Aldemakros. Dubhé Vaillant

Aldemakros - Dubhé Vaillant


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»Du, ich habe ein eigenartiges Gefühl, das Great Blue Hole sieht zwar wie immer aus, aber etwas missfällt mir. Ich kann es aber nicht deuten«, sagte John.

      »Woran denkst du?«

      »Es ist nur so ein Gefühl, ich kenne das von meinen früheren Kampfeinsätzen bei den Navy Seals. Es riecht nach Gefahr. Aber ich sehe keine. Der Wetterbericht ist bis auf Weiteres gut«, antwortete er.

      »Mach dir keine Sorgen, es wird schon schiefgehen. Ich leite noch diesen Tauchgang und dann gönnen wir uns einen gemütlichen Abend«, rief sie augenzwinkernd John zu.

      »Nein!«, sagte John in ernsthaftem Ton.

      »Was, nein?«

      »Nein, du wirst diesen Tauchgang nicht leiten. Ich werde das tun.«

      »Doch, das werde ich«, empörte sich Dolores ein wenig.

      »Das solltest du auf keinen Fall tun!«

      »Ich streite nicht mit dir John. Ich leite den Tauchgang und damit hat es sich!«

      »Ich habe dich noch nie um was gebeten, aber ich flehe dich an, geh heute da nicht raus. Das Gefühl wird stärker und es hat mich noch nie getäuscht«, erklärte er ihr.

       Nachdenklich beobachtete ihn Dolores und spürte, dass sie ihn wirklich noch nie so erlebt hatte. Die Nasenflügel seiner etwas zu gross geratenen Nase bewegten sich unrhythmisch und das beunruhigte Dolores.

      »Was ist mit dir los, John? Fühlst du dich nicht gut? Wirst du krank?«

      »Nein, überhaupt nicht. Mir sträuben sich alle Nackenhaare, aber ich weiss nicht, warum. Schon mein Grossvater hatte so eine Art Vorahnung, wenn es sehr gefährlich zu werden schien. Er hat sich auch nie getäuscht. Glaube mir, es wird sehr, sehr gefährlich, und ich will nicht, dass du da raus gehst.«

      »Sollen wir den ganzen Tauchgang absagen?«, fragte Dolores besorgt.

      »Ich weiss es nicht«, antwortete John.

      »Also gut, wenn es sein muss, dann übernimmst du den Tauchgang«, erklärte Dolores.

      Irgendwie war ihr die ganze Sache etwas unheimlich, aber die Gäste hatten gutes Geld für den Tauchgang bezahlt. Nur wegen einer Vorahnung wollte sie nicht alles abblasen. Sie war ja auch auf das Geld angewiesen.

      Der angemietete Bus fuhr direkt vor die Tauchbasis und zehn Gäste stiegen mit ihren eigenen Tauchausrüstungen aus. Sechs Männer und vier Frauen. Dolores hoffte insgeheim, dass keine Paare dabei wären. Der Stress bei Tauchgängen in dieser Umgebung führte oftmals anschliessend zu grossen Ehekrisen. Meistens waren es nur die Männer, die begeistert waren. Oftmals überredeten sie ihre Frauen, damit diese mitmachten. John nickte ihr zu, als könnte er ihre Gedanken lesen.

      »Hey John, gibt es eigentlich eine Scheidungsstatistik nach Tauchgängen?«, rief Dolores ihm zu.

      »Keine Ahnung, aber es wäre mal interessant, dem nachzugehen«, erwiderte er.

      Auf der Teilnehmerliste war ersichtlich, dass vier Amerikaner, zwei Kanadier, zwei Norweger und je ein Deutscher und Franzose den Tauchgang bestreiten wollten. Nachdem sie die angekommen Gäste begrüsst hatten, erklärten sie die Regeln und dass den Anweisungen von John Kennedy, dem heutigen Tauchleiter, strikt Folge zu leisten sei. Mit Ausnahme der Amerikaner kannten sich die Teilnehmer nicht. Alle nickten, und wie üblich unterzeichneten die Teilnehmer ein paar Formulare, damit später keine juristischen Schwierigkeiten zu erwarten wären. Jedem Teilnehmer wurde, wie immer bei solchen Tauchgängen, ein Body zugewiesen. Das hiess, dass immer zwei Personen gegenseitig füreinander verantwortlich sein würden. Die vier Paare entschieden schnell, dass sie sich gegenseitig als Body dienen wollten. Der Franzose, der Deutsche und John bildeten ein Dreierteam. Jeder Taucher war selber für seine Ausrüstung zuständig. Alle brachten diese in einem bereitgestellten Korb aufs Tauchschiff. Flossen, Tauchbrille, Tauchmesser, Neoprenanzug, Manometer, Oktopus in doppelter Ausführung, aufblasbares Jackett und sonst noch das eine oder andere.

