Caribbean Dreams. Hermann Mezger

Caribbean Dreams - Hermann Mezger


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Drogenmafia mit dem Mord nichts zu tun hat, geben wir den Fall wieder ab.“

      Stevenson grunzte zufrieden, was Bramme als Zustimmung deutete.

      „Einverstanden!“, kam es von Hall. „Ich schaue mich in der Zwischenzeit mal etwas in Houston um.“

      „Danke, Mister Bramme, danke meine Herren!“, sagte Sokrates erleichtert, stand auf und verabschiedete sich eilig. Er hatte wohl Angst, irgendjemand könnte es sich noch einmal anders überlegen. Auch Hall erhob sich. Er und Simon tauschten noch Visitenkarten aus.

      „Wir bleiben in Verbindung!“, versicherte Simon halbherzig.

      „Aber ja!“

      „Meine Herren, ich begleite Sie hinaus“, sagte der Hilfssheriff und verließ mit Hall und Sokrates das Büro.

      Simon und Bramme setzten sich wieder. Beide steckten gerade das Foto des toten Bakov ein, als ein junger Mann ziemlich ungestüm zur Tür hereinkam.

      „Oh, Mister Hoofnagel!“, rief ihm der Sheriff entgegen, „Sie habe ich ja total vergessen!“

      Gary Hoofnagel war schätzungsweise Ende Zwanzig, hatte einen blonden Bürstenhaarschnitt, Sommersprossen und abstehende Ohren. Er trug eine Aktentasche unter dem Arm und schnappte nach Luft.

      „Das darf doch nicht wahr sein!“, fauchte Hoofnagel.

      Stevenson beugte sich vertrauensvoll zu Simon hinüber und klärte ihn auf: „Mister Hoofnagel ist Versicherungsvertreter...“

      Doch der junge Mann protestierte sofort lautstark.

      „...aber Sheriff! Ich bin doch kein Versicherungsvertreter! Das sollten Sie so langsam wissen. Ich bin vereidigter Sachverständiger der OPEN SEA INSURANCE COMPANY, kurz OSI genannt.“

      Stevenson rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum, wischte mal wieder sein Gesicht ab und setzte eine reuige Miene auf.

      „Entschuldigung! Sie sehen ja selbst, dass bei mir heute mal wieder der Teufel los ist.“

      Und an seine beiden Besucher gewandt sagte er: „Mister Hoofnagel ist im Moment mit der Kollision zweier Schiffe der HOWIE-SHIPPING-COMPANY befasst, die in der letzten Woche in der Galvestone-Bay aneinandergeraten sind.“

      Hoofnagel nickte.

      „Das Unglück hat fünf Todesopfer und acht zum Teil Schwerverletzte gefordert. Auch der Sachschaden ist beträchtlich: Eine Schaluppe gesunken, ein Frachtschiff erheblich beschädigt. Eine vorsichtige Schätzung dieser Havarie beläuft sich auf sechzig Millionen Dollar!“

      Simon pfiff beeindruckt durch die Zähne.

      „Bei solchen Beträgen schrillen bei jeder Versicherung automatisch die Alarmglocken.“

      „Ja“, meinte Stevenson, „da muss man natürlich mit allen Tricks arbeiten, um die berechtigten Ansprüche der Kunden abzuwehren. Ein Heer von Spezialisten und Anwälten verdient damit sein täglich Brot. Ich wundere mich nur, dass man Sie alleine auf diesen Fall angesetzt hat.“

      Hoofnagel richtete sich angriffslustig auf und reckte das Kinn.

      „Ich habe immerhin Schiffbau studiert und mein Examen mit Auszeichnung bestanden. Man sagt mir übrigens nach, dass ich ein Wadenbeißer sei, und dass ich mich in jeden Fall mit all meiner Kraft hineinknie.“

      „Und was wollten Sie heute von mir?“

      „Wie, das wissen Sie nicht mehr? Ich brauche unbedingt einen Beamten, der mir den Zugang zu der Reparaturwerft verschafft. Ich muss den Havaristen mit dem hochtrabenden Namen CARIBBEAN DREAMS begutachten. Die Leute der Howie-Shipping-Company verwehren mir seit Tagen den Zutritt.“

      „Hat das nicht Zeit bis morgen? Sie sehen doch, dass ich Besuch habe. Mister Bramme kommt extra aus Deutschland um hier einen Fall aufzuklären“, flunkerte Stevenson.

