Lazarus. Christian Otte

Lazarus - Christian Otte


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ist es?“, brüllte der Typ am Boden, der noch immer den Inhalt ihrer Tasche auf dem Pflaster hin- und herschob.

      Der zweite Messermann leckte sich kaum merklich über die Lippen.

      „Wo ist es?“, fragte der Mann der die Handtasche durchsuchte erneut. Diesmal lauter und bedrohlicher. Dabei kam er auf Anna zu und griff sie am Arm um sie zu Boden zu zerren.

      „Ganz ruhig“, versuchte Alex zu beruhigen.

      „Halt die Klappe.“ Der Räuber, der Anna am Arm festhielt, deutete seinem Kollegen ihm das Messer zu geben, was dieser recht widerwillig tat. Kaum hatte er das Messer in der Hand hielt er es an Annas Hals und brüllte: „Und diese Schlampe zeigt mir jetzt wo sie ihr Geld hat.“

      Anna hielt einen Schmerzlaut zurück als sich das Messer an ihren Hals drückte. Ein schmaler roter Streifen zeichnete sich ab.

      Alex hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Als hätte ein unsichtbarer Zuschauer mit einer Fernsehfernbedienung die Farbe aus der Welt gedreht wurde vor seinen Augen alles zu einem Bild aus Grau in Grau. Er drehte seine Handflächen nach unten, setzte den rechten Fuß zur Seite.

      Der Glatzkopf versuchte reflexartig nach der fallenden Beute zu greifen. Alex griff die Hand, in der er das Messer hielt. Er drehte seinen ganzen Körper ruckartig nach links. Dieser kurze Impuls reichte. Der Glatzkopf musste einen Schritt nach vorn machen. Alex packte mit der Linken nach der fixierten Hand, ließ mit der Rechten los, zog seine Arme auseinander. Sein Ellenbogen traf das Gesicht des Räubers knapp unter dem linken Auge. Er spürte das Knacken des Knochens. Der Glatzkopf fiel zu Boden. Alex' nächster Schlag führte unter dem Arm des Räubers, der das Messer an Annas Hals hielt, hindurch zu dessen Schulter. Sein Arm glitt nach oben. Er griff er das Jackenmaterial und streckte sich. Die plötzliche Aufwärtsbewegung riss den Gegner von den Füßen. Einer übrig. Wie Anna zur Statue erstarrt. Alex trat einen Schritt auf ihn zu, drehte sich ein und traf mit dem Ellenbogen das Kinn des Gegners. Der Unterkieferknochen gab spürbar nach. Sein Besitzer ging in einer leichten Drehbewegung zu Boden.

      Annas Quieken war das erste, was er wieder hörte. Sie stand zwischen zwei der am Boden liegenden Räubern. Annas Fäuste waren vor Entsetzen und Anspannung geballt, ihre Schultern hochgezogen.

      „Alles ok“, sagte Alex im beruhigenden Tonfall und tat einen Schritt auf sie zu, während die Spannung langsam von ihm abfiel. Er konnte ihr Zittern am ganzen Körper sehen. Sie sah ihn verwirrt an, während er dicht an sie herantrat und seine Arme um sie schloss. Sie lehnte ihr Gesicht an seine Schulter und begann leise zu weinen.

      „Alles ok, es ist vorbei“, versuchte er sie zu beruhigen.

      Sie löste ihr Gesicht von seiner Schulter und sah ihn an. Ihr Make-Up war verschmiert und hatte einen amorphen Fleck auf seinem Hemd hinterlassen.

      „Wir sollten gehen“, flüsterte er und sie nickte.

      Er sammelte ihre Sachen auf und gab ihr die Tasche zurück.

      Mit ihrem Arm um seine Hüfte und seinem über ihrer Schulter gingen sie weiter.

      „Ganz ruhig, es ist vorbei“, wiederholte Alex, kaum dass sie drei Schritte entfernt waren.

      „Ja, das ist es“, antwortete eine Stimme hinter ihnen.

      Er hörte das Klicken während er sich umdrehte. Er sah das Mündungsfeuer als die erste Kugel den Revolver verließ. Er roch das Schießpulver als die zweite und dritte Kugel ihn trafen. Er schmeckte das Blut in seinem Mund als Anna zu schreien begann. Er spürte wie sein Körper auf den Asphalt aufschlug.