      »Warum heisst das Atmungsgerät eigentlich Oktopus?«, dachte John bei jedem Tauchgang. Aber eigentlich war es ihm egal.

      »Hauptsache, sie funktionieren, und wenn nicht, hat ja jeder Taucher noch einen zweiten«, dachte er.

       Nachdem bei jedem Taucher das Jackett an der Flasche festgeschnallt und mit dem entsprechenden Hakenverschluss gespannt worden war, wurden beide Oktopus an der gleichen Seite des T-Stücks an der Flasche angeschraubt. Ein Oktopus wurde in der Tasche mit einem Klettverschluss befestigt. Anschliessend wurde das Jackett an der anderen Seite des T-Stücks für das Luftgemisch angeschraubt. Das lose Ende mit dem Manometer für die Druckanzeige wurde in die Tasche gesteckt. Nachdem alle weiteren Handgriffe ordnungsgemäss durchgeführt worden waren, nahmen die Teilnehmer auf den zugewiesenen Sitzen im Schiff Platz. Bevor der eigentliche Tauchgang begann, ging John nochmals seine Checkliste durch und kontrollierte, ob die Gäste ihre Neoprenanzüge auch richtig angezogen hatten. Er hatte mal einen Anfänger, der doch tatsächlich den Anzug verkehrt angezogen hatte. Noch heute fragte er sich schmunzelnd, wie er das nur geschafft hatte. Aber hier waren zertifizierte Taucher am Werk und jeder Handgriff sass. Wenn auch der eine oder andere sich bevormundet fühlte. Vor jedem Tauchgang machte sich John ein Bild von den Teilnehmern. Er wollte wissen, mit wem er es zu tun hatte. Dies hatte er sich schon während seiner Zeit bei den Navy Seals angewöhnt. Er schätzte die Lage jeweils anhand der Persönlichkeitsprofile ein und entschied dann, wie der Tauchgang ablaufen sollte. Da war Roy Meyer, der mit seiner Frau Kate aus Boston und mit einem befreundeten Paar, Neville und Linda aus New York, angereist war. Roy kommandierte seine Frau herum, was John missfiel. Er schien ein Wichtigtuer zu sein und zeigte jedem, der es wissen oder auch nicht wissen wollte, seine Baseballmütze mit einem »R« und einem »M«, den Initialen seines Namens. Patrick und Susan, die aus einem Kaff aus Ontario hergereist waren, schienen ihm ganz in Ordnung zu sein. Olaf und Andrine aus Kristiansand, Norwegen und Jacques aus Narbonne und zu guter Letzt Rudi aus Düsseldorf, komplettierten das Team. »Neville und vor allem Roy muss ich im Auge behalten«, dachte John.

       Nun fuhr das Tauchschiff Richtung Great Blue Hole.

      »Das Great Blue Hole«, begann John zu erklären, während seine langen Haare vom Fahrtwind durchgewirbelt wurden, »ist annähernd kreisrund und hat einen Durchmesser von fast 300 Metern.«

      »Wie tief ist es?«, wollte Neville wissen.

      »An der tiefsten Stelle etwa 125 Meter«, antwortete John.

      »Es ist ein eigentliches Wunder der Natur. Es entstand vor etwa 12500 Jahren«, erläuterte John.

      »Damals war der Meeresspiegel fast 120 Meter tiefer als heute, und in den Kalksteinschichten bildeten sich unterirdische Höhlensysteme.«

      »War bei allen Meeren damals der Meeresspeigel so viel tiefer?«, wollte Rudi wissen.

      »Ja, alle damals verbundenen Meere hatten wie heute den gleich hohen Meeresspiegel«, antwortete er.

      »Als dann das Meer anstieg, überflutete es die Höhlensysteme«, erklärte John weiter.

      »Wieso sind wir so sicher, dass damals das Meer viel tiefer lag«, wollte Neville wissen.

      »Es gibt zwei Erklärungen dafür. Eine werden wir heute selber sehen können. Die andere hat damit zu tun, dass wir in etwa 110 Meter Tiefe Überreste von Süsswassermuscheln gefunden haben. Diese konnten nicht im Meer leben. Auch anderswo auf unserem Planeten hat man solche Funde getätigt.«

      »Was können wir denn sehen?«, wollte Andrine wissen. Bei ihr konnte John ein echtes Interesse an ihrem Gesicht ablesen.

      »Wir werden an der Südwand in einer Tiefe von knapp 40 Metern in ein unterirdisches Höhlensystem eintauchen«, antwortete er.

      »Und was finden wir dort?«, meldete sich Malcon eher gelangweilt?

      »Einen Teil der Geschichte unseres Planeten«, antwortete John schon fast andächtig.

      »Dort unten hat es eine Galerie in der Felswand. Bevor das Meer angestiegen ist, bildeten sich dort


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