataner. Er würde sterben, weil die Nehataner es so wollten. Weil er ein Feind war. Und Mixtli war es ein besonderes Anliegen diesen Mann zu töten. Aus Hass und vor allem aus Wut. Aber insbesondere aus Wut gegenüber sich selbst. Weil er sich dabei ertappte, dass er diesem Mann Respekt und Anerkennung zollte. Die Entscheidungen des Hauptmanns waren alle richtig gewesen, was man von seinen eigenen Entscheidungen nicht behaupten konnte. Zweihundert Mann hatten die Pravin im Endeffekt verloren. Auch wenn noch einige lebten, sie würden bald ihren Kameraden in den Tod folgen. Aber sie hatten sich für ihr eigenes Volk aufgeopfert. Konnte man das bei den Nehatanern auch behaupten? Sage und schreibe vierhundert nehatanische


Скачать книгу