      Er wollte Anna beruhigen, die völlig aufgelöst neben ihm kniete. Doch er konnte nichts mehr sagen. Blut sammelte sich in seinem Mund.

      Während sich die Welt um ihn herum verdunkelte sah er Anna und versuchte zu lächeln.

      Ein Date wird dich nicht umbringen, hatte Ben gesagt. Dass er sich ausgerechnet hier irren sollte, hätte Alex nie geahnt.

      Das klingelnde Handy weckte Wolk aus tiefem Schlaf.

      Er stöhnte ein langgezogenes „Jaaahhhh...“ in die Leitung und hörte, was ihm der Mann am anderen Ende berichtete.

      Milena drehte sich ihm zu und wollte sich gerade wieder an ihn kuscheln als er hochfuhr.

      „Was?“, fragte Wolk, jetzt hellwach. Der Gesprächspartner wiederholte seinen letzten Satz.

      „Alles klar. Danke für die Information. Ich bin unterwegs.“

      „Was ist denn los?“, murmelte Milena deutlich zerknautscht.

      „Mein Kontaktmann vom Orden. Ich muss mich mit ihm treffen.“

      Milena ließ das Gesicht ins Kissen fallen. „Jetzt?“, nuschelte sie.

      „Leider ja.“

      Als sie wieder aufblickte hatte er sich bereits komplett angezogen. Ohne ein weiteres Wort, griff er seine Jacke und stürmte aus der Wohnung.

      Milena war bereits wieder eingeschlafen als er nach zwei Schritten aus der Tür umdrehte, ins Schlafzimmer zurückkam und ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn drückte.

      Abschnitt 2

      

      

      

      

       Carpe noctem

      „Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass aus Unwahrheit und Gewalt auf Dauer niemals Gutes entstehen kann.“

      Mahatma Gandhi

      7

      Ein gleißendes Licht. Das hatte er erwartet. Er lag auf einer kalten, harten, glatten Oberfläche. Das hatte er nicht erwartet. Er wusste nicht, was er sich vorgestellt hatte. Eine hell erleuchtete Blumenwiese, ein See aus kochendem Schwefel. Irgendwas, aber nicht dieses...dieses...was eigentlich? Irgendetwas lag auf ihm. Etwas das nachgab, wenn er einatmete. Ein Tuch. Er atmete tief ein. Er atmete? Offensichtlich. Er zog das Tuch über seinem Oberkörper zurück und starrte in eine blendende Lampe, wie er sie aus Operationssälen kannte. Um ihn herum ein hell erleuchteter, gekachelter Raum mit Metallklappen an der Wand. In der Ecke dieses Raumes saß ein Mann in einem weißen Kittel, der in einer Akte zu blättern schien. Als Alex sich aufrichtete legte der Mann die Akte bei Seite.

      „Herzlichen Glückwunsch!“, sagte der Mann im weißen Kittel zu Alex, dem nackten Mann auf dem Tisch in der Pathologie, „Sie sind soeben wieder auferstanden.“

      Er zog eine Schublade an einem nahen Schreibtisch auf und holte zwei Gläser und eine Karaffe mit Whiskey daraus hervor, aus der er für beide großzügig einschenkte.

      „Danke“, erwiderte der Auferstandene als er das Glas aus Gewohnheit ablehnen wollte, „aber ich darf keinen Alkohol trinken.“

      „Glauben Sie mir: Bei dem, was ich Ihnen gleich erzählen werde, wollen Sie auf keinen Fall nüchtern sein.“

      „Wie geht es Anna?“

      „Oh, ihre Begleitung. Der geht es gut. Sogar sehr gut den Umständen entsprechend. Nun trinken sie, bitte.“

      Alex griff nach dem Glas und nippte vorsichtig daran. Ein überraschend milder Whiskey.

      „Wenn ich mich zunächst vorstellen darf. Mein Name ist Vladimir Wolk. Ich arbeite für eine Organisation, zu deren Klientel Sie ab sofort gehören.“

      Alex zupfte das Tuch, das über ihm gelegen hatte zurecht und versuchte sich daraus einen improvisierter Lendenschurz zu knoten, während er aufmerksam zuhörte.

      „Und


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