      Schlagartig änderte sich Hoofnagels Gebaren. Er strahlte Bramme richtiggehend an und schien seine Aufgabe plötzlich total vergessen zu haben.

      „Oh wie schön! Aus Deutschland! Meine Vorfahren kommen auch aus Deutschland. Wie lange sind Sie denn in Houston, meine Herren? Ich würde mich gerne etwas mit Ihnen unterhalten.“

      „Wir fliegen morgen früh wieder “, entgegnete Simon.

      „Also haben Sie nur heute Abend Zeit? Darf ich Ihnen unsere Stadt zeigen und Sie zum Essen einladen?“

      „Es genügt schon, wenn Sie uns ein gutes Lokal empfehlen.“

      Hoofnagel schien darüber nachzudenken.

      „Wo wohnen Sie denn?“

      „Im Four Seasons.“

      „Gut! Ich hole Sie dort um sieben Uhr ab, einverstanden?“

      Ohne eine Antwort abzuwarten wandte er sich an den Sheriff: „Ich komme morgen wieder vorbei, Sheriff!“

      So ungestüm wie er gekommen war, verließ Gary Hoofnagel das Büro.

      „Diese Versicherungsleute sind wie Zecken,“ klagte Stevenson als die Luft rein war.

      „Er hat doch selbst zugegeben, dass er ein Wadenbeißer ist“, sagte Bramme lapidar und wiederholte damit nur Hoofnagels Worte.

      4. Kapitel

      Am Abend warteten Simon und Bramme in der Lobby auf Gary Hoofnagel. Bramme war von der schmucken Halle tief beeindruckt und ließ es sich nicht nehmen, ein paar Fotos zu schießen. Als er diese Simon unter die Nase halten wollte, zeigte der jedoch kein Interesse und brummte nur. Es war Bramme schon vorher aufgefallen, dass seinem Freund etwas über die Leber gelaufen sein musste.

      „Bist du sauer, weil wir jetzt auch noch auf die Cayman Islands und nach Trinidad müssen?“, fragte er vorsichtig und steckte die Kamera weg.

      „Keineswegs. Ich wollte da schon immer mal hin.“

      „Was hast du dann?“

      Bramme kannte seinen Freund als lebensfrohen Menschen. Dieses bockige Verhalten passte gar nicht zu Simon.

      „Ich musste unseren Besuch in Kolumbien verschieben und die Flugpläne umkrempeln. Dabei habe ich mir so meine Gedanken gemacht: Man steht morgens in dem festen Glauben auf, einen geordneten Tagesablauf vor sich zu haben, und dann wird alles in einer Sekunde über den Haufen geworfen.“

      „Du kennst doch das Sprichwort: Je sorgfältiger der Mensch plant, desto härter trifft ihn der Schlag!“

      „Ich bin ja flexibel genug, um das einzusehen, aber ich frage mich, ob es sich in diesem Fall nicht um ein böses Omen handelt. Vielleicht steht unsere Reise unter keinem guten Stern?!“

      „Jetzt hör´ aber auf! Ich kenne diese Seite gar nicht an dir. Du bist doch kein Hasenfuß!“

      Simon schluckte und Bramme versuchte, ihn in die Realität zurückzuholen.

      „Gab es denn bei der Änderung der Reisepläne Probleme?“, fragte er deshalb.

      „Nein. Der Commandante in Bogota ist zwar nicht begeistert, weil seine Truppe abmarschbereit in den Startlöchern steht, aber er muss es nehmen wie es kommt. Und unser Flugzeug fliegt, wann wir wollen.“

      Bramme wollte etwas erwidern, aber zum Glück erblickte er Gary Hoofnagel, der unter der Tür stand und gekommen war, um sie abzuholen.

      Bramme gefiel das Lokal, in das er und Simon geführt wurden, auf Anhieb. Es war gut besucht, duftete nach deftigem, scharfem Essen, nach Holz und Rotwein und war schummrig beleuchtet. Sie setzten sich an einen runden Tisch in einer Ecke, und noch bevor ihnen die Speisekarte gereicht wurde, stellte der Ober eine Karaffe Wasser und Gläser vor sie hin. Mit knurrendem Magen widmeten Bramme und seine Begleiter fortan ihre ganze Aufmerksamkeit der Menükarte.

      „Hier gibt es die besten Enchiladas in ganz Texas“, beteuerte Hoofnagel und schnalzte genießerisch mit der Zunge.

      „Dann